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Dagmar Zoschke zu TOP 3: Für eine bedarfsgerechte und nachhaltige Verbesserung der Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser

Anrede!

Ja, bereits mehrmals hat sich der Landtag mit der Arbeitssituation von Pflegerinnen und Pflegern in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen, bei niedergelassenen Ärzten oder auch im fahrenden Gewerbe beschäftigt.

Wir haben die Erwartung, dass sie uns in der Auseinandersetzung mit unserem Antrag nicht nur mitteilen werden, dass die Bundesregierung auf dem richtigen Weg sei und wir die von uns beantragte und durch das Plenum beschlossene Enquetekommission, deren Aufgabenstellung wir ja zugestimmt haben, schon ernst nehmen müssen.

Stimmt alles, und stimmt auch wieder nicht. Uns reicht der aktuelle Stand eben nicht aus.

Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, hat Reformpläne auf dem Weg gebracht, die der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) und Verordnung zu den Personaluntergrenzen bekannt geworden sind.

Die Zielsetzung beider Pläne ist gleich: Die Versorgung mit ausreichend Pflegepersonal und damit eine gute Pflege zu sichern; die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sollen verbessert und so eine bessere Versorgung von Patientinnen und Patienten garantiert werden.

Diese Pläne, wenn man sie dann genauer betrachtet und einige begleitende Zitate des Bundesgesundheitsministers, die einen enormen Interpretationsspielraum eröffnet haben, treiben Pflegerinnen und Pfleger in unserem Land, aber auch uns, um und dies mit wachsendem Unmut.

In Dokumenten, die das Bundesgesundheitsministerium der Öffentlichkeit vorenthält, vertritt es die Rechtsauffassung, und hier zitiere ich: „dass die geplanten Pflegepersonaluntergrenzen nur eine Minimalbesetzung verlangen sollen, die lediglich ausreicht, eine patientengefährdende Pflege zu verhindern.“ (Zitatende) Dies muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Wenn dies der angestrebte Maßstab für die Personalbemessung ist, ist dies ein Skandal! Und der gehört öffentlich ausdiskutiert!

Folgt man nun dieser beschriebenen Herangehensweise, so ist es auch nicht anders zu verstehen, dass die Untergrenzen in den relevanten Bereichen (Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie) lediglich dadurch ermittelt werden sollen, dass die 25 Prozent, der am schlechtesten in der Personalbesetzung abschneidenden Krankenhäuser quasi diese Untergrenze definieren. Unter diese Marke soll dann kein anderes Krankenhaus mehr fallen.

Damit wird deutlich, mitnichten ist der tatsächlich anfallende pflegerische Bedarf die Marge für die Personalbesetzung, sondern die bestehende Personalsituation an 25 % der Häuser!

Wenn wir uns dazu dann noch mal dem europäischen Vergleich stellen, müssen wir für die Relation Patienten zu Pflegekraft feststellen, dass in Deutschland von einer Pflegekraft 13 Patienten betreut werden müssen, in Polen 10,5 Patienten; in Griechenland 10,2 Patienten; in den Niederlanden 7 und in Norwegen kommen auf eine Pflegekraft 5,4 Patienten. Da müssen wir doch hin!

Bleibt es bei dieser Berechnungsgrundlage, wird damit lediglich ein neuer Anreiz zum Stellenabbau für die bis dahin besser mit Pflegepersonal besetzten Häuser geschaffen.

Das kann doch nicht im Interesse des Erfinders sein!

Bestärkt werden wir, wird dieser Antrag durch die aktuellen Ergebnisse der Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung.

Sie tritt den Nachweis an, dass gegenwärtig mehr als 100.000 Pflegekräfte, also mehr als 100.000 Vollzeitäquivalente in unseren Krankenhäusern fehlen. Und dies nur in den Krankenhäusern!

Mehr als zwei Jahrzehnte fand die Kostendämpfung in unseren Krankenhäusern bei der pflegerischen Ausstattung in den Kliniken statt. Es ist nachgewiesen, dass die Zahl der behandelten Fälle im Krankenhaus seit Anfang der 90er Jahre um mehr als 20 % gestiegen ist und bis heute vermehrt Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Pflegebedarf ins Krankenhaus kommen. Demgegenüber wurden in den Jahren 2002 bis 2007 rund 33.000 Arbeitsplätze in der Pflege gestrichen. Nicht zuletzt ist dafür u.a. die Einführung des DRG-Systems mitverantwortlich.

Selbstverständlich findet der aufmerksame Betrachter auch durchaus vorwärtsweisende Details im Pflegepersonalstärkungsgesetz. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Tariferhöhungen endlich voll refinanziert und die Pflegekosten aus den Fallpauschalen in eigene Budgets überführt werden sollen.

So ist für die Ermittlung des Pflegebudgets ein System vorgesehen, das ohne größere Rechtsänderungen bundesweit auf ein System einheitlicher Pflegepauschalen umgestellt werden kann. Dabei sind bundesweit einheitliche Bewertungsrelationen für die Pflegepersonalkosten vorgesehen und ab 2020 soll dann ein krankenhausindividueller Pflegeentgeltwert ermittelt werden. Dieser ist dann Grundlage für die Pflegepersonalkostenvergütung.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob die so ermittelten Pauschalen den tatsächlichen Bedarf abbilden und auch gegenfinanzieren, folgt doch dieser Ansatz dem geltenden und von Anbeginn an in Kritik stehendem System der DRG- Fallpauschalen.

Darüber hinaus bleibt offen, mit welchem Instrumentarium der tatsächlich notwendige Pflegebedarf ermittelt wird.

