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Bundesregierung reißt Frist zur Evaluierung des Strukturwandels in den Kohlerevieren – LINKE Abgeordnete aus den Revieren veröffentlichen Positionspapier

Zum 30. Juni 2023 ist es gesetzlich vorgeschrieben, den Strukturwandel in den Kohlerevieren mit Fokus auf Wertschöpfung, Arbeitsmarktsituation und das kommunale Steueraufkommen zu evaluieren (Investitionsgesetz Kohleregionen, § 26). Die Federführung liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Aus diesem Anlass präsentieren die Fraktionen der LINKEN in den Kohlerevieren pünktlich zum Stichtag ein gemeinsames Positionspapier. Darin fordern sie mehr Bürgerbeteiligung, schärfere Förderkulissen zugunsten nachhaltiger und tarifgebundener Industriearbeits- und -ausbildungsplätze sowie eine dezentrale Energieerzeugung mit Stärkung der kommunalen Familie:

Bereits zum 15. August 2022 hatte die Bundesregierung eine Evaluierungsfrist verstreichen lassen. In § 54 fordert das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz eine Zwischenbilanz zu den Konsequenzen des Kohleausstiegs für die Versorgungssicherheit, die Zahl und installierte Leistung der von Kohle auf Gas umgerüsteten Anlagen, die Wärmeversorgung sowie die Strompreise.

 

Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament, erklärt:

„Es markiert ein wirtschafts- und sozialpolitisches Versagen der Bundesregierung, dass sie erneut die gesetzlichen Fristen reißt und es offenbar nicht für nötig hält, die Öffentlichkeit rechtzeitig über den Stand und die Auswirkungen des Strukturwandels im Hinblick auf die Kommunen, die Wirtschaft und die Arbeitsplätze zu informieren. Die Verunsicherung wächst und die extreme Rechte kocht darauf ihre braune Suppe. Umso dringender ist es, dass der nötige Umbau in den Braunkohlerevieren sozial gerecht gelingt und die Menschen dabei mitbestimmen können – schließlich geht es um ihre Arbeit und ihre Zukunft. Ein gelingender Strukturwandel wäre auch ein starkes Mitteln zur Sicherung unserer Demokratie. Daher ist die Politik hier in der Verantwortung: Da sozialer Zusammenhalt und Klimaschutz für die ganze Gesellschaft wichtig sind, muss der Umbau auch öffentlich organisiert werden – und jetzt politische Priorität haben.“

 

Kerstin Eisenreich, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt für Strukturwandel, Agrar-, Energie-, Verbraucherschutzpolitik und ländliche Räume, sagt:

„Der Start in die Umsetzung der Gesetze zum Strukturwandel in Sachsen-Anhalt wurde ziemlich verstolpert. Sehr spät wurden auf der Landesebene die Richtlinie erlassen und Entscheidungsstrukturen geschaffen, eine parlamentarische Begleitung fehlt bis heute. Fehlende Beteiligung der betroffenen Beschäftigten und Menschen im Revier vermitteln ihnen das Gefühl, dass erneut Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden, der Strukturwandel als bedrohlich empfunden wird und das Vertrauen in den Erfolg des notwendigen Transformationsprozesses gering ist. Das muss sich aus unserer Sicht dringend ändern, auch weil die Prozesse weder transparent noch nachvollziehbar und damit nicht geeignet sind, diese als Vorbild für andere Transformationsprozesse zu nutzen.

Als Abgeordnete und Kommunalpolitikerin sehe ich in den Menschen und Kommunen das wichtigste Potenzial für den Strukturwandel. Ihre kreativen Ideen für die künftige Arbeits- und Lebenswelt müssen einfließen können. Das gilt insbesondere für die jungen Menschen, die eine Perspektive für ihre Zukunft in der Region brauchen und dabei selbst mit anpacken wollen. Nutzen wir dieses Potenzial!“

 

Antonia Mertsching, Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag für Strukturwandel, Nachhaltigkeit und Umwelt, sagt:

