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Wulf Gallert zu TOP 01: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für die Haushaltsjahre 2010 und 2011

Der vorliegende Doppelhaushalt der Landesregierung führt uns anschaulich die Folgen der Finanz- und Weltwirtschaftskrise vor Augen. Damit meinen wir nicht zu allererst die einzelnen Haushaltsansätze der Landesregierung, sondern die Rahmendaten, die das Korsett der politischen Entscheidungen bilden. Das Haushaltsvolumen der beiden Haushaltsjahre 2010 und 2011 reduziert sich für das folgende Jahr 2010 um 2 % und für das folgende Haushaltsjahr um weitere 1,3 %. Unter normalen Umständen würde man auf diesen Sachverhalt als Finanzminister mit stolz geschwellter Brust auf einen substanziellen Konsolidierungsbeitrag verweisen, mit einer umfangreichen Erläuterung, welche gewaltigen Anstrengungen man unternommen hat, um die Verschuldung des Landes zu reduzieren.

Aber die politischen und ökonomischen Realitäten sind in diesem Land anders. Trotz dieser Reduzierung des Haushaltsvolumens ergibt sich eine Neuverschuldung von insgesamt fast 1,2 Mrd. Euro für die nächsten beiden Haushaltsjahre. Das bedeutet, dass selbst schmerzhafte Einschnitte in die Qualität der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht dazu führen werden, dass die Gesamtschuldenlast des Landes sinkt, sondern deutlich steigt und damit beim allerbesten Willen nicht mehr unter eine Überschrift von Konsolidieren und Vorsorgen zu quetschen ist.

Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen ist es unmöglich, einen guten Haushalt vorzulegen, und es ist genauso unmöglich, einen guten Haushalt zu verabschieden. Deshalb ist es wichtig, auf die Ursachen dieses Dilemmas auch an dieser Stelle noch einmal einzugehen. In den Jahren der Konjunktur 2007 / 2008 geriet ein ganz wesentlicher Aspekt der deutschen Politik in den Hintergrund: Die strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Hand. In diesen beiden Jahren gelang es, laufende Ausgaben der Kommunen und des Landes - nicht des Bundes - im Wesentlichen durch laufende Einnahmen zu refinanzieren und einige vorsichtige Elemente in der Vorsorge einzurichten. Heute, am Ende des Jahres 2009 wissen wir, dass diese Ausgewogenheit zwischen Einnahmen und Ausgaben nur eine kurzzeitige Erscheinung war.

In den Jahren zuvor wurden auf Grund der wirtschaftlichen Stagnation und der Auswirkungen der rot-grünen Steuerreform der Jahre 1999 und 2000 durchschnittlich 1 Mrd. Euro Neuverschuldung pro Jahr realisiert. Bei einer wirklich ausgewogenen Einnahme- und Ausgabebilanz der öffentlichen Hand hätten jedoch die Überschüsse aus der Konjunkturphase ausreichen müssen, um die Defizite aus der Stagnationsphase auszugleichen. Davon waren aber nicht nur wir hier in Sachsen-Anhalt, sondern die öffentliche Hand insgesamt, vor allem der Bundeshaushalt, weit entfernt. Wir sind also mit dem Problem der chronischen Unterfinanzierung der öffentlichen Aufgaben konfrontiert. Dies kann man auf zwei unterschiedlichen Wegen lösen. Entweder man erhöht die Steuereinnahmen für eine solide Aus-Finanzierung oder man reduziert die Ausgaben auf dem Niveau der jetzigen Steuereinnahmen. Beide Wege stehen in der politischen Diskussion, und ich sage es mit aller Deutlichkeit, wir als LINKE stehen strategisch für den ersten Weg, weil wir die Partei der öffentlichen Daseinsvorsorge sind und weil wir wissen, dass die Privatisierung öffentlicher Aufgaben zu einer immer weiteren Polarisierung in der Gesellschaft beiträgt. Dies schließt nicht die kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Haushaltsansätzen dieses Haushaltsplanes aus, definiert aber unsere Grundlinie.

