Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren

Zu den gegenwärtigen, migrationspolitischen Debatten und den jüngsten Äußerungen von Ministerpräsident Reiner Haseloff erklärt Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:

„Seit geraumer Zeit werden bundesweit und europaweit migrationspolitische Debatten geführt, die die Schutzsuchenden zum Problem erklären und Abschreckung, Abwehr sowie Entrechtung als Lösung verkaufen. In den letzten Wochen haben sich diese Debatten noch einmal massiv verschärft: Die Grünen fordern mittlerweile mehr Abschiebungen, aus der CDU wird die unumsetzbare Forderung nach Grenzschließungen lauter, Politiker:innen von CDU/ CSU und AfD überbieten sich mit Forderungen nach Grausamkeiten gegen Geflüchtete und auch der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts stimmt ein in den Chor derer, die Sachleistungen als Abwehrinstrument gegen Geflüchtete diskutieren wollen.

Diese Debatten sind im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich: In der Tat kann und muss das Jahr 1992 hier als historisch-politisches Vorbild gesehen werden. Mit dem Asylkompromiss wurden nicht nur die Rechte Schutzsuchender massiv eingeschränkt. Er befeuerte rechte und rassistische Gewalt und ist untrennbar mit den Pogromen von Rostock, Solingen und vielen anderen Orten verbunden. Dies ernsthaft zu Glorifizieren und als „parteiübergreifenden Konsens“ darzustellen, ist deshalb nicht nur ein historischer Offenbarungseid. Es ist einer der Menschlichkeit und des verantwortlichen politischen Handelns.

Das Prinzip der Sachleistungen ist altbekannt. Wissenschaftlich ist die Legende vom entscheidenden Pullfaktor „Sozialleistungen“ längst wiederlegt. Sie sind in zahlreichen Kreisen Praxis und führen zu mehr Problemen, als sie zu lösen vorgeben: Sie entrechten Menschen, sie machen ihr Leben schwerer und verursachen erheblichen Mehraufwand für die Kommunen, wie auch der Stadt- und Landkreistag feststellt. Statt Phantompferde zu reiten, die kein Problem lösen, aber Stimmung schüren, wäre es die Aufgabe der Landesregierung, die Kommunen finanziell zu entlasten, Unterkünfte zu erschließen und dafür zu sorgen, dass Menschen in Sachsen-Anhalt schnell und gut ankommen, leben und arbeiten können und damit für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Wir erleben das Gegenteil: Eine selbsternannte „Fortschrittskoalition“, die das Grundrecht auf Asyl aushöhlt, eine „Menschenrechtspartei“, die rechte Themensetzung übernimmt, nur statt Abschiebungen von Rückführungen spricht und eine Landesregierung, die zahlreiche Probleme beklagt, aber kein einziges löst. Statt Arbeitserlaubnisse gibt es Diskreditierungen. Sachsen-Anhalt hat erheblichen Leerstand und braucht dringend Zuwanderung. Statt aberwitzige Werbeaktion für Fachkräfte, brauchen wir mehr, schnellere und einfachere Anerkennung beruflicher Qualifikationen, schnellere Arbeitserlaubnisse und weniger bürokratische Hürden für Arbeitgeber:innen.

Wer heute Asylsuchende und Geflüchtete zum Problem macht und das Spiel der Faschistin Meloni weitertreibt statt Lösungen für seit Jahrzehnten verschlafene Probleme auf EU-Ebene zu schaffen, handelt verantwortungslos. Bereits 2012 musste das Bundesverfassungsgericht klarstellen: Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. Es ist bezeichnend, dass offenbar auch der Ministerpräsident daran erinnert werden muss.“

 

Magdeburg, 19. September 2023