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Andreas Höppner zu TOP 04: Antrag des Freistaats Thüringen "Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)" im Bundesrat unterstützen

Anrede,

Worum geht es in unserem Antrag? Wir fordern die Landesregierung auf, sich im Bundesrat einer sinnvollen Initiative der Länder Thüringen, Brandenburg und Berlin zum Thema "Situation der Solo-Selbständigen" anzuschließen. Solo-Selbständige sind Unternehmerinnen und Unternehmer ohne Angestellte.

Jetzt werden vielleicht einige von Ihnen sagen: „Nur, weil jemand allein sein Unternehmen führt, muss das nun zwangsläufig bedeuten, dass er eine prekäre Einkommenssituation hat.“ Das ist richtig und doch weisen inzwischen eine Menge Studien, Berichte und Statistiken in eine andere Richtung. Erst vor einigen Wochen ist ein Bericht erschienen, der diesen Solo-Selbständigen ein hohes Altersarmutsrisiko bescheinigt. Benjamin Hoff, der Staatsminister von Thüringen, hat bei seiner Rede im Bundesrat zur Einbringung der Initiative zu Recht gesagt, dass es zwar bereits verschiedene Erhebungen zu diesen Selbstständigen gibt und ich werde Ihnen auch noch ein paar dazu vorstellen, dass sie aber methodisch sehr unterschiedlich sind und damit die Erkenntnisse beziehungsweise die Rückschlüsse auf die Situation nicht übereinstimmend sind.

Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat zu diesem Thema eine Große Anfrage eingebracht, die vor ein paar Wochen im Plenum behandelt wurde. Ich kann nur jeden empfehlen, sich die Antwort der Bundesregierung mit ihren 140 Seiten zu Gemüte zu führen. Die Anfrage macht einerseits deutlich, dass Informationen zur Situation der Solo-Selbstständigen noch lückenhaft sind, beispielsweise zur Verschuldung von Solo-Selbstständigen oder über die Anzahl von Insolvenzen, aber auch andererseits, dass es Handlungsbedarf gibt, auch wenn sich die Bundesregierung schwer tut diesen auch tatsächlich wahrzunehmen. Auch zeigte eine Kleine Anfrage von uns an die Landesregierung, dass die Landesregierung bzw. der Mikrozensus nur bedingt aussagefähig zu der Anzahl der Solo-Selbstständigen in den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen in Sachsen-Anhalt ist.

Bundesweite Untersuchungen, wie z.B. vom DIW (Deutsches Insititut für Wirtschaftsforschung) zeigen, dass es Solo-Selbständige in vielen Bereichen der Wirtschaft, vor allem im Kunst und Kreativbereich, im Dienstleistungsbereich (z.B. Hauswirtschaft, Markler, Rechtsberater, fahrende Friseure) aber auch in Fertigungsberufen wie Klempner, Installateure, Maler usw. gibt. Beispielsweise hat die Zahl der Solo-Selbständige unter den Elektrikern von 2009 zu 2012 um 47 Prozent zugenommen.

Ich verweise auch gern auf Untersuchungen des DIW aus dem Jahr 2011 und aktualisiert aus dem Jahr 2016:

  • Laut Bericht des DIW „Solo-Selbständige in Deutschland – Strukturen und Erwerbsverläufe“ Nr. 465 waren im Jahr 2014 knapp 4,2 Mio. Menschen in Deutschland selbständig, das sind also 10,5 Prozent der Erwerbstätigen
  • davon 1,848 Mio. sogenannte Solo-Selbständige, d.h. ohne Beschäftigte
  • In Sachsen-Anhalt sind lt. Mikrozensus insgesamt 47.200 Selbständige ohne Beschäftigte in 2015 (14.800 Frauen und 32.400 Männer), ca. 4,5 Prozent aller Erwerbstätigen

Und obwohl die Gesamtzahl der Solo-Selbständigen seit einigen Jahren stagniert, so erleben wir dennoch einen erheblichen Anstieg in bestimmten Bereichen. Dies mag vor allem an grundlegenden Umstrukturierungen der Wirtschaft aufgrund der Digitalisierung, der weltweiten Vernetzung und dem Anbieten von Leistungen über sogenannte Clouds, dem zunehmenden Ausgliedern von bisher in den Unternehmen angesiedelten Dienstleistungen (Schein-Selbständigkeit), wie das sogenannte Facility Management (auf Deutsch der Hausmeister), von Büroleistungen, Übersetzungsleistungen, die Homepagebearbeitung, die Administration der Betriebssysteme und Programme, liegen.

