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Doreen Hildebrandt zu TOP 20: Ausbildungsabbrüche in Sachsen-Anhalt reduzieren

Unser Antrag „Ausbildungsabbrüche in Sachsen-Anhalt vermeiden“ liegt Ihnen allen vor. Ich bringe ihn ein, weil Sachsen-Anhalt auf Platz 1 steht: aber leider in der Statistik der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge. Zunächst einige Zahlen: 33,5 % der in Sachsen-Anhalt abgeschlossenen Ausbildungsverträge wurden im Jahr 2014 vorzeitig aufgelöst, 2013 waren es 32,7 Prozent. Das zeigt eine Analyse der Wissenschaftler des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB Regional in Halle. Damit hat Sachsen-Anhalt bundesweit die höchste Lösungsquote. Der gesamtdeutsche Durschnitt liegt bei 24,6 Prozent. Überdurchschnittlich ist die Quote der vorzeitig gelösten Ausbildungsverhältnisse im Handwerk mit 46,5 Prozent.
Friseure liegen mit 67,9 Prozent an der Spitze, danach folgen Köche mit 59,3 Prozent, Hotelfachleute (52,3 Prozent) und Restaurantfachleute (50,8 Prozent).

Auch die Ursachen für die vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen haben die IAB-Arbeitsmarktexperten bereits im Jahr 2012 in einer Studie untersucht. Das Ergebnis der im 1. Quartal 2014 veröffentlichten Studie - wer nachlesen möchte ISSN 1861-1435, auf Seite 32: Schlechtes Betriebsklima, Konflikte zwischen Ausbildern und Auszubildenden wurden als wichtigste Gründe genannt. Gefolgt von Qualitätsmängeln in der Ausbildung, falschen Vorstellungen vom Beruf und Kosten im Zusammenhang mit der Ausbildung.

Das kann man auch sehr gut im Ausbildungsreport der DGB-Jugend nachlesen. Ich will nur ein paar Fakten daraus nennen: 34 Prozent der Jugendlichen haben keinen betrieblichen Ausbildungsplan, 11 Prozent sehen ihre Ausbilder selten oder nie, 36 Prozent müssen regelmäßig Überstunden machen, 13 Prozent der unter 18-Jährigen müssen mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten. Niedrige Vergütungen, zahlreiche Überstunden, ein raues Klima zwischen Vorgesetzten und Auszubildenden – all das ist Normalität. Wenn gute Arbeit nicht wertgeschätzt wird, ist es kein Wunder, dass so viele Auszubildende das Handtuch werfen.

Um das hier einmal klar auszusprechen: Viele Jugendliche sind hochmotiviert, haben durch Praktika und BRAFO genaue Vorstellungen, was im Arbeitsalltag auf sie zukommt und sind auch nicht zu blöd, eine Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen - aber sie erkennen gut, wenn Betriebe sie als billige Arbeitskräfte missbrauchen und regelmäßig gegen Jugendarbeitsschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz, Berufsbildungsgesetz (kurz BBiG) oder Handwerksordnung (kurz HWO) verstoßen.

In unserer heutigen Zeit, in der die meisten Bewerber die Erfahrung machen, dass es vergleichsweise einfach ist, eine Ausbildung zu finden, wählen sie dann lieber das Ende mit Schrecken. Dafür nehmen sie Brüche im Lebenslauf und Unterstellungen von Unfähigkeit und mangelndem Durchhaltevermögen in Kauf. In den 90er Jahren, als die Ausbildungsmarktlage deutlich angespannter war, Betriebe die volle Auswahl an Bewerbern hatten und es jeder Jugendliche als 6er im Lotto angesehen hat, irgendeine Ausbildung zu finden, hielten viele dann an ihrer Ausbildung fest - immer den Spruch im Ohr "Lehrjahre sind keine Herrenjahre".
Damals war die Gesellschaft, allem voran Berufsberatung und zuständige Stellen heilfroh, wenn ein Betrieb seine Ausbildungsbereitschaft erklärte.

Ich weiß, dass damals sehr wohl geprüft wurde, ob die Eignung des Ausbildungsbetriebes gemäß § 32 (1) BBiG oder § 23 (1) HWO vorliegt. Danach wurde jedoch nicht mehr so genau hingeschaut, ob ein Betrieb die gesetzlichen Vorgaben einhält. Ich kenne selbst Betriebe, in denen jährlich ein Auszubildender eingestellt wurde, aber nicht einer davon hat dort jemals seinen Abschluss gemacht. Zugegeben gehört Mut seitens der zuständigen Stellen dazu, einem Mitgliedsbetrieb, der Beiträge zahlt, auf die Finger zu klopfen, wenn erkennbar wird, dass Auszubildende dort schlecht behandelt werden. Es wäre ein guter Anfang, die Qualität der Ausbildung der Ausbilder wieder anzuheben.
Wenn heutzutage ein zugegeben kostengünstiger Zwei-Wochen-Kurs bei irgendeinem privaten Bildungsträger zur Vorbereitung auf die AdA-Prüfung reicht und kein Nachweis erfolgen muss, ob ein zukünftiger Ausbilder selbst ausreichend Fachwissen und Berufserfahrung hat, muss man sich doch über Qualitätsmängel in manchen Betrieben nicht wundern.

Damit Sie mich nicht missverstehen: natürlich bieten viele Betriebe eine tolle Ausbildung an. Aber müssten nicht gerade deshalb, um den Ruf einer Branche zu wahren, gerade die schwarzen Schafe, die gegen die Regeln verstoßen, zur Verantwortung gezogen werden? Unter Jugendlichen spricht sich doch ganz schnell herum, wenn bei einem von ihnen die Ausbildung nicht läuft - aber dann heißt es doch nicht "im Hotel XY darf ich nur putzen", sondern es heißt "werd´ bloß nicht Hotelfachmann". So bedingen sich doch Missstände in der Ausbildung und der Fachkräftemangel.

Die bisherigen Ansätze bei den Jugendlichen begrüße ich, besonders die verstärkte Berufsorientierung, die an Gymnasien allerdings ausbaufähig ist, führt dazu, dass Jugendliche genau über Berufsbilder, Arbeitsbedingungen und Vergütungen Bescheid wissen. Die Berufseinstiegsbegleiter, die bei der Ausbildungssuche helfen, sind mittlerweile zu einer festen Institution für die Hauptschüler geworden, auch hier ist es wünschenswert, dass jede Sekundarschule in vernünftigem Rahmen gefördert wird.
Und auch die "Zukunftschance assistierte Ausbildung", die ich kritisch sehe, weil sie mit ausbildungsbegleitenden Hilfen und der kooperativen Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen konkurriert, geht schon in die richtige Richtung.

Aber all diese Programme greifen zu kurz, weil sie nur die Seite der Ausbildungssuchenden stützen. Wenn wir ernsthaft gegen die vielen Vertragslösungen vorgehen wollen, reicht dieser Ansatz nicht, egal wie viele ESF-Programme noch aufgelegt werden. Wir müssen die zuständigen Stellen in die Pflicht nehmen, damit endlich alle Betriebe damit beginnen, Auszubildende als zukünftige Fachkräfte zu sehen und auch so zu behandeln. Ansonsten wird es auch in Zukunft heißen: "Augen auf bei der Berufswahl und ganz besonders bei der Betriebswahl".