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Wulf Gallert zu TOP 02: Stand der Umsetzung des Konjunkturprogramms des Bundes (Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder - ZuInvG) in Sachsen-Anhalt

Als ich den Antrag zur Aktuellen Debatte gelesen habe, war ich als erstes außerordentlich verwundert, dass die Koalition von sich aus auf die Idee gekommen ist, vor dem Hintergrund des in Rede stehenden Antrages, eine solche Debatte zu Beginn der Landtagssitzung zu führen.

Gewundert habe ich mich deshalb, weil wir als Opposition auch überlegt haben, so etwas zu tun - und die Koalition hat uns dafür in den letzten Wochen massenhaft Material geliefert, diese Debatte einzufordern. Aber ich hätte mir beim besten Willen nicht vorstellen können, dass CDU und SPD dieses Thema hier freiwillig, mehr als unbedingt nötig, selbst zur Sprache bringen. Aber manchmal haben die Dinge eine gewisse Eigendynamik, die diesem Hause auch gut tut.

Als erstes bleibt aus unserer Sicht festzuhalten, dass in der Landesregierung keinerlei Aktivitäten entwickelt werden, um die entsprechenden Ansätze des Konjunkturpaketes II in Sachsen-Anhalt zu verstärken. Wir bleiben bei dem Bild, dass die Hände in den Hosentaschen bleiben und offensichtlich nur dafür herausgenommen werden, kabinettsinternes Fingerhakeln zu trainieren.

All dies findet in einer Zeit statt, in der auf Bundesebene allein für die Hypo Real Estate über 100 Mrd. Euro öffentliches Geld bereitgestellt werden, was allein für den Steuerzahler in Sachsen-Anhalt eine mögliche Belastung von etwa 3 Mrd. Euro ausmacht, also etwa 1.300 Euro je Einwohner im Land. Gleichzeitig wird von der Commerzbank ein Aktienpaket mit einem Wert von 1 Mrd. Euro zu einem Preis von 18 Mrd. Euro erworben. Realkosten für die Steuerzahler in Sachsen-Anhalt mehr als eine halbe Mrd. Euro  bzw. 250 Euro pro Einwohner.

Und trotzdem erklärt man in Sachsen-Anhalt, dass es die Haushaltslage der öffentlichen Kasse nicht zulässt, die Kaufkraft von Familien mit Kindern zu stärken, indem man die Kosten für das Mittagessen in Kindergärten oder Schulen übernimmt, was nach unserem Vorschlag jährlich Kosten in Höhe von 66 Mio. Euro verursachen würde, rund 25 Euro je Einwohner. Also, ein Zehntel dessen, was die Steuerzahler in Sachsen-Anhalt für den Anteilserwerb der Commerzbank aufbringen müssen. Nicht einmal ernsthaft diskutiert wird darüber in der Landesregierung.

Natürlich wissen auch wir, dass es bisher zumindest eine getrennte Haushaltsführung  zwischen Bund und Ländern gibt, die jedoch nach den Vorschlägen unserer Landesregierung bald der Vergangenheit angehören soll. Aber wenn wir hier über Konjunkturprogramme und den Einsatz öffentlichen Geldes reden, dann müssen wir auch einmal die Sicht des Steuerzahlers und die Sicht des einzelnen Betroffenen einnehmen und, die können uns völlig berechtigt die Frage stellen, warum es bei der Unterstützung von Banken durch den Staat offensichtlich keinerlei Grenzen gibt, aber bei der Behebung bei der eigentlichen Achillesferse der bundesdeutschen Wirtschaft, der schwachen Binnennachfrage, mit Ausnahme eines bestimmten Segmentes - der Autoindustrie - keine spürbare Bewegung gibt.

Wir haben unseren 11-Punkte-Plan vorgelegt, der eine komplexe Antwort auf die Frage nach den Reaktionsmöglichkeiten des Landes auf die Rezession gibt. Inzwischen ist wertvolle Zeit verstrichen und in der Landesregierung hat sich kaum etwas getan. Und was sie dann gemacht hat, hat sie auch noch falsch gemacht. Bevor ich jedoch zur Umsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes komme, lassen Sie mich noch einen Bereich erwähnen, über den wir leider gar nichts gehört haben, der jedoch auch längst dringend hätte angepackt werden müssen.

Dies betrifft die zusätzliche Bereitstellung von Mitteln für den Bereich des SGB II. Wir hatten vorgeschlagen, diese Mittel in Höhe von etwa 40 Mio. Euro zusätzlich für die Einrichtung von Bürgerarbeit in Mindestlohn einzusetzen. Wenn Sie wollen, können Sie es auch Kommunal-Kombi nennen. Bisher gibt es überhaupt keine Wortmeldungen aus dem Wirtschaftsministerium, welche Position das Land zum Einsatz dieser Mittel hat. Und wieder ist wertvolle Zeit verstrichen.

