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Dagmar Zoschke zu TOP 31: Gesetzliche Mindestpersonalbemessung und Steigerung der Ausbildungszahlen in der stationären Pflege

Anrede!

Lassen Sie mich zunächst einige Vorbemerkungen machen:

In der Pflege arbeiten mehrere Professionen, die Altenpflegerin, die Gesundheits- und Krankenpflegerin, die Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, hinzu kommen noch die Altenpflegehelferin, die Gesundheits- und Krankenpflegehelferin und die Gesundheits- und Kinderkrankenpflegehelferin. Viele stationäre Einrichtungen waren sehr kreativ und haben Möglichkeiten des Einsatzes auch für nichtfachliches Personal gefunden, um Pflegekräfte für ihre originäre Aufgabe einzusetzen und damit zu entlasten.

Und dennoch gibt es Überlastungsanzeigen, Langzeiterkrankungen und eine sehr hohe Fluktuation aus dem Beruf.

Die Koalition hat die Schwierigkeiten und Problemlagen im Bereich der Pflege auch erkannt und hat in dieser Legislaturperiode einen Runden Tisch Pflege eingerichtet. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag, ich zitiere: „Im Bereich der Pflege zeichnet sich u.a. durch die Umstellung auf eine generalistische Pflegeausbildung, den sich verschärfenden Fachkräftemangel und die gesetzlichen Änderungen auf Bundesebene großer Handlungsbedarf ab. Um diesen zu begegnen wird das Land noch im Jahr 2016 einen Runden Tisch Pflege einrichten, der Handlungsempfehlungen für die Politik formulieren soll.“ (Zitatende) Vor Ort, also in der Praxis wird nach Stärken und Reserven und der Verantwortung für beides geschaut! Auch ich bin Teilnehmerin an diesem Runden Tisch und höre sehr aufmerksam den Praktikerinnen und Praktikern zu.

Ja, auch uns ist klar, wir sind nicht immer Herr des Verfahrens. Die Bundesgesetzgebung spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Es hat in den letzten Jahren viel Bewegung gegeben im Bereich der Pflege, es hat Entwicklungs- und Verstärkungsgesetze gegeben, um den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ist lange und heiß gestritten worden, jetzt ist er da. Allerdings finden wir auch noch einige heiße Eisen im Feuer.

Zu diesen heißen Eisen gehört unstrittig der Personalschlüssel in den stationären Einrichtungen. Der Bund hat unlängst das Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragener Krankheiten verabschiedet. In diesem Gesetz kündigt er Regelungen für Personaluntergrenzen, wie sie bisher nur im Bereich der Intensivstationen und der Neonatologie existieren, für weitere pflegeintensive Bereiche an. Dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft kommt nun die Aufgabe zu, die Bereiche der Kliniken zu definieren, in denen ein erhöhter Pflegeaufwand gegeben ist. Dabei sollen Intensivstationen und der Nachtdienst mit einbezogen werden.

Aber kann man damit zufrieden sein?

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommen in Deutschland auf eine Pflegekraft ganze 13 Patientinnen und Patienten, in Norwegen sind das 5,4 pro Pflegekraft und in Großbritannien 8,6.

Bis zum Jahr 2007 haben die deutschen Krankenhäuser ihr Pflegepersonal kontinuierlich abgebaut. Seit 2008 hat sich der Trend umgekehrt. 2015 gab es allerdings immer noch 3,4 % weniger Pflegepersonal als im Jahr 2000. Die Zahl der Ärzte ist dagegen in den 15 Jahren mit plus 42 % deutlich gestiegen.

Der Personalabbau und die deutlich gestiegene Morbidität der Patientinnen haben die Belastungen der Pflegekräfte weiter erhöht. Durch verschiedene internationale wie nationale Studien ist nachgewiesen, dass mehr ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerinnen je Behandlungsfall zum Beispiel bei Hüftfrakturen zu weniger postoperativen Wundinfektionen pro Krankenhaus und damit zu besseren Behandlungsergebnissen führen. Um unerwünschte Behandlungsergebnisse, Komplikationen wie Lungenentzündungen, Wundinfektionen, Dekubitus, Sepsen u.a. möglichst zu vermeiden, sollten in allen Fachabteilungen im Tagdienst für jeweils 7,5 Patienten mindestens eine Pflegekraft da sein. Um dies zu realisieren, müssten in allen deutschen Krankenhäusern zusammen noch einmal bis zu 6.000 Pflegestellen geschaffen werden.

Vieles spricht dafür, dass in allen Bereichen der stationären Krankenversorgung verbindliche und adäquate Mindestpersonalbemessung gesetzlich geregelt wird. Nicht zuletzt hat auch der Bundesgesundheitsminister immer wieder geäußert, ich zitiere: „Eine gute Versorgung im Krankenhaus setzt eine angemessene Personalausstattung voraus“ (Zitatende)

Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierung auf, der Bundesratsinitiative aus dem Saarland zuzustimmen. Wir sagen außerdem, auch für weniger pflegeintensive Bereiche müssen zukünftig Mindestzahlen gelten. Es darf keinen Stationsdienst mehr von Einzelpersonen, auch nicht am Wochenende, an Feiertagen und schon gar nicht in der Nacht geben.

