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Andreas Höppner zu TOP 3: Insolvenzrecht vereinfachen - zweite Chance ermöglichen

Anrede,

In Deutschland ist finanzielles Scheitern immer noch eine Art Todsünde. Wenn bei uns jemand finanziell fällt, wird ihm das sehr lange übelgenommen. Das Thema Insolvenz ist also nach wie vor in hohem Maße mit Angst besetzt und die Insolvenz ist in Deutschland, trotz aller Reformen noch immer stigmatisiert. Dabei ist ein Insolvenzverfahren nicht nur ein Schreckgespenst, sondern bietet durchaus auch Chancen, wieder finanziell, wirtschaftlich und auch gesundheitlich auf die Beine zu kommen.

Ein kleines Kind darf bei seinen ersten Gehversuchen hinfallen. Wir loben es dann sogar, wenn es wieder aufsteht und von vorne bginnt. Warum denken wir eigentlich nicht auch bei einem erwachsenen Menschen so, der motiviert ein Unternehmen aufgebaut hat und dabei leider aufgrund verschiedenster Gründe, die größtenteils noch nicht einmal von ihm beeinflussbar waren bzw. in seiner Verantwortung lagen, auf die Nase gefallen ist? Im Gegenteil – der Unternehmer, der es beim ersten Versuch nicht geschafft hat, gilt bei uns als eine Art Versager. Gleiches gilt für Bürgerinnen und Bürger, die z.B. schuldlos durch Krankheit, Arbeitslosigkeit oder aber auch z.B. durch Hochwasserschäden und andere Ereignisse, die sie nicht verschuldet haben, alles verloren haben und so in die Schuldenfalle gerieten. Auch sie laufen lange mit dem Stigma eines Pleitemenschen rum.

Eine Folge davon ist, dass viele Schuldner oft keine Kraft mehr finden, wieder aufzustehen, Lehren aus dieser Situation zu ziehen und von vorne anzufangen. Leider beziehen sie von überall nur irgendwelche Prügel und sind mürbe vom ewigen Kampf mit den Banken und Gläubigern, denen sie stets Zahlungen versprechen müssen, die sie dann doch nicht einhalten können.

Mit ihrem kompletten Rückzug ziehen sie sich auch aus der Wirtschaft insgesamt zurück. Sie ziehen sich aus dem Binnenmarkt zurück und was noch fataler ist, sie ziehen sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück und das können wir mit Sicherheit nicht wollen. Das schadet letztendlich uns allen. Deshalb, meine Damen und Herren, darf Scheitern auch und gerade bei uns nicht weiter eine dauerhafte Schande sein. Jede und jeder hat eine zweite Chance verdient, ohne darauf bis zu acht Jahre und mehr warten zu müssen.

Nach Untersuchungen der Auskunftei Creditreform sind in Deutschland knapp 7 Mio. Menschen überschuldet und nicht in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Auch in Sachsen-Anhalt sind viele Menschen überschuldet oder stehen vor der Überschuldung also Zahlungsunfähigkeit. Das zeigt der Schuldneratlas 2016 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.

Demnach waren Anfang Oktober 246.000 Menschen nicht mehr in der Lage, ihre Schulden zu begleichen. Im Vorjahreszeitraum waren es 245.000. Die Schuldnerquote liegt bei knapp 13 Prozent – das ist die dritthöchste verglichen mit den anderen Bundesländern.

Die häufigsten Schuldenfallen sind dem Bericht zufolge Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Tod eines Partners, eine gescheiterte Selbstständigkeit oder lang anhaltende Krankheiten.

Alarmierend sind vor allem auch die Zuwächse bei den Älteren z.B. bei den über 70jährigen. Hier stieg die Quote der Überschuldeten um ein Drittel.

Während die Jüngeren von einer günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt profitierten und sich somit auch aktuell insgesamt weniger junge Menschen verschulden, rutschen Ältere immer öfter wegen geringer Renten in Altersarmut ab und können sich weniger von ihren Schulden befreien. Bei Bundesbürgern über 70 Jahre liegt die mittlere Schuldenhöhe mit 50 480 Euro deutlich über dem Durchschnitt. Dieser Zustand beschreibt letztendlich auch, dass Armut im Alter bei uns bereits absolute Realität ist und sich diese Situation mit abnehmendem Rentenniveau sicherlich noch verstärken wird.

Aber auch kleinere Unternehmen geraten häufig in finanzielle Schieflage. Zur Überschuldung führen oft unternehmerisches Wagnis und wirtschaftliches Engagement, also genau die Triebkräfte, die unsere Wirtschaft hier in Sachsen-Anhalt und deutschlandweit eigentlich dringend benötigt.

Das wirtschaftliche Potential muss also im Interesse aller möglichst schnell wieder aktiviert werden.

Nach der bisherigen Rechtslage können Selbstständige und Verbraucher, die Insolvenz anmelden, nach einer Wohlverhaltensphase von sechs Jahren von ihren restlichen Schulden befreit werden, so dass sie dann ungehindert wieder eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen können. In dieser Wohlverhaltensphase müssen sie eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben und ihre pfändbaren Bezüge sowie z.B. eventuelle Erbschaften und ähnliche Einnahmen an die Gläubiger abtreten.