Eines der zentralen Probleme der Krisenintervention ist die Zeitschiene. Dafür gibt es einen einfachen Grundsatz: Je früher die Mittel vernünftig eingesetzt werden, desto größer ihre Wirkung bzw. anders herum: Je später der Einsatz der Mittel erfolgt, desto wirkungsloser werden sie.

Im Januar 2009 stellte Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung dazu fest: „Das Programm kommt trotz des beträchtlichen Volumens zu spät, um die Krise noch rechtzeitig aufzufangen. Wegen der zeitlichen Verzögerung ist daher ein dramatischen Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr nicht zu verhindern.“ Wohl gemerkt, dies bezieht sich auf das Bundesprogramm. Unser Problem besteht darin, dass mangelndes Landeshandeln die Situation noch einmal verstärkt. Das belegt auf der einen Seite die völlige Funkstille des Wirtschaftsministeriums im Bereich der Arbeitsmarktpolitik genauso wie das Gezerre um das Zukunftsinvestitionsprogramm, das ursprünglich den Namen Kommunales Investitionsprogramm hatte.   

Auf der letzten Landtagssitzung haben wir den Vorschlag unterbreitet, das gesamte Finanzvolumen in Höhe von 474 Mio. Euro über zwei Jahre als kommunale Investitionspauschale - durch das Land kofinanziert - an die Kommunen auszureichen. Den Skeptikern will ich gleich entgegen halten, dass die Kommunen des Landes sogar in der bisherigen Struktur sehr wohl in der Lage gewesen sind, solche Programme zeitnah und sachgerecht umzusetzen. Bis 2001 gab es eine solche Investitionspauschale in der Höhe von etwa 230 Mio. Euro pro Jahr und die Erfahrungen waren, wie selbst der Ministerpräsident jetzt feststellte, überwiegend positiv. Die Beanstandungen bei der Mittelverwendung hielten sich deutlich im einstelligen Prozentbereich.

Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, warum sollen die Kommunen des Landes Sachsen-Anhalt nach mehreren Gebiets- und Verwaltungsreformen jetzt plötzlich nicht mehr in der Lage sein, eine entsprechende Mittelverwendung vorzunehmen? Was führt eigentlich diese Landesregierung zu der Erkenntnis, dass fast nur die Landesministerien über eine sachgerechte Verwendung der Mittel aus diesem Programm entscheiden können? Ministerien, die bspw. seit über einem halben Jahr nicht in der Lage gewesen sind, Fördermittelbescheide zu erstellen, um das EU-finanzierte Schulbauprogramm und die Kindertagesstättensanierung umzusetzen? Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen jetzt ausgerechnet diejenigen, die bisher wie Frösche auf der Quelle sitzen, nun auf einmal die Fördermittel sprudeln lassen? Auf diese Fragen, werte Kolleginnen und Kollegen im Kabinett, können Sie keine vernünftige Antwort geben. Vielmehr wird den Kommunen unterstellt, dass sie solche Aufgaben nicht erledigen können, die z. Z. die Ministerien auch nicht erfüllen.

Aber kommen wir nun zu den Maßnahmen im einzelnen. Nachdem man im Kabinett am Dienstag die große Friedenspfeife geraucht haben soll, erfuhr die staunende Öffentlichkeit nunmehr Folgendes: Von den 474 Mio. Euro soll nunmehr eine Summe von 360 Mio. Euro, also knapp 76 %, für kommunale Investitionsvorhaben bereitgestellt werden. Damit, so kann man den Presseverlautbarungen entnehmen, liege man deutlich über der Vorgabe der Bund-Länder-Vereinbarung von 70 %. Aber man liegt andererseits auch deutlich unter dem, was in Brandenburg, Sachsen oder gar Nordrhein-Westfalen an die Kommunen weitergeleitet wird. Das eigentliche Problem ist jedoch ein anderes. Das eigentliche Problem liegt darin, dass man diese Summe den Kommunen nur zu einem geringeren Teil tatsächlich pauschal zur Verfügung stellen will. Vielmehr will man die Kommunen mit Zuwendungsbescheiden, winkenden Ministern und Staatssekretären beglücken, weil man meint, dass sie allein nicht in der Lage wären, das Geld richtig einsetzen zu können.