Auf der anderen Seite erleben wir auch in klassischen Gesundheitsberufen einen ungeahnten Anstieg der Solo-Selbständigen, z.B. im Pflegebereich (von 2005 zu 2012 Anstieg bei Pflegekräften um 97 Prozent, Psychologen 97 Prozent, Heilpraktiker 57 Prozent). Was ist das Problem dabei? Das Problem ist tatsächlich die soziale Absicherung. Waren vorher viele dieser Selbständigen in Unternehmen angestellt, hatten unbefristete Arbeitsverhältnisse, und damit eine gesicherte Perspektive, ein gesichertes Einkommen und leisteten wie selbstverständliche ihre Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, vielleicht blieb sogar etwas übrig für eine private Rentenvorsorge, so haben nun eine nicht unerhebliche Anzahl dieser Selbständigen Probleme ihre SV-Beiträge zu leisten.

Erschwerend zu den meist prekären Einkommenssituationen von Solo-Selbstständigen kommen die im Verhältnis zum erzielten Einkommen zu hohen Beiträge zur Sozialversicherung. Benjamin Hoff im Bundesrat: „Dazu trägt bei, dass Solo-Selbstständige weder die Möglichkeit der Minderung der Beitragszahlungen haben, wie bei der Gleitzonenregelung für geringe Einkommen, noch finanziert ihnen – was bei Solo- Selbstständigen in der Natur der Sache liegt – ein Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge. Eine Minderung der Beitragslast der Solo-Selbstständigen in der gesetzlichen Krankenversicherung – die prekären Selbstständigen habe ich mit im Blick – ist deshalb dringend geboten.“

Die Künstlersozialkasse wurde beispielsweise für Künstlerinnen und Künstler geschafften, weil man eingesehen hatte, dass diese einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten, aber nicht über ein reguläres und konstantes Einkommen verfügen. Man gewährt ihnen nun mit der KSK einen ähnlichen Schutz in der gesetzlichen Sozialversicherung, wie Arbeitnehmer. Sie müssen nur die Hälfte der jeweils fälligen Beiträge aus eigener Tasche zahlen, die KSK stockt die Beträge auf (aus einem Zuschuss des Bundes (20 %) und aus Sozialabgaben von Unternehmen (30 %), die Kunst und Publizistik verwerten). Über solche Lösungen muss auch für Solo-Selbstständige nachgedacht werden. Auch ein Mindesthonorar wäre aus unserer Sicht ein möglicher Lösungsweg.

Dazu hatten wir bereits im März gemeinsam mit Gewerkschaften eine Diskussionsrunde veranstaltet, die Auftakt für weitere Überlegungen und Untersuchungen zu diesem Thema sein soll. Sie sehen, das Thema beschäftigt auch uns hier in Sachsen-Anhalt. Die Bundesratsinitiative der Länder Thüringen, Brandenburg und Berlin fordert die Bundesregierung auf, sich dieses Themas mehr anzunehmen. Weitere Untersuchungen vorzunehmen und einen Bericht mit Handlungsempfehlungen vorzulegen. Ein paar mögliche Ideen wurden mit der Initiative der Bundesregierung mit auf den Weg gegeben, wie ich bereits darstellte.

Wir fordern auch die Landesregierung auf sich dieses Themas mehr anzunehmen und dieser Initiative im Bundesrat zuzustimmen. Und das Problem der Altersarmut hat auch eine genderpolitische Dimension. Hören sie da mal genau hin, meinen Damen und Herren von der Afd. Die Zahl der selbständigen Frauen steigt, was an sich sehr erfreulich ist, jedoch steigt ihre Zahl deutlich mehr im Bereich der Solo-Selbständigen als im Bereich der Selbständigen mit Angestellten.

Und noch eine für mich zumindest erschreckende Zahl aus dem DIW Bericht von 2011: rund 21 Prozent der solo-selbständigen Frauen können ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrer Selbständigkeit erwirtschaften. Sie werden hauptsächlich von Ihren Partnern oder Verwandten beim Lebensunterhalt unterstützt. Bei den Männer lag dieser Anteil immerhin auch bei 11 Prozent. Vielen Solo-Selbstständigen fehlt also letztendlich die soziale Absicherung. Damit fallen viele Menschen in Armut. Tun Sie somit etwas und unterstützen Sie unseren Antrag! Ich danke ihnen.