Im europäischen Vergleich sind diese sechs Jahre allerdings ein recht langer Zeitraum. Nach britischem Insolvenzrecht ist man z.B. nach einem Jahr wieder raus.

Auch die USA sind uns da einen Schritt voraus, wo bereits seit Langem die Insolvenzgesetze auf die Sanierung und den dauerhaften Bestand des Unternehmens am Markt ausgelegt sind. Für einen Unternehmensinhaber in den USA ist die Insolvenz auf Dauer kein „Makel“: Vielmehr wird gerade ihm die Führung eines Betriebes zugetraut, denn es wird von einem großen Erfahrungsschatz und positiven Lerneffekt durch die Insolvenz ausgegangen.

Seit 2014 können bei uns Schuldner bei entsprechendem „Wohlverhalten“ unter Umständen auch schon nach der Hälfte der Zeit von seinen restlichen Schulden befreit werden. Voraussetzung ist, der Schuldner muss innerhalb der ersten drei Jahre mindestens 35 Prozent seiner Schulden beglichen und die Kosten des Insolvenzverfahrens bezahlt haben. Begleicht der Schuldner nur die Verfahrenskosten, erfolgt immerhin noch eine Verkürzung auf fünf Jahre. Ansonsten bleibt es beim sechsjährigen Restschuldbefreiungsverfahren. Die Bestimmungen gelten übrigens für alle "natürlichen Personen" und machen keinen Unterschied zwischen Selbstständigen und Verbraucherinnen. Leider fehlt hier die Beachtung, dass nach Abschluss des Verfahrens es noch eine 3jährige Sperre bei der Schufa gibt! Da die Schufa die entsprechenden Einträge erst zum Jahresende löscht, kann die Sperre je nach Verfahrensende bis fast vier Jahre ausmachen!

Gerade aber z.B. Insolvenzverwalter sehen in der 35 % Regel eine sehr hohe Hürde, die Schuldner nach den bisherigen Erfahrungen nur in Ausnahmefällen erfüllen können. Der Anteil der Verfahren, bei denen eine Quote von mehr als 35 Prozent erreicht wurde, liegt nach Aussage einiger Insolvenzverwalter bei weniger als einem Prozent. Das Ziel der Neuerungen, es Privatpersonen zu ermöglichen, ihren Schuldenberg schneller abzutragen, dürfte somit kaum zu erreichen sein.

Meine Damen und Herren, letztlich kommt eine kürzere Restschuldbefreiung der Volkswirtschaft und damit auch den Gläubigern zu Gute. Er geht darum Neugründungen zu fördern und verschuldeten Verbrauchern einen möglichst schnellen Wiedereinstieg in das Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Eine lange Wohlverhaltensperiode wirkt sich nicht positiv auf die Wirtschaftskraft aus. Untersuchungen zufolge liegt die durchschnittliche Überschuldungsdauer – gerechnet vom Auslöser der Überschuldung bis zur Löschung des SCHUFA-Eintrags – bei durchschnittlich bis zu 14 Jahren. Dass diese lange Zeit fast zwangsläufig zum Motivationsverlust beim Schuldner führt, muss nicht näher erklärt werden. Für manchen Schuldner sind die sechs Jahre der derzeitigen Wohlverhaltensperiode ein kaum zu überblickender Zeitraum. Während der langen Dauer des Wohlverhaltens besteht die akute Gefahr, dass Schuldner ihre Erwerbstätigkeit in die Schattenwirtschaft auslagern und ihre Einkünfte rechtswidrig und schwer kontrollierbar dem Zugriff der Gläubiger entziehen.

Aber natürlich dürfen auf keinen Fall einer Mentalität Vorschub geleistet werden, die den eigenen Konsum auf Kredit oder ähnliches finanziert. Die Verkürzung der Restschuldbefreiungsdauer darf deshalb nicht „zum Nulltarif“ zu haben sein. Eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode bis zur endgültigen Restschuldbefreiung kann man daher auch von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, z.B. davon, ob die Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz vielleicht daher rührt, weil der Hauptauftraggeber selber zahlungsunfähig geworden ist und viele Sub- und/oder Kleinunternehmer mit in den Strudel gerissen hat.

Obwohl viele die Situation nicht direkt mit beeinflussen konnten und sie auch ansonsten eigentlich keinerlei Mitschuld trifft, werden sie zumeist ebenfalls in die Insolvenz getrieben. Ich finde, hier muss für die Betroffenen eine frühere Insolvenzbeendigung möglich sein. Das Gleiche sollte aber auch für diejenigen gelten, die z.B. durch Krankheit und/oder Arbeitslosigkeit in den Ruin getrieben wurden. Auch hier muss eine frühere Restschuldbefreiung möglich gemacht werden, damit ein Neustart beginnen und erfolgreich sein kann. Ich danke ihnen.