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Andreas Höppner zu TOP 6a: Aktuelle Debatte "Betriebliche Mitbestimmung stärken - Betriebsverfassungsrecht fortentwickeln"

Anrede,

Vorab erst einmal: Es reicht nicht aus, nur immer und immer wieder über mehr Betriebsräte, mehr betrieblicher Mitbestimmung und über mehr Förderung und dem Schutz von Betriebsräten zu reden. Es ist schon lange Zeit, dass hier endlich seitens der Politik gehandelt wird, dass man endlich mal die Mitbestimmung im BetrVG stärkt und auch erweitert, dass man letztendlich das Betriebsverfassungsgesetz auch hier in Sachsen-Anhalt in allen Unternehmen wirklich zum Leben erweckt.

Dass laut DGB Angaben nur rund 14% der Betriebe mit mehr als 5 Beschäftigten im Land einen Betriebsrat haben, ist mehr als beschämend für Sachsen-Anhalt. Das muss sich endlich ändern, damit Gute Arbeit überall sicher, tariflich bezahlt und mitbestimmt ist.

Ja, und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Gerade von Ihnen hätte ich da mehr erwartet als nur eine aktuelle Debatte. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie sich der Sache stellen und die Chance Ihrer Regierungsmitverantwortung nutzen und endlich mal wirklich Nägel mit Köpfen machen. Das erwarte ich im Übrigen von allen hier.

Es reicht nämlich schon lange nicht mehr aus nur vor Gewerkschaftern und Betriebsräten darüber zu debattieren, wie schlimm das doch alles ist. Nein, jetzt muss man die Dinge endlich festmachen. Deshalb haben wir auch einen Antrag eingebracht, dem Sie sich sicher anschließen können. Denn die dort aufgeschriebenen Dinge vertreten Sie, soweit ich das immer von Ihnen vor Beschäftigten, Gewerkschaftern und Betriebsräten gehört habe, ja auch.

Es wird endlich Zeit, die Lücken im BetrVG zu schließen und Betriebsräte, vor allem angehende Betriebsräte besser zu schützen und ihnen mehr Mitbestimmung z.B. auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten zukommen zu lassen. Damit sie z.B. Einfluss nehmen können, wenn Konzern- bzw. Unternehmensstandorte hier in Sachsen-Anhalt einfach so geschlossen werden sollen, obwohl sie eigentlich rentabel sind oder eine Zukunft hätten.

Politik ist nun mal mitverantwortlich, dass Demokratie nicht vor dem Werkstor endet und muss auch stärker innerhalb ihrer Möglichkeiten für mehr Betriebsräte werben und deren Ziele, Aufgaben und Wirken mehr herausstellen.

Meine Damen und Herren, wer sich für mehr Demokratie im Betrieb einsetzt, lebt leider in vielen Fällen sehr gefährlich. Betriebsräte oder Wahlvorstände werden häufig gezielt von Arbeitgebern eingeschüchtert, systematisch kaltgestellt oder mit fadenscheinigen Begründungen gleich ganz gekündigt.

Wie dreist Arbeitgeber und zwielichtige Anwaltskanzleien dabei vorgehen, darüber wurden schon ganze Bücher geschrieben bzw. viele Untersuchungen gemacht. Da können Sie auch viele Fälle aus Sachsen-Anhalt nachlesen und einige davon wurden in der Vergangenheit auch hier im Landtag thematisiert.

Wir hier haben die Aufgabe, Betriebsräte vor aggressiven Arbeitgebern und deren Handlangern zu schützen. Anwälte wie Helmut Naujoks oder Schreiner & Partner, letztere habe ich übrigens selbst und leibhaftig während meine Betriebsratszeit erleben dürfen, haben es schon in mehreren Fällen versucht und leider auch geschafft, Betriebsräte und den Menschen hinter dem Mandat systematisch kaputtzumachen. Hier müssen wir handeln. Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften und personell gut ausgestattete Arbeitsgerichte. Betriebsratsfeindliche Maßnahmen sind verboten. Undemokratische Arbeitgeber müssen härter und schneller bestraft werden. Beschäftigte müssen schneller zu ihrem Recht kommen und nicht ewig auf einen Termin beim Arbeitsgericht warten.

Die Beschäftigten und Betriebsräte erwarten, dass wir als Politiker an diesem Punkt auch handeln und nicht nur zuschauen. Betriebsräte sorgen für die Umsetzung der Gesetze, die wir hier auf den Weg bringen. Die Pflicht des Gesetzgebers ist es dann aber umgekehrt auch, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Betriebsräte stimmen und sie ihre Arbeit ohne Schikanen erledigen können. Und wenn das funktioniert, wenn Betriebsräte ordentlich arbeiten können, geht’s auch dem Unternehmen gut.