„Der Freistaat Sachsen hat es verpasst, eine erfolgreiche Regionalentwicklung anzustoßen und gemeinsam mit den Ländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg eine länderübergreifende Strategie für das Lausitzer und das Mitteldeutsche Revier zu entwickeln. Stattdessen wurde ein Verfahren zur Verteilung der Strukturwandelmittel auf den Weg gebracht, das intransparent, wenig beteiligungsorientiert und zu wenig auf die Bedürfnisse der kernbetroffenen Gemeinden ausgerichtet ist. Ökologische Ziele spielen leider auch überhaupt keine Rolle. Wir fordern daher einen Neustart im Strukturwandel! Nötig sind eine konkrete Strategie, eine gerechtere Verteilung der Mittel, mehr Beteiligung – vor allem von Kindern und Jugendlichen –, sowie bessere Planungs- und Personalressourcen in den Gemeinden. Sonst wird es nichts mit dem eigenen Anspruch, europäische Modellregion der Transformation zu werden!“

 

Anke Schwarzenberg, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag Brandenburg für Strukturwandel in der Lausitz, ländliche Entwicklung, Regionalplanung und Raumordnung, fügt hinzu:

„Wir müssen Vertrauen in Veränderung schaffen, Fachkräfte sichern und die weichen Standortfaktoren künftig stärker fördern, damit der Strukturwandel in der Brandenburger Lausitz gelingt. Die finanziellen Mittel vom Bund sind eine riesige Chance. Es braucht aber mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung, damit die Menschen in der Lausitz den Strukturwandel selbst gestalten und nicht über ihre Köpfe hinweg erleben. Das schwächt auch rechtsextreme Strukturen und stärkt die Demokratie. Dem Fachkräftemangel setzen wir gute Arbeitsbedingungen, Tarifbindung und Mitbestimmung entgegen. Hieran sollte die Fördermittelvergabe künftig geknüpft werden. Entscheidend sind zudem die weichen Standortfaktoren wie Schulen, Kitas und eine funktionierende Gesundheitsversorgung. Wir können mit den Fördergeldern eine lebenswerte Lausitz für alle Bürgerinnen und Bürger schaffen. Lassen wir sie viel stärker mitreden, mitdiskutieren und mitentscheiden.“

 

Hans Decruppe, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft, fügt hinzu:

„Als langjähriger Lokalpolitiker muss ich zum Stand des Strukturwandelprozesses im Rheinischen Revier feststellen, dass eine transparente und veränderungswirksame Beteiligung der kommunalen Ebene, der Bürgerinnen und Bürger und der Zivilgesellschaft nicht erfahrbar ist. Der Wandel vollzieht sich über den Köpfen der Menschen. Dieser Eindruck wurde inzwischen auch wissenschaftlich bestätigt.

Als Gewerkschafter blicke ich natürlich auf soziale Sicherheit und auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Region. Dass die milliardenschwere Projektförderung gute, d.h. tarifgebundene, mitbestimmte und zukunftsfähige Arbeitsplätze insbesondere im Industriebereich schafft, ist zum jetzigen Stichtag spekulativ. Zu widersprüchlich und völlig unkonkret sind die Aussagen der grünen Wirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen. Und selbst der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen ist viel zu lahm. Dabei benötigt die Region mit ihren energieintensiven Branchen – wie Chemie und Aluminium – Energieversorgungssicherheit. Von einer ‚Europäischen Modellregion für Energieversorgungs- und Ressourcensicherheit‘, wie es im Gesetz heißt, ist das Rheinische Revier jedenfalls meilenweit entfernt.“

 

Andreas Schubert, Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag für Wirtschaft, erklärt abschließend:

„Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ist eine Verpflichtung aus dem Grundgesetz und begründet somit die Notwendigkeit, den Strukturwandels in den Braunkohlerevieren mit dem Investitionsgesetz Kohleregionen aktiv politisch zu begleiten. Die Fehler aus der Nachwendezeit mit tiefgreifenden Strukturbrüchen infolge der Deindustrialisierung ganzer Landstriche in Ostdeutschland haben jahrzehntelang abgehängte Regionen wie Ostthüringen hinterlassen. Das darf sich nicht wiederholen. Infrastruktur, zum Beispiel eine gute Bahnanbindung, spielt eine Schlüsselrolle für die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten mit zukunftssicheren Industriearbeitsplätzen auch für das Altenburger Land, das Teil des mitteldeutschen Reviers ist. Deshalb ist die durchgehende Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Schienenverbindung ein Schwerpunktprojekt für Thüringen. In Verbindung mit der Elektrifizierung der Strecke zwischen Zeitz und Gera kann die Anbindung des gesamten Ostthüringer Raums auch an den Fernverkehr verbessert werden.“

 

Im Anhang finden Sie das Positionspapier "Den Wandel gemeinsam gestalten".

 

Magdeburg, 2. Juli 2023