Im einzelnen ist bisher dazu ausgesagt worden, dass die Kommunen lediglich, so wie auch im Antrag der Koalition festgehalten, 60 Mio. Euro als pauschale Zuweisung für Schulbausanierungen zur Verfügung gestellt bekommen. Darüber hinaus, so lesen wir in der Pressemeldung der Landesregierung, soll es noch einmal eine Investitionspauschale in Höhe von 50 Mio. Euro geben, zusammen 110 Mio. Euro. Dies wäre dann gemäß der Interpretation der Landesregierung die Hälfte von 360 Mio. Euro. Diese Aussage erschließt sich weder mir noch den anderen Mitgliedern meiner Fraktion. Darüber hinaus ist dann vermeldet worden, dass die Schulbausanierung nicht nur in diesem Jahr mit 60 Mio. Euro veranschlagt werden soll, sondern auch im nächsten Jahr. Damit käme man zwar immer noch nicht auf eine hälftige pauschale Ausreichung der kommunalen Mittel, aber um 10 Mio. Euro wollen wir uns hier mal nicht streiten. Das Problem besteht vielmehr darin, dass weder in dem heute vorliegenden Antrag, noch in der Pressemeldung von der vorgestrigen Kabinettssitzung, eine Schulbau-Pauschale für das Jahr 2010 enthalten ist. Ich hoffe, werter Kollege Innenminister, dieser Umstand ist Ihnen aufgefallen, bevor sich das Gefühl der Zufriedenheit eingestellt hat? Also bleibt festzuhalten, dass von den Mitteln, die das Land den Kommunen für ihre Investitionsprojekte zur Verfügung stellen will, mehr als zwei Drittel per Fördermittelbescheid durch die Landesregierung ausgegeben werden soll. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dahinter steckt mehr als das Fingerhakeln zweiter Kabinetts-Kollegen. Dahinter steckt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der kommunalen Ebene, dahinter steckt der ungebrochene Glaube, die Landesregierung wisse allein, was gut und richtig wäre. Kommunale Verantwortungsebenen sind letztlich nur Störfaktoren. Wie ist es sonst zu erklären, dass diese Landesregierung den geringsten Anteil aller Länder aus diesem Konjunkturprogramm in die Verantwortung kommunaler Mandatsträger gibt? Und dieses grundsätzliche Problem wird sich aller Voraussicht nach am 07. Juni 2009 manifestieren. Weil an diesem Tag berechtigt die Frage auftauchen wird, warum man kommunale Mandatsträger wählen soll, wenn sie denn nach Meinung dieser Landesregierung ohnehin besser nichts entscheiden sollen, weil sie es im Zweifelsfall falsch machen würden. 

Und diese Position manifestiert sich nicht nur bei der Mittelvergabe aus diesem Investitionsprogramm. Eine Kommunalreform zu Gunsten der Kreise ist gescheitert, mit dem wahrscheinlichen Ausfall der interkommunalen Funktionalreform ist ebenso zu rechnen.

Deswegen stellen wir heute einen Alternativantrag zum Zukunftsinvestitionsprogramm, der sehr wohl ein Stück unserer Maximalforderung aus dem 11-Punkte-Programm zurücknimmt, aber trotzdem ein klares Zeichen für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung bedeutet. Wir fordern erstens, dass die Kommunen wenigstens den Anteil pauschal zugewiesen bekommen, der ihnen lt. Bund-Länder-Vereinbarung ohnehin zusteht, also 70 %. Wir fordern zweitens, dass den Kommunen eine Kofinanzierung dieser Mittel, unabgängig von ihrer Haushaltslage, ermöglicht werden soll, und die Konsolidierungskonzepte dahingehend angepasst werden. Sollte die Kommunalaufsicht der Meinung sein, dass eine Kommune diesen Anteil nicht mehr finanzieren kann, muss das Land ihn übernehmen. Im Sinne der Beschleunigung des Verfahrens, fordern wir die Landesregierung auf, noch vor der schnellstmöglichen Verabschiedung eines Nachtragshaushaltes einen Orientierungsdatenerlass an die Kommunen mit den in Rede stehenden Summen herauszugeben, um dort die entsprechenden Vorbereitungen zu ermöglichen.

Im Interesse einer ehrlichen Diskussion der Mitglieder des Landtages in den kommunalen Parlamenten fordern wir eine namentliche Abstimmung zum vorliegenden Antrag.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, die Landesregierung hat bisher mit Blick auf die konjunkturelle Krise kaum irgendwelche nennenswerte Aktivitäten entwickelt. Und wenn sie etwas getan hat, wie bei dem Zukunftsinvestitionsprogramm, dann war es auch noch das Falsche. Ich kann Ihnen garantieren, dass wir Sie weiterhin zu Positionen drängen werden, die im Interesse der Kommunen des Landes sind, hier im Landtag genauso wie in den Landkreisen und Gemeinden.