Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Andreas Höppner zu TOP 20: Sonn- und Feiertagsarbeit darf nicht Normalität werden

„Am Samstag gehört der Vati mir!“ Wahrscheinlich erinnern sich nur noch die Älteren   an diesen Slogan. In den fünfziger Jahren gab es für Arbeitnehmer keinen freien Samstag. Arbeiter, Angestellte und Beamte arbeiteten sechs Tage in der Woche täglich acht Stunden und mehr. Mit dem Slogan kämpften sie ab dato für Arbeitszeitverkürzung. Für eine bessere Verteilung der Arbeitszeit, letztendlich für humanere Arbeitszeiten und freie Wochenenden.

Jetzt, mehr als 60 Jahre danach, haben die Beschäftigten wieder ein anderes großes Problem auf den Tisch. Das Problem, dass es mittlerweile leider in vielen Branchen Normalität geworden ist, an Sonn- und Feiertagen arbeiten zu müssen, obwohl eigentlich auch das Grundgesetz den Sonn- und Feiertagsschutz garantiert.
Damals ging es um den freien Samstag und die 5-Tage-Woche. Heute sind wir auf den Weg in die Rund-um-die-Uhr-Arbeit einer 7-Tage-Woche. Der Samstag ist nahezu zum Regelarbeitstag geworden und scheinbar sind jetzt auch die Sonn- und Feiertage dran, ihrerseits Regelarbeitstage zu werden.

Jetzt werden sicher einige gleich rufen, das stimmt doch nicht. Wir haben doch trotzdem die 5-Tage-Woche. Nur dass eben auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird, dafür aber an einem anderen Wochentag frei ist. Es ist doch egal, wann man freimacht!?
Aber das ist es eben nicht. Es hilft gar nichts, wenn zum Beispiel die Kinder am Wochenende zu Hause sind, der Vater jedoch erst Dienstag und die Mutter erst Mittwoch frei haben. Das, meine Damen und Herren, widerspricht dem Grundsatz der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Noch schwieriger ist das Ganze übrigens für Alleinerziehende. Sie benötigen für ihre Kinder, mit denen sie den Sonn- oder Feiertag durch Arbeit gerade nicht genießen können, auch noch eine Betreuungsmöglichkeit, denn Kitas, Schule und Hort haben ja bekanntlich Sonntag zu.

Auch aus Sport und Kultur sowie der freiwilligen Feuerwehr ist zu hören, dass immer weniger Erwachsene ihre Kinder an Wochenenden zu Turnieren, Spielen oder Wettkämpfen fahren können, weil sie arbeiten müssen. Wir brauchen also einen gemeinsamen, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens für einen freien Tag und das kann nun einmal, auch aus geschichtlicher Sicht bzw. auch aus unseren Traditionen heraus, nur der Sonntag sein.

Jede bzw. jeder Vierte muss in Sachsen-Anhalt an Sonn- bzw. Feiertagen arbeiten. Wer sich mit den negativen Auswirkungen bzw. den physischen und psychischen Folgen intensiv befassen will, dem sei auf die medizinischen und psychologischen Datenbanken verwiesen. Die negativen Folgen sind mittlerweile gut untersucht.

Übrigens hat es durchaus auch Gründe, dass in den Branchen, in denen in Schichten sowie sonn- und feiertags gearbeitet wird, Zuschläge gezahlt werden. Neben den langfristig entstehenden psychischen und physischen Schäden gehört zu diesen Gründen nicht umsonst eine erhebliche Einschränkung des Privatlebens bzw. der gesellschaftlichen Teilhabe, die für die Betroffenen nicht folgenlos bleibt.

Die negativen Auswirkungen der Sonn- und Feiertagsarbeit werden auch sichtbar in den steigenden Fehl- bzw. Krankentagen durch Burnout. 2004 gab es lediglich 4,6 Krankheitstage je 1000 Beschäftigte durch Burnout. 2012 dagegen waren es schon 87,5 Krankheitstage. Wir reden hier also von einer Steigerung um über 2000 %. Sicher ist die Ursache von Burnout nicht allein die zunehmende Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie gehört aber mit zu den vielfältigen Belastungen von Beschäftigten innerhalb der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben.

Natürlich gibt es Sonn- und Feiertagsarbeit, die wichtig ist. Etwa in den Krankenhäusern, bei den Pflegediensten, bei der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungskräften. Doch wir sollten genau prüfen: Welche Sonn- und Feiertagsarbeit ist gesellschaftlich wirklich notwendig und welche nicht? Bei Ausnahmegenehmigungen und Regelungen müssen somit auch entsprechend hohe Maßstäbe angelegt werden. Der wirtschaftliche Nutzen der Unternehmen muss somit intensiver mit den vielen Nachteilen der Beschäftigten abgewogen werden. Bei dieser Entscheidungsfindung ist es uns wichtig, dass die Sozialpartner und Interessenvertreter, also diejenigen, die die Branche, das wirtschaftliche Umfeld, das Unternehmen genau kennen, mit in die Entscheidungsfindung zur Sonn- und Feiertagsarbeit einbezogen werden. Das heißt also, die jeweils zuständige Gewerkschaft und auch die IHK'en oder HWK'en bzw. die Arbeitgeberverbände sollen vor einer Genehmigungsentscheidung zur Sonn- und Feiertagsarbeit ihre Stellungnahme abgeben können. Ihr Votum soll mit in die Entscheidungsfindung der zuständigen Aufsichtsbehörde einfließen.

Gewerkschaften, Kirchen, Familienverbände und Nichtregierungsorganisationen haben sich übrigens letztes Jahr, nun auch hier in Sachsen-Anhalt, in der landesweiten Initiative „Allianz für den freien Sonntag“ zusammengetan. Sie ist auf Bundesebene sowie anderen Bundesländern bereits stark verankert und aktiv. Sie verstehen sich als politisch unparteilicher Zusammenschluss im Engagement für den arbeitsfreien Sonntag. Ich bin nicht nur überzeugt, dass der freie Sonntag eine so breite Allianz verdient hat, ich bin auch davon überzeugt, dass es nur gemeinsam gelingen kann, den Sonntag als freien Tag
 zu retten bzw. zurückzugewinnen.

Doch gemeinsam ist allen Sonn- und Feiertagsschützern, dass wir in unserer Gesellschaft gemeinsame Ruhetage benötigen, dass der Sonntag und die Feiertage etwas Besonderes sind, dass  Menschen keine Maschinen sind und so auch nicht behandelt werden dürfen.
Menschen müssen einfach vorgehen.