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Andreas Höppner zu TOP 1: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff zum Thema "Zukunft entsteht heute - wie wir die Herausforderungen des Strukturwandels meistern

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn das Wort Strukturwandel fällt, erschrecken mittlerweile viele Menschen im Land und besonders die Beschäftigten in der Region, wo dieser sogenannte Strukturwandel stattfinden soll und ja auch zum Teil stattfinden muss. Gerade wir hier im Osten, in Sachsen-Anhalt, haben nach der Wende die allerschlechtesten Erfahrungen damit gemacht. Ganze Landstriche wurden deindustrialisiert und von der Treuhand wurden ganze Wirtschaftszweige platt gemacht bzw. für einen Euro billig an die Konkurrenz verhökert, um danach geschlossen zu werden. Es herrschten Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Die versprochenen blühenden Landschaften sind seitdem übrigens immer noch nicht bei allen und nicht überall angekommen.

Wir haben also unsere Erfahrung auf die sehr harte Tour machen müssen und diese Erfahrungen waren meist nicht positiv besetzt. Jetzt heißt es wieder Strukturwandel durch und in der Braunkohle und ich denke wir alle müssen es wesentlich besser machen als damals in den 90ziger Jahren.

Ich hätte mir auch gewünscht, dass man sich bereits damals genauso einen Kopf um den Strukturwandel gemacht hätte wie heute. Aber das ist Vergangenheit und ich habe die Hoffnung, dass hier dazugelernt wurde!

Wobei ich an dieser Stelle aber leider auch feststellen muss, dass wir es im Osten bereits mit mehreren Strukturänderungen in jüngster Vergangenheit zu tun hatten und die Landesregierung dabei nur zugeschaut hat.

Sie haben nur zugeschaut bei den Entlassungen und Firmenschließungen bei Mifa, Enercon, Lieken, Fricopan und vielen vielen anderen. Sie hatten keinen Plan, als das sogenannte Solar Valley in sich zusammenbrach und mehr als 2.000 Arbeitsplätze den Bach runter gingen.

Tausende Sachsen-Anhalter verloren da ihre Jobs und es gab keine Kommission und keine wirkliche Regierungsinitiative, die dem entgegenwirken wollte bzw. relevante Perspektiven für die Betroffenen auf den Weg brachte.

Zum Vergleich: Im mitteldeutschen Revier sind rund 2.500 Menschen in der Braunkohle beschäftigt.

Meine Damen und Herren,

Sachsen-Anhalt ist Spiegel der Probleme, die sich mittlerweile im ganzen Osten abzeichnen. Dazu gehören die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich, starker Bevölkerungsrückgang verbunden mit einer ständig älter werdenden Bevölkerung und der Ausdünnung sozialer Infrastruktur. Dazu gehören aber auch die Folgen des Jahrhunderte langen Braunkohleabbaus, die für Menschen und Natur immer deutlicher zutage treten. Von dem Energieexport aus unserem Bundesland haben vor allem hochindustrialisierte Teile Deutschlands profitiert. Deshalb ist auch die Bundespolitik mitverantwortlich, Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Strukturveränderungen zu schaffen.

Angesichts der globalen Erderwärmung ist und bleibt der Ausstieg aus der Braunkohle ein notwendiger Schritt. Es ist längst keine Frage mehr, ob der endgültige Kohleausstieg kommt, sondern nur noch wann und wie. Aber wie sich bei den Protesten der Gewerkschaften und Beschäftigten gegen den Besuch der Kohlekommission und gegen ein sofortiges Verbot des Braunkohleabbaus z.B. in der Lausitz zeigt: Das geht nur sozial.

Gerade die Braunkohle-Regionen im Osten brauchen eine langfristige Perspektive. Deswegen muss über eine Beschäftigungsgarantie nachgedacht werden. Denn ein reines Verbot des Braunkohleabbaus ist ohne Beschäftigungsperspektive für die Region sozial unzumutbar.