Wir sind uns jedoch des Dilemmas bewusst, dass dieser Weg, der von uns vorgeschlagen wird, zum übergroßen Teil nur bundespolitisch beschritten werden kann. Von dort jedoch ist demnächst nichts Gutes zu erwarten. Vertraut man den Wahlkampfaussagen von CDU und FDP, verfolgt die zukünftige schwarz-gelbe Koalition ein Konzept der weiteren Reduzierung öffentlicher Einnahmen, und daraus resultierend eines noch größer werdenden Defizits der öffentlichen Hand, was wiederum eine Erhöhung der öffentlichen Verschuldung nach sich ziehen wird.   

Die derzeitige Argumentation, dass Steuerreduzierungen die Gewinne der Unternehmen erhöhen, die dann wiederum mehr investieren und durch ihr Wachstum mehr Arbeitsplätze und Steuereinnahmen organisieren, ist nahezu identisch mit der Begründung der rot-grünen Steuerreform 1999 / 2000. Man kann es auch anders sagen: Sie ist genauso falsch wie die damalige Begründung. Das Fatale ist, dass dieser Sachverhalt uns in den vergangenen 10 Jahren belegbar und überdeutlich vor Augen geführt worden ist, aber man daraus ganz offensichtlich nichts gelernt hat.

Vielmehr ist es so, dass einbehaltene Gewinne und die Nichtbesteuerung großer Vermögen genauso wie die Privatisierung sozialer Sicherungssysteme dazu geführt haben, dass riesige Geldmengen auf den internationalen Märkten in renditeträchtige Geldanlagen gebunden wurden, anstatt sie in gesellschaftlich notwendige Entwicklungen zu investieren. Dies ist der wahre Grund für die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, die in ihren Auswirkungen bedrohliche Formen für die öffentliche Hand und damit für die öffentliche Daseinsvorsorge annimmt. Ich weiß, dass der Kollege Böhmer hier immer argumentiert, dass der Eingriff des Staates in den Bankensektor durch die Niedrigzinspolitik Auslöser dieser Krise geworden ist. Dies jedoch hält einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht stand. Solche Niedrigzinsphasen gab es mehrfach im letzten Jahrhundert, sie sind mit eben dieser einen Ausnahme nie mit einer solchen Krise zu Ende gegangen.

Man muss unsere politischen Überzeugungen nicht teilen, aber ein einfacher Blick in die wirtschaftliche und finanzpolitische Entwicklung der letzten 10 Jahre reicht aus, um zu erkennen, dass die Politik der niedrigen Steuern nicht der Ausweg aus der, sondern der Weg in die Krise ist.

Zur realistischen Bestandsaufnahme gehört auch, dass die These von der krisenresistenten Wirtschaft im Osten, insbesondere in Sachsen-Anhalt, falsch ist. Der Rückgang der Wirtschaftskraft in Sachsen-Anhalt um 5,6 % im Vergleich zum Vorjahr liegt nur einige Zehntel-Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Dieser wiederum ist deutlich größer als der Rückgang der Wirtschaftskraft bspw. in den USA, die ja von vielen etwas oberflächlich als die Schuldigen dieser Weltwirtschaftskrise bezeichnet werden. Auch hierin kommen wiederum die eigentlichen Achillesfersen der bundesrepublikanischen Wirtschaft zum Vorschein: die extreme Exportabhängigkeit und der unterentwickelte Binnenmarkt.
Jedoch steht hier ebenso zu befürchten, dass die falschen Wege, die in die Krise geführt haben, nun noch beschleunigt gegangen werden.

Natürlich gibt es da auch noch den anderen Weg, die Diskrepanz zwischen öffentlichen Einnahmen und Ausgaben zu schließen: Eben die Reduzierung der öffentlichen Ausgaben. Auch davon war in den letzten Wochen - bezogen auf den Landeshaushalt - viel zu hören. Zuerst sprach die FDP-Fraktion davon, dass die vorgesehene Neuverschuldung aus dem Strategiepapier des Finanzministers zu hoch wäre und man keinen Sparwillen erkennen kann. Ähnlich äußerten sich dann Vertreter der CDU-Fraktion, der Ministerpräsident dieses Landes und - auch er darf in dieser Reihe nicht fehlen - der Präsident des Landesrechnungshofes.

