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Wulf Gallert zu TOP 36: Besetzungsverfahren Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Sachsen-Anhalt

Die Einbringerin der Aktuellen Debatte, die Fraktion der FDP, stellt fest, dass die Art und Weise der öffentlichen Diskussion über die Bewerber für dieses Amt dazu geeignet ist, sowohl die Bewerber als auch das Amt öffentlich zu beschädigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen gleich am Anfang sagen, dass wir diese Einschätzung teilen. Allerdings, und da sind wir uns wahrscheinlich mit den meisten Vertretern der Koalition wiederum einig, wird diese Aktuelle Debatte die Situation bestimmt nicht verbessern. Und, werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, man muss es mit aller Deutlichkeit sagen: Das war auch nicht Ihre Absicht. Natürlich ist es reizvoll, die Koalition an dieser Stelle öffentlich vorzuführen. Nur müssen Sie aufpassen, dass Sie damit nicht selbst Teil des von Ihnen beschriebenen Problems werden.

Will man sich jedoch dem aktuellen Problem der Neubesetzung dieser Stelle nähern, darf man über die Ursachen nicht schweigen. Und die Ursache liegt nun einmal in der vorhergehenden Besetzung dieser Stelle durch den ehemaligen Landtagsabgeordneten der CDU, Herrn Ruden. Der war der Vorschlag des Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer in der letzten Legislaturperiode, und er hat in diesem Landtag eine Mehrheit bekommen, auch durch Stimmen aus unserer Fraktion. Aber ich kann Ihnen garantieren, Herr Böhmer und liebe KollegInnen der CDU-Fraktion, aus solchen Fehlern lernt man. Wir wissen jetzt alle, dass Herr Ruden für diese Position völlig ungeeignet war und wenn wir ehrlich sind - viele von uns wussten es schon vorher. Es war die Kombination von selbstgerechter undifferenzierter Anklage all derjenigen, die Herr Ruden für die Vertreter des politischen Systems der DDR hielt, ähnlich wie jetzt übrigens auch in der Debatte um den ehemaligen Kultusminister Olbertz , und andererseits das völlige Fehlen an Selbstzweifel, das völlige Fehlen der Hinterfragung der eigenen Verantwortung, der eigenen Fehler und der eigenen Kompromisse.

Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist - kurz beschrieben - das zentrale Problem des Herrn Ruden gewesen, aber lassen Sie mich das mit aller Deutlichkeit sagen, das ist nicht nur sein Problem. Der ehemalige Amtsinhaber hat mit seiner Positionierung dieses sehr weit verbreitete Problem lediglich schmerzhaft auf die Spitze getrieben. Ich habe die, wenn auch geringe Hoffnung, dass der Abgang des Herrn Ruden vor allem die Partei zum Nachdenken über dieses Problem anregt, die diesen Personalvorschlag unterbreitet hatte.

Und jetzt steht die Frage vor uns: Wie weiter? Ja, und das sage ich hier ausdrücklich, die Behörde, um die es hier geht, hat sich mit ihrer bisherigen Tätigkeit trotz des ehemaligen Leiters bewährt und sie ist auch weiterhin notwendig, sowohl für die Betreuung der Opfer des politischen Systems der DDR als auch für eine konsequente Geschichtsaufarbeitung. Ja, und sie könnte auch vielleicht noch stärker als bisher Anlaufstelle für diejenigen sein, die Verantwortung trugen für das politische System der DDR und insbesondere seinen Repressionsapparat. Und wir sehen in den verschiedensten Situationen, dass dieser Personenkreis sehr viel breiter und differenzierter war, als man es auf den ersten Blick vermutet.  

Wenn es nun aber dieser Einrichtung bedarf, dann brauchen wir natürlich einen Leiter oder eine Leiterin für diese Einrichtung. Und da steht das Prozedere eindeutig fest: Die Landesregierung unterbreitet einen Vorschlag, der hier mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden soll. Aber dazu scheint die Landesregierung ebenso wenig nicht in der Lage zu sein, wie die Koalition. Das aber ist nach dem Personalvorschlag Ruden eine zweite Fehlleistung des Ministerpräsidenten. Die jetzige Situation ist auch aus unserer Sicht im Wesentlichen Ihrer völligen Inaktivität in dieser Frage geschuldet. Über die Gründe können wir hier spekulieren, eine Reihe davon sind mit Sicherheit menschlich zutiefst nachvollziehbar, aber das hilft uns nicht weiter.

Zum einen glauben wir, dass die Landesregierung durch das formalisierte Ausschreibungsverfahren ein zusätzliches Problem geschaffen hat. Aus unserer Sicht war dies nicht zwingend notwendig, Brandenburg hat gerade gezeigt, dass man mit dieser Frage auch anders vernünftig umgehen kann. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das Ergebnis eines solchen Ausschreibungsverfahrens hier zwingend eine Zweidrittelmehrheit bekommen muss, erscheint eher fraglich. Dies ist jetzt übrigens ausdrücklich keine Kritik an uns selbst, weil ich ausdrücklich davon überzeugt bin, dass es in einem solchen Besetzungsverfahren keine formalisierten, vermeintlich objektiven Kriterien gibt, die man dann auch noch über ein Punktesystem miteinander vergleichen kann.

Eine weitere Seite dieses Besetzungsverfahrens ist das durchaus berechtigte Interesse der Opferverbände. Auch diese, so war der Presse zu entnehmen, kritisieren die Landesregierung bzw. die Koalition scharf für ihre Handhabung der Probleme. Nur muss man auf der anderen Seite auch - und das gehört zur Ehrlichkeit dazu - klar sagen, dass auf der Seite der Opferverbände die Situation in Wahrheit nicht wirklich besser aussieht. Herr Ruden war noch nicht einmal richtig suspendiert, da kam aus Berlin von der VKU der Vorschlag, dass der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Hilsberg das Amt übernehmen soll. Kurz danach benannte die VOS aus Sachsen-Anhalt den jetzigen stellvertretenden Leiter dieser Behörde als ihren Wunschkandidaten. Gleichzeitig erhielten die Landesregierung und die Fraktionsvorsitzenden Briefe aus Berlin von der VOS mit einem anderen Namensvorschlag, obwohl der Landesvorsitzende der VOS gleichzeitig auch deren Bundesvorsitzender ist. Neuerdings, so entnehme ich der Presse, wird von der Landes-VOS nun Herr Sielaff favorisiert. Nun ja, wer im Glashaus sitzt…

Unterm Strich müssen wir feststellen, dass hier sehr viele der Akteure viele Fehler gemacht haben. Aus unserer Sicht gibt es nur einen Ausweg: Herr Böhmer, nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung wahr, setzen Sie sich mit den Fraktionsvorsitzenden des Landtages an einen Tisch und bereden Sie mit uns einen Vorschlag, der wirklich mehrheitsfähig ist.  Und beeilen Sie sich damit, durch Aussitzen wird sich dieses Problem nicht lösen.