Auch hier in Sachsen-Anhalt brauchen wir den Dialog zwischen Gewerkschaften, Unternehmen, Politik und vielen weiteren Akteuren – wenn es darum geht, gemeinsam zu überlegen, wie wir eine Region fit machen für die Zukunft, mit neuen Jobs und Innovationen. Wir müssen dringend dahin kommen, einen Entwicklungsprozess ordentlich und strukturiert anzugehen. An dieser Stelle dann doch ein Wort zur Energiepolitik. Weil nachhaltige Energiepolitik eben nichts ist, was allein von einem Endpunkt her gedacht werden kann – also etwa dem Zeitpunkt, zu dem die letzte Ladung Braunkohle in einen Kraftwerksofen geschüttet wird. Es geht um die Zeit bis dahin - ebenso wie - um die Zeit danach. „Wir wollen die Braunkohle-Verstromung überflüssig machen.“ Wir wissen: Die Energiewende, erst recht so, wie wir sie wollen, bedeutet einen tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel - den wir in unserem Land gestalten müssen, den wir voran treiben müssen! Wir dürfen die Braunkohle nicht nur abschaffen – sondern müssen Alternativen dazu schaffen– und zwar mit guter Arbeit auch bei den erneuerbaren Energien. Das muss unser Ziel sein.

Es braucht neue Perspektiven jenseits der Kohlegruben, Schaufelradbagger und Heizkessel. Was die Beschäftigten und ihre Familien brauchen, ist eine planbare Zukunft ohne Existenzsorgen, keine Angstmache vor dem Strukturwandel zum Erhalt unserer aller Lebensgrundlagen.

Ich finde, es müssen drei Dinge passieren, um den Klimaschutz durchzusetzen: Erstens: Die Energiekonzerne, die jährlich tonnenweise CO 2 in die Umwelt spucken, müssen endlich angemessen besteuert werden. Zweitens: Wir brauchen den Braunkohleausstieg. Braunkohle macht immer noch 22 Prozent des Strommixes aus, ist aber der größte Klimakiller. Drittens: Der Ausstieg muss sozial verträglich sein. Wir brauchen ganz klare staatliche Unterstützung bei der Umwandlung der Arbeitsplätze.

Die Landesregierung, aber auch die Bundesregierung stehen in einer Verantwortung gegenüber den Menschen in der auslaufenden Braunkohlewirtschaft.

Es ist heuchlerisch, sich kurzfristig auf die Seite der Kohlekumpel zu schlagen und sie später fallen zu lassen. Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet Deutschland zum raschen Ausstieg aus der Kohle. Die Kohlekommission der Bundesregierung muss jetzt schnell einen Fahrplan vorlegen. Schon zu lange treibt die Unentschlossenheit der Groko einen Keil in die Bevölkerung.

DIE LINKE fordert ein Kohleausstiegsgesetz, ein Klimaschutzgesetz, eine staatliche Beschäftigungsgarantie und einen Strukturwandelfonds in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr. Ein Ausstieg ohne gravierende Strukturbrüche lässt sich nur erreichen, wenn der Kohlekonsens neben dem Ausstiegsfahrplan auch die Ausgestaltung und soziale Begleitung des Strukturwandels in den betroffenen Regionen zum Inhalt hat. Ein zentrales Instrument hier ist die finanzielle Unterstützung der Regionen durch den Bund. Ziel der LINKEN ist ein geordneter Kohleausstieg, der auf einem gesetzlichen und sozial flankierten Abschaltplan mit Restlaufzeiten für die Kraftwerksblöcke basiert. Darüber hinaus braucht eine Region ein Konzept für einen Strukturwandel, der sozial und ökologisch verträglich ist. Wir wollen also konkrete Perspektiven und Entwicklungschancen für alle.