Interessant war bisher nur eines: Der Einzige von den Genannten, der diese Forderung auch selbst hätte umsetzen müssen, nämlich der Ministerpräsident, der letztlich diesen Haushaltsentwurf zu verantworten hat, verabschiedete sich relativ schnell von seiner Forderung, die Neuverschuldung auf 500 Mio. Euro im Jahre 2010 zu begrenzen. Offensichtlich war auch er ratlos, wie dies geschehen soll. Nun, der Landesrechnungshof-Präsident ist nicht verpflichtet, seine Forderung zu untersetzen, die Einsparvorschläge von CDU und FDP liegen bisher noch nicht auf dem Tisch. Wir erwarten sie mit großer Gespanntheit.

Das eigentliche Problem, mit dem hier die Koalition genauso wie die Opposition konfrontiert sind, ist der Sachverhalt, dass Kürzungen im großen Umfang entweder die soziale Polarisation der Gesellschaft unverantwortlich weiter verschärfen oder die Entwicklung des Landes nachhaltig beschädigen oder beides bewirken. Der Finanzminister hat in seinem Strategiepapier bspw. vorgeschlagen, die Kommunen im Umfang von 50 Mio. Euro von Aufgaben zu entbinden. Davon finden Sie in diesem Haushaltsentwurf nichts mehr. Und das ist richtig so, weil diese Summen nur im Bereich von Kinder- und Jugendpolitik hätten gespart werden können, oder bspw. die Kontrolle von gesetzlichen Bestimmungen verschlechtert hätten. Nur wären die Konsequenzen eben die weitere Verschlechterung der Bildungschancen von Kindern aus Hartz-IV-Familien und solche teuren Problemfälle wie die Tongrube Vehlitz oder Zeuchfeld würden von uns in noch größerer Zahl zugelassen werden. Ähnlich sieht es mit den vom Finanzminister im Strategiepapier vorgeschlagenen Kürzungen bei den Leistungsgesetzen von 10 % aus, die ebenfalls vom Präsidenten des Landesrechnungshofes eingefordert sind. Auch davon findet sich vernünftigerweise in diesem Haushaltsentwurf nichts.

Wir sind in der öffentlichen Diskussion längst über den Punkt hinaus, an dem wir so tun können, als würden wir in erheblichem Maße auf Aufgaben des Landes verzichten können, ohne eine deutliche Reduzierung der Lebensqualität der Einzelnen und der Entwicklungsmöglichkeiten des Landes in Kauf zu nehmen.

Nun hört man in den letzen Tagen verstärkt wieder eine Argumentation, die da lautet, dass wir jetzt Sparanstrengungen unternehmen müssen, um in späteren Jahren Spielräume für politische Schwerpunkte zu gewinnen. Mit den Worten unseres Ministerpräsidenten kann man diese These jedoch im Reich der barmherzigen Lügen verorten. Schaut man sich einmal nur die Mittelfristige Finanzplanung des Ministeriums an, so sieht man dort, dass ausschließlich die Reduzierung der Neuverschuldung auf Null bis zum Jahre 2013 die weitere Reduzierung des Landeshaushaltes um 6 % erzwingt. Und das bei einem Aufgabenbestand, der im Wesentlichen stabil bleibt. Noch deutlicher wird uns diese Situation bei einem Blick in die langfristige Personalentwicklungskonzeption der Landesregierung vor Augen geführt. Wenn heute z.B. davon gesprochen wird, dass wir deshalb einsparen wollen, um in Zukunft mehr Spielräume im Bereich der Bildung zu haben, die ganz maßgeblich durch das entsprechende Personal getragen werden muss, so sieht man dort auf der Seite 257, dass der Stellenbestand zwischen den Jahren 2011 und 2020 bspw. bei den Lehrern noch einmal um rund 30 % reduziert werden soll, obwohl die Schülerzahlen in diesem Zeitraum stabil bleiben. Gleiches gilt übrigens für die Hochschulen, deren Personal in diesem Zeitraum um 25 % reduziert werden soll, und noch stärker für die pädagogischen Mitarbeiter, deren Zahl in diesem Zeitraum um 40 % gesenkt werden soll. Gerade aber der Schwerpunkt Bildung wird in ganz überwiegendem Maße durch das in diesem Bereich angestellte Personal bestimmt. Wenn man jetzt bereits plant, Reduzierungen in diesen Größenordnungen umzusetzen, kann man beim allerbesten Willen nicht davon sprechen, dass man jetzt für Spielräume in der Zukunft plant. Vielmehr rennt man verzweifelt den schwindenden Ressourcen hinterher und wird mit der nächsten Steuersenkungsdiskussion konfrontiert.