So ist bisher an keiner Stelle von der durch die Praxis erprobte Pflegepersonalberechnung die Rede, die bis in die 90er Jahre hinein allen Krankenhäusern die Ermittlung des notwendigen Pflegepersonalbedarfes nach einheitlichen Kriterien und nach einem einheitlichen Maßstab stationsbezogen, ermöglichte.

Sie ist wohl heute noch Bestandteil des Krankenhausinformationssystems und könnte damit schnell und unbürokratisch wieder für diesen Zweck genutzt werden. Darüber hinaus werden die Dienstpläne in der Zwischenzeit auch zunehmend elektronisch erstellt und sind ebenfalls Bestandteil des Krankenhausinformationssystems. Beides miteinander verbunden, ließe es zu, ohne großen Mehraufwand als Grundlage für die Personalbesetzung und die Ermittlung des notwendigen Personalbedarfs tages- und schichtaktuell und stationsbezogen, genutzt zu werden.

Die durch die Hans-Böckler-Stiftung vorgenommene Bewertung der Gesetzesvorhaben macht deutlich, dass wir so weder eine bedarfsgerechte und ausreichende Personalbesetzung noch eine gute Pflege zu erwarten haben.

Und dies steht ja wohl im krassen Gegensatz zu den Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers und zum Koalitionsvertrag der, die Bundesregierung tragenden Fraktionen.

Anrede!

Es gibt tatsächlich eine Berufsgruppe, die genau weiß, welche Veränderungen notwendig wären, um gute Arbeitsbedingungen in der Pflege zu erreichen und damit eine erhöhte Patientensicherheit zu gewährleisten. Das sind die Pflegekräfte selbst. Aber keiner ist bis jetzt auf den Gedanken gekommen, sie zu fragen, sie in die Überlegungen einzubeziehen und gemeinsam mit ihnen neue Wege zu beschreiten.

Dabei muss es doch in unser aller Interesse liegen, die notwendige, bedarfsgerechte Personalbesetzung auf allen Stationen und über den gesamten, nötigen Zeitraum der Betreuung im Krankenhaus sicherzustellen.

Unserer Meinung nach, ist der Pflegebedarf zukünftig zwingend zuallererst aus der konkreten Feststellung des individuellen Pflegebedarfs von Patientinnen und Patienten zu ermitteln.

Hierbei kann auf die „Verbindliche Personalbedarfsermittlung und die Verpflichtung zur bedarfsgerechten Personalbesetzung“, die Bestandteil des Gesundheitsstrukturgesetzes von 1992 war und die ich bereits kurz beschrieben habe, zurückgegriffen werden.

Eine weitere Variante, auf die der Gesetzgeber zugreifen könnte, wäre es, die Personaluntergrenzen auf der Grundlage des individuellen Pflegebedarfs festzustellen, sie mit dem Verfahren der Ermittlung des Pflege- und Personalbedarfes zu kombinieren und so für alle Arten von Stationen und alle Schichtsysteme Personaluntergrenzen zu ermitteln und festzulegen.

Für alle Varianten, die genutzt werden sollten, gilt jedoch: sie müssen höchsten Anforderungen der Transparenz gerecht werden und alle anfallenden Personalkosten müssen tatsächlich ohne Wenn und Aber vollständig refinanziert werden.

Egal, für welche Variante sich letztendlich der Gesetzgeber entscheidet, es muss eine andere als die Beabsichtige werden. In diesem neuen Verfahren ist es wichtig, zum einen die Beteiligung von Pflegerinnen und Pfleger innerhalb der notwendigen Prozesse zu gewährleisten und es müssen ernsthaft, nachvollziehbar, glaubwürdig und realistisch Schritte unternommen werden, die die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegerinnen und Pfleger zum Ziel haben. Nur so kann die Garantie für mehr Patientensicherheit auf allen Stationen, den ganzen Tag, 365 Tage im Jahr erfüllt werden.

Und, ja die Ermittlung der Personalbemessung ist wichtig, keine Frage, aber sie ist nicht Ursache für den bestehenden Personalmangel.

Der Pflegeberuf muss attraktiver werden. Politik muss Entscheidungen treffen für eine bessere Ausbildung. Mit einer verbesserten Ausbildung sind Pflegerinnen und Pfleger auch bereit mehr Verantwortung an ihrem Arbeitsplatz zu übernehmen. Pflegerinnen und Pfleger wünschen sich unabhängig vom Einsatzort, mehr Zeit für die Aufgaben an Patientinnen und Patienten zu haben. Studien weisen nach, dass ein mehr an Pflegepersonal die Sterblichkeitsrate senkt.

Und meine Damen und Herren, auch mehr Lohn für alle Pflegekräfte gehört zu den Fragen der Attraktivität des Berufsstandes. Dies wäre ein Spiegel für eine andere, bessere Achtung des Pflegeberufes durch die Gesellschaft.

Durch die Vielzahl von unterschiedlichen Maßnahmen wird es möglich, die Attraktivität der Pflegeberufe ernsthaft zu steigern, die aktuell angespannte Situation in der Ausbildung und Beschäftigung von Pflegekräften positiv zu gestalten, Pflegekräfte länger gesund im Beruf zu halten, über die Rückkehr in den Beruf neu zu verhandeln und den Pflegeauftrag in hoher Qualität zu erfüllen. Dem muss sich der Bundesgesetzgeber stellen.

Ändern sich so die Rahmenbedingungen, wird auch die gestaltende Arbeit in einer Enquetekommission zielführender und einfacher.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit!