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Abwassergebühren - Stendaler Oberbürgermeister greift nach Büchse der Pandora

Zu Überlegungen des Stendaler Oberbürgermeisters, Abwassergebühren stadtteilbezogen zu erheben, bemerkt der für Abwasserfragen zuständige Abgeordnete der Fraktion Dr. Uwe-Volkmar Köck

Zu Überlegungen des Stendaler Oberbürgermeisters,  Abwassergebühren stadtteilbezogen zu erheben, bemerkt der für Abwasserfragen zuständige Abgeordnete der Fraktion Dr. Uwe-Volkmar Köck:

„Auf den ersten Blick kann man sich der Logik des Stendaler Oberbürgermeisters, die Abwassergebühren stadtteilbezogen zu erheben, nicht entziehen, sind doch Tarifzonen bei Bus und Straßenbahn normal. Und warum sollte dem Stadtrandbewohner die bessere Wohnlage nicht auch einmal in Form höherer Gebühren auf die Füße fallen, wie dem Innenstadtbewohner bei der Müllentsorgung, beim Straßenausbau, der Straßenreinigung, dem Winterdienst oder der Dachentwässerung?  

Es mag der vergleichsweise kurzen Verwaltungspraxis des Oberbürgermeisters geschuldet sein, wenn er das Solidarprinzip als Grundprinzip bei der Organisation des gemeindlichen Zusammenlebens noch nicht voll verinnerlicht hat. Dieses nivelliert die Kosten für die Erstellung und Erneuerung der gemeindeeigenen Infrastruktur auf ein einheitliches Maß. Dafür garantiert die Kommune an jeder Stelle des Ortes und zu jedem Zeitpunkt die Nutzbarkeit bei einer vergleichbaren Qualität. Und da sich immer einige Einwohner übervorteilt wähnen, sichert der gesetzlich verbriefte Anschluss- und Benutzungszwang die Finanzierungsbasis ab. Ansonsten entwickeln einige Mitmenschen teils groteske, ja sogar kriminelle Vermeidungsstrategien.

In Bereichen, in denen Infrastruktur und Dienstleistungen nur als Angebot vorgehalten werden, wie bei Kultur- und Freizeiteinrichtungen, bzw. dem ÖPNV, wo die eigenen Füße, das Fahrrad oder der private PKW zur freien Auswahl stehen, zeigen sich die Folgen einer Erosion der Finanzierungsbasis: Jede Tarifsteigerung zieht einen Fahrgastschwund nach sich. Trotzdem geht der Gelegenheitsbenutzer ganz selbstverständlich davon aus, dass er im Notfall auf den ÖPNV zurückgreifen kann. Die Vorhaltekosten für diese Nutzergruppe werden durch die höheren Preise der Einzelfahrscheine bei weitem nicht abgedeckt. DIE LINKE hatte deshalb in der Stadt Halle vor einigen Jahren den unter diesem Gesichtspunkt konsequenten, von der Allgemeinheit allerdings als futuristisch empfundenen Vorschlag unterbreitet, die Vorhaltekosten für den ÖPNV als Kopfpauschale zu erheben, ähnlich wie die Zählergrundgebühr oder die Grundgebühr der Müllentsorgung.

Kommt es in Stendal zu einer stadtteilbezogenen gestaffelten Erhebung von Abwassergebühren, öffnet der Oberbürgermeister die Büchse der Pandora. Automatisch stünden alle Bereiche zur Disposition, wo die Kommune vor allem aus sozialen Beweggründen kommunale Leistungen bewusst subventioniert. Spätestens die Vorstellung, ggf. beim Theaterbesuch in Magdeburg als Auswärtiger einen Zuschlag zahlen zu müssen, dürfte die ganze Tragweite plastisch verdeutlichen.

Das Festhalten am Solidarprinzip ist allerdings kein Ruhekissen oder gar als Freibrief für die Verwaltung zu verstehen. Die steht in der Pflicht, für eine umfassende Information und die demokratische Einbeziehung der Finanziers, der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen und deren Sachverstand bei allen Infrastrukturentscheidungen einzubeziehen.

Die sich heute als überdimensioniert erweisenden Abwassersysteme sind zu wesentlichen Teilen gerade diesem Umstand geschuldet. Angesichts der dramatisch verlaufenden demographischen Entwicklung reicht die schwache Kurskorrektur des Landes Sachsen-Anhalt in Richtung Kleinkläranlagen bei weitem noch nicht aus. In vielen Teilen des Landes sollen in den nächsten Jahren die nur leicht bis mäßig modifizierten Konzepte der späten 90er Jahre vollendet werden. DIE LINKE hingegen hält eine Alternativplanung für angebracht, an deren hypothetischer Optimalvariante bereits heute alle Ersatzinvestitionen konsequent ausgerichtet werden könnten.“

Magdeburg, 12. August 2010