Wir trauen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Menge zu, keine Frage. Allerdings allein eine Kostenbetrachtung ist für den Einsatz von Personal weniger optimal. So hängt der tatsächliche Personalbedarf auch von den baulichen Strukturen, der technischen Ausstattung und den Erkrankungen der Patienten vor Ort ab. Der Mangel an Fachkräften, kurzfristige Personalausfälle und ein zum Beispiel plötzlich steigender Versorgungsbedarf müssen ebenso abgebildet sein. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass bei der Entwicklung bundeseinheitlicher Vorgaben für die Personalbemessung in der stationären Pflege sowohl ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren genutzt wird, als auch die Belange der Beschäftigten und der zu Pflegenden mit einbezogen werden.

Am Montag konnten alle Leserinnen und Leser in der Volksstimme einen Artikel lesen, dessen Überschrift lautete, ich zitiere: „Pflegeheimen gehen die Fachkräfte aus – Obwohl der Bedarf in Sachsen-Anhalt wächst, sinken die Lehrlings-Zahlen“ (Zitatende)

Dazu können die Zahlen, die in der vergangenen Woche am Runden Tisch Pflege genannt worden sind die Situation ganz konkret beschreiben:

Waren es im Schuljahr 2010/2011 noch insgesamt 2.773 Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege, so sind es im Schuljahr 2016/2017 nur noch 2.149.

Ähnlich sieht es aus im Bereich Altenpflegehilfe: Schuljahr 2010/2011 869 Schülerinnen und Schüler und im Jahr 2016/2017 gibt es nur noch 577 Altenpflegehilfeschülerinnen und -schüler.

Die Gesundheits- und Kranken- bzw. Kinderkrankenpflege weist ähnliche Tendenzen auf. So wurden im Schuljahr 2016/ 2017 1.437 Gesundheits- und Krankenpfleger, 117 Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger und 100 Krankenpflegehelfer ausgebildet.

Und dies alles vor dem Hintergrund, dass der Bedarf an Pflegefachkräften bis zum Jahr 2030 in Sachsen-Anhalt um bis zu 36 % steigen wird.

Dies ist die aktuelle Situation in der Ausbildung.

Die Arbeitssituation in der Pflege sieht aktuell nicht viel besser aus. Zum Stichtag 30. Juni 2015 arbeiteten in Sachsen-Anhalt 47.236 Personen in der Pflegebranche, davon waren 16.903 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in stationären Pflegeeinrichtungen. Die Pflegebranche ist eine Frauendomäne, sie stellen hier 72% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der Anteil der 45- bis 54-Jährigen ist am Höchsten. Die Fluktuation von jungen Fachkräften, besonders in der Altenpflege ist besonders hoch, was wohl auf die hohe körperliche und emotionale Beanspruchung zurückzuführen ist.

Die Teilzeit- und auch die Vollzeitbeschäftigung in den vier zentralen Pflegeberufen ist in Sachsen-Anhalt deutlicher gestiegen, als die Beschäftigung in andern Branchen.

Und dennoch weist eine Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung eindeutige Hinweise nach, auf einen Fachkräftemangel in der Pflege. Ich zitiere:

„In Sachsen-Anhalt waren 2015 die gemeldeten Stellenangebote für examinierte Altenpflegefachkräfte im Schnitt 114 Tage vakant. ( …. ) Die Indikatoren zur Arbeitslosigkeit legen nahe, dass nicht genügend arbeitslose Bewerber zur Verfügung standen.( …) Auch bei den Fachkräften der Gesundheits- und Krankenpflege sind Anzeichen für Engpässe vorhanden.“ (Zitatende)

Die Ursachen für diese Situation sind sehr vielschichtig und können hier an diese Stelle weder vollständig noch intensiv beschrieben werden.

Eine wesentliche Schlussfolgerung für uns alle muss es daher sein, die Berufe in der Pflege attraktiver zu machen. Dies bedeutet weniger Belastung für die einzelne Fachkraft, mehr qualifiziertes Personal am Bett erhöht die Patientensicherheit, eine bessere Bezahlung und auch Karrieremöglichkeiten in allen Bereichen der Pflege. Dies alles ist uns allen lange bekannt, wir müssen nun endlich konkrete Schritte einleiten. Und meine Damen und Herren, mit der Einführung unseres Vorschlages einer Bürgerversicherung erhöht sich die Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung und macht damit dies alles bezahlbar.

Bei den aktuellen Zahlen der Auszubildenden in der Pflege in Sachsen-Anhalt besteht dringender Handlungsbedarf.

Deshalb fordern wir eine Ausbildungskampagne ein, um die Ausbildungszahlen in der Pflege deutlich zu erhöhen. Dazu sind konkrete Schritte zeitnah einzuleiten.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sollte zum Beispiel die Schaffung einer Ausbildungsumlage sein. Die Einrichtungen, die nicht ausbilden, an den Kosten der Ausbildung beteiligen – dies ist gerecht, denn die dann Ausgebildeten werden von ihnen auch gern eingestellt und wir könnten mit der Ausbildungsumlage auch die Qualität der Ausbildung verbessern.Dies macht unter Umständen auch die Schulgelddiskussionen überflüssig.

Sie sehen, auch auf Landesebene gibt es eine ganze Menge zu tun, die Zeit drängt, stimmen sie unserem Antrag zu.