Der Ausstieg aus der Braunkohle ist plan- und machbar. Er muss aber durch verschiedenste Maßnahmen flankiert werden. Das grundsätzliche Ziel ist, dass in den Revieren eine neue, sich selbst tragende Wertschöpfung entsteht. Dazu sind Investitionen nötig in Infrastruktur, Anlagen, Technologien, Qualifizierung, Bildung, Innovation und Wissen sowie in neue Wertschöpfungsmöglichkeiten. Alle können dazu beitragen, dass betriebsbedingte Kündigungen so weit wie möglich vermieden werden und gleichzeitig eine aktive Arbeitsmarktpolitik entwickelt wird, die den Übergang in andere Berufe ermöglicht bzw. erleichtert. Auch ist es notwendig die Förderlandschaft effektiver aufzustellen. Diese muss sich mehr auf die betroffenen Regionen konzentrieren.

Wir reden hier also über z.B. die Städtebauförderung, über die GRW-Förderung aber auch über die GAK (Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes) bis zur Hochschulförderung.

Eine wichtige Aufgabe ist es dabei, strukturelle Schwächen in der Infrastruktur auszugleichen. Ohne gute Infrastruktur wird es keine gute Entwicklung und kein Wachstum geben. Das betrifft übrigens auch den Digitalausbau. Da hinken wir in Sachsen-Anhalt weit hinterher und das behindert grundsätzlich die wirtschaftliche Entwicklung überall im Land.

Fest steht: Der Kohleausstieg wird kommen und eigentlich ist er bereits in vollem Gange. Bereits heute arbeiten z.B. viel mehr Beschäftigte im Bereich der erneuerbaren Energien als in der Braunkohle. Es braucht also klare Perspektiven und das nicht nur für die jetzige Generation, sondern auch für die nachfolgende Generation. Es reicht nicht aus, hier nur ein paar Jahre zu überbrücken. Die Perspektive muss dauerhaft und selbsttragend sein.

Ob der Kohleausstieg chaotisch über die Beschäftigten und die Braunkohleregionen hereinbricht oder ob er kontrolliert eingeleitet wird, hängt von der politischen Steuerung ab. Dazu bedarf es eines Konzepts für einen Strukturwandel, der sozial und ökologisch verträglich ist. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer politischen Steuerung scheint mir mittlerweile bei vielen Parteien gereift zu sein. Fraglich bleibt aber, was sie unter Sozialverträglichkeit verstehen!

Und Herr Haseloff noch eine Bemerkung zum Schluss, da sie auch die Zukunft der EU-Strukturpolitik angesprochen haben. Meine Fraktion hat ja schon vor einigen Monaten mit einem Antrag darauf aufmerksam gemacht, dass derzeit auf EU-Ebene der Mehrjährige Finanzrahmen, also so etwas wie die mittelfristige Finanzplanung der EU verhandelt wird und es jetzt an der Zeit ist Druck bei den Prioritäten zu machen.

Es ist wie bei jedem Haushalt, man kann nicht alles finanzieren. Und so muss man sich entscheiden, ob ein Großteil des Geldes in eine Verteidigungsunion oder ein Grenzmanagement ähnlich wie es sich Trump in Amerika wünscht, investiert wird oder eben die Fortsetzung der EU-Strukturpolitik zur Angleichung der Lebensverhältnisse.

Ihre Kanzlerin hat erst kürzlich im Europäischen Parlament deutlich gemacht, wo ihr Schwerpunkt liegt, ihre Vision, nämlich bei einer Verteidigungsunion. Wir LINKE, das wird sie nicht überraschen lehnen eine Europäische Armee als Abschreckung gegenüber anderen Ländern dieser Welt ab. Es wäre aber ihre Aufgabe Herr Ministerpräsident bei Frau Merkel für die Weiterführung der EU-Strukturpolitik zu werben. Sachsen-Anhalt wird sonst nach jetzigem Stand deutlich an Fördermitteln einbüßen.