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Doreen Hildebrandt zu TOP 7: Landesweites Azubi-Ticket einführen: Gerechtigkeit bei Fahrtkosten für alle Auszubildenden und Studierenden

Sehr geehrte Damen und Herren,

stellen Sie sich bitte eine 10. Klasse in einer Sekundarschule vor. Zu dieser Jahreszeit wissen fast alle Jugendlichen, was sie nach Schulende tun werden:

3 von den Schülerinnen und Schülern werden zum Gymnasium wechseln, wohnen weiterhin bei ihren Eltern und erhalten vom Land die tatsächlich entstandenen Fahrkosten – abzüglich des Eigenanteils von 100,00 € - erstattet.

3 andere Schülerinnen und Schüler beginnen eine schulische Berufsausbildung als Physiotherapeutin, Sozialassistent und als medizinisch-technische Radiologieassistenten. Sie erhalten – abhängig vom Einkommen der Eltern – sogenanntes Schüler-BaföG, das sie nicht zurückzahlen müssen und darin sind die tatsächlichen Fahrkosten zu ihrer Berufsschule enthalten.

4 Jugendliche verlassen Sachsen-Anhalt Richtung Hannover, Berlin und Dresden, weil sie die Ausbildung in ihrem Wunschberuf nur dort ergattern konnten. Sie erhalten neben ihrer Ausbildungsvergütung, wenn sie nicht bei mindestens einem Elternteil wohnen, Berufsausbildungsbeihilfe, in der die tatsächlichen Fahrkosten zum Betrieb und zur Berufsschule enthalten sind.

6 weitere Schülerinnen und Schüler der Klasse haben eine Zusage von einem Betrieb in der Nähe. Sie werden Landwirtin, Bergmechaniker, Schornsteinfegerin oder Augenoptiker. Sie bleiben bei ihren Eltern wohnen, weil eine durchschnittliche Ausbildungsvergütung von 390,00 € nicht für eine eigene Wohnung reicht. Weil die berufsbildende Schule, die sie besuchen müssen, so weit vom Wohnort entfernt ist, müssen sie sich dort einen Internatsplatz oder ein Zimmer suchen und erhalten dafür und für die Fahrkosten zu dieser Berufsschule einen Zuschuss vom Land über die in unserem Antrag erwähnte Richtlinie.

Die anderen 6 Jugendlichen beginnen eine Ausbildung als Kfz-Mechatronikerin, Verkäufer, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder Kauffrau für Büromanagement bei einem Betrieb in der Nähe und besuchen die örtliche berufsbildende Schule, die je nach Kreis auch mal locker 80 km von zu Hause entfernt sein kann. Auch sie erhalten durchschnittlich 390,00 € Ausbildungsvergütung, können sich keine eigene Wohnung leisten und erhalten - nichts weiter.

Na, finden Sie sich noch durch?

Ich schon. Und verschiedene Gerichte auch in Sachsen-Anhalt, die sich mit Klagen von Eltern hinsichtlich der Ungleichbehandlung bei Fahrtkosten zum Betrieb und zur Berufsschule befasst haben, ebenso.

Bei den Studierenden im Land wird es, unabhängig davon, ob sie Bafög, MeisterbaföG, Stipendien oder auch nichts zum Lebensunterhalt vom Staat erhalten, noch etwas verrückter:

Wenn ich an der Hochschule Harz studiere, kann ich mir für 18,00 € ein Semesterticket für das Liniennetz der Harzer Verkehrsbetriebe kaufen. Wenn ich an der Hochschule Anhalt studiere, gibt es derzeit kein Angebot für ein Semesterticket, genauso wenig wie für Studierende in Magdeburg und Stendal. In Halle dagegen kann ich als Studierende für einen solidarisch finanzierten Semesterbeitrag von 115,00 € den ÖPNV im gesamten Gebiet des mitteldeutschen Verkehrsverbundes nutzen. Wenn ich in Merseburg studiere, kann ich das auch, aber für 118,50 €.

Haben Sie jetzt einen Eindruck gewonnen, warum wir diesen Antrag stellen?

Im Koalitionsvertrag steht, dass in dieser Legislaturperiode ein Azubiticket eingeführt werden soll. Im Ausschuss für Landesentwicklung der Verkehr wurde im Januar dieses Jahres dazu beraten, mit dem Ergebnis, dass die Einführung kurzfristig an Schwierigkeiten wie am Fehlen eines einheitlichen Tarifgebietes, der Finanzierung und daran scheitert, dass das geplante Azubi-ticket zu unkonkret formuliert sei.

Es wurde im Januar vereinbart, dass das Ministerium prüft, die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Auszubildende zu den Kosten der auswärtigen Unterbringung sowie zu Fahrtkosten aus Anlass des Besuchs einer auswärtigen Berufsschule“ zu ändern und zu prüfen, ob das Ergebnis im März oder April dieses Jahres dem Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr vorgelegt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben jetzt Ende Mai, das neue Ausbildungsjahr beginnt in knapp 2 Monaten und es ist keine Regelung in Sicht.

Es ist für mich unverständlich, dass bei Auszubildenden und Studierenden nicht gelingen soll, was beim Schülerferienticket seit Jahren funktioniert.

Mit der Zustimmung zu unserem Antrag könnten Sie heute etwas dafür tun, dass Sachsen-Anhalt für Auszubildende und Studierende attraktiver wird und damit dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken.

Sie könnten durch die Zustimmung zu unserem Antrag dafür sorgen, dass es sich junge Menschen trotz knapper Ausbildungsvergütung bzw. knappen BaföG leisten können, den ÖPNV zu nutzen. Damit würden Sie einer konkreten Maßnahme zustimmen, das ÖPNV-Angebot zu stärken.

Das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr zieht sich seit Jahren auf die Position, dass landesweit kein Bedarf für Auszubildende und Studierende gesehen wird, zurück. Das zeigte erst kürzlich wieder die Antwort auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Hr. Grube mit dem Titel „Landesweites ÖPNV-Ticket für Studierende“ vom 14.03.18.

Dort wird auch erklärt, dass der Landesregierung keine Beispiele für ein landesweit einheitliches ÖPNV-Ticket für Studierende bekannt sind.

Ein Blick nach Niedersachsen reicht, um zu sehen, dass es möglich ist, ein landesweites Azubiticket auch innerhalb verschiedener Tarifgebiete einzuführen. Brandenburg bietet solidarisch finanzierte Semestertickets an. Also reden Sie doch keinen Quark, wenn es um die Machbarkeit geht.

Niemand bezweifelt, dass es aufwändig sein wird, solche Tickets einzuführen. Es sind Abstimmungsgespräche mit Tarifverbünden, Landkreisen, Universitäten, Studierendenvertretungen, Kammern und berufsbildenden Schulen zu führen. Aber es wird sich aus unserer Sicht lohnen, weil die Attraktivität unseres Landes für junge Menschen dadurch steigt.

Darum bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.