Denn, das muss man an der Stelle auch mal klar herausstellen, Betriebsräte haben ein ureigenes Interesse daran, dass ihr Betrieb bzw. Unternehmen rund läuft und erfolgreich ist. Sie kennen ihren Laden am Besten und wissen ganz genau was gut oder auch schlecht für das Unternehmen ist.

Ein langjähriger und erfahrener Betriebsrat beschrieb das einmal so: „Als Betriebsrat tue ich doch alles dafür, dass es der Kuh, die ich melken will, gut geht und führe sie nicht zur Schlachtbank. Aber ich muss die Milch natürlich gerecht verteilen. Das ist meine Aufgabe.“

Meine Damen und Herren, Betriebsräte haben eine sehr große Verantwortung. Sie sind kraft Gesetzes Partei für die Beschäftigten und dürfen dabei dennoch die Interessen des Betriebes nicht außer Acht lassen. Das ist nicht immer einfach zu verbinden wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Betriebsräte sind nachweislich erfolgreich. Dort, wo es sie gibt, sind die Entgelte höher, die Arbeitsbedingungen besser, die Arbeitsplätze sicherer und die Unternehmen sind wirtschaftlich sogar erfolgreicher. Der DGB wies vor kurzem noch einmal darauf hin, was Studien seit langem belegen:

  • Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat verdienen im Durchschnitt über 10 % mehr als in Betrieben ohne.
  • In Betrieben mit Betriebsrat ist die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen zirka 10 % kleiner.
  • In Betrieben mit Betriebsrat kündigen 25 Prozent weniger Beschäftigte.
  • Auch gibt es in Betrieben mit Betriebsrat deutlich mehr Weiterbildungsmaßnahmen als ohne. Das ist vor allem in Zeiten der Digitalisierung und ständiger Weiterentwicklung sehr wichtig.

Es gibt also viele gute Gründe dafür, erstmals einen Betriebsrat zu gründen oder in einem bereits bestehenden Betriebsrat mitzuarbeiten.

Aber leider ist es immer noch so, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen dem verbrieften Recht auf Mitbestimmung einerseits und der Realität, was den Umgang damit im Betrieb andererseits angeht, gibt. Um das zu unterstreichen, möchte ich Sie auf einige Zahlen aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aufmerksam machen. Mittlerweile wird in Deutschland jede sechste Betriebsratsgründung von Arbeitgebern behindert und unliebsame Beschäftigte werden zum Teil massiv unter Druck gesetzt.

Deshalb nützt der Verweis auf bestehende Gesetze hier wenig, denn wenn sie nicht durchgesetzt werden, sind sie nutzlos. Die Studie dokumentiert, wie Arbeitgeber die Wahl eines Betriebsrats zu be- oder verhindern versuchen:

  • 71 % versuchen, die Kandidatinnen und Kandidaten für das Betriebsratsamt einzuschüchtern.
  • 66 % versuchen, die Bestellung des Wahlvorstandes zu verhindern.
  • 43 % unterstützen arbeitgebernahe Kandidatinnen und Kandidaten.
  • 20 % kündigen bekannt gewordenen Kandidatinnen und Kandidaten.
  • 19 % kaufen Kandidatinnen und Kandidaten heraus
  • und 13 % kündigen bereits den Mitgliedern des Wahlvorstandes.

Es ist also offensichtlich, dass es eine ganze Menge Regelungslücken gibt.

Darüber hinaus regen wir an, dass die Landesregierung Behinderungen von Betriebsratsarbeit und Verhinderung von Betriebsratswahlen hier in Sachen-Anhalt untersucht bzw. untersuchen lässt, damit wir weitere Handlungsoptionen für Sachsen-Anhalt beraten und beschließen können.

Und die Landesregierung kann natürlich auch selbst aktiv werden. Sie könnte die Arbeit von Betriebsräten beispielsweise durch einen in regelmäßigen Abständen stattfindenden Betriebsrätetag wertschätzen, in der Öffentlichkeit bekannt machen und damit auch Betriebsräte besser vernetzen.

Letztendlich und damit wir hier mal wirklich Nägel mit Köpfen machen, beantrage ich die direkte Abstimmung unseres Antrages. Das Thema ist einfach zu wichtig, um es in Ausschüssen zu zerreden oder es mit goldenen Lettern zu beerdigen.