Dies ist das strategische Dilemma, das uns dieser Doppel-Haushalt, die Mittelfristige Finanzplanung und die Enquetekommission Personalentwicklung überdeutlich vor Augen führen. Deswegen liegt es im elementaren Interesse dieses Landes, gegen Steuersenkungspläne auf Bundesebene vorzugehen und für eine Umkehr in der Steuerpolitik zu kämpfen.    

Meine Fraktion hat Mitte August auf einer Klausurberatung unsere wichtigsten Leitlinien für die Beratungen zum Doppel-Haushalt 2010 / 2011 beschlossen. Wir sind dabei von den bis dahin bekannten Rahmendaten und dem Strategiepapier des Finanzministers ausgegangen.
Kernaussage unseres Beschlusses ist, dass der Staat in der Krise nicht selbst zum Gegenstand krisenhafter Entwicklungen werden darf. D. h., dass in einer solchen Krise der Staat nicht selbst radikale Strukturbrüche umsetzen darf, die eine gesellschaftliche Negativentwicklung beschleunigen.

Ich will hier ganz klar sagen, bei aller Kritik im Einzelnen, die auch sehr substanziell sein wird, dieser Haushaltsentwurf der Landesregierung macht diesen Fehler nicht. Und da, wo er in Teilbereichen begangen wurde, wie z. B. im Bereich der sozialen Infrastruktur, deuten sich Lösungen an. Dies bedeutet jedoch, dass viele Aufgaben mit außerordentlich beschränktem Ressourceneinsatz auf Mindestniveau fortgeführt werden, aber auch das ist logische Konsequenz der haushalterischen Rahmendaten. Unsere Fraktion wird dann Änderungsvorschläge unterbreiten, wenn wir den Eindruck haben, dass die eingestellten Mindestfinanzierungen nicht mehr ausreichen, um eine Aufgabenerfüllung zu gewährleisten, z. B. im Bereich des Fachkräfteprogramms oder auch der Mittel zur Entwicklung der Demokratie.   

Beispielhaft für einen solchen Abwägungsprozess ist die Finanzierung des Personalkostenaufwuchses bei den Hochschulen. Die ursprüngliche Vorlage des Strategiepapiers sah hier die vollständige Kostenübernahme durch die Hochschulen im Jahre 2010 vor. Dies war von vornherein schlechtweg unmöglich. Die Steigerung der Personalkosten liegt in diesem Bereich im nächsten Jahr bei rund 12 %, bedingt durch die Angleichung Ost-West, die lineare Tarifanpassung und das Auslaufen des Arbeitsplatzsicherungstarifvertrages. Bei einem durchschnittlichen Tarifkostenanteil von 75 bis 80 % an den Hochschulbudgets hätte diese Forderung die sofortige Halbierung aller anderen Kosten zur Folge gehabt. Jeder von uns weiß, dass das schlechtweg unmöglich ist. Insofern war es richtig, dass der Haushaltsentwurf diesem Sachverhalt Rechnung trägt und die Position aus dem Strategiepapier verwirft. Wir glauben jedoch, dass vor dem Hintergrund der strukturellen Überlastung der Hochschulen ein vollständiger und nicht nur 90%iger Ausgleich der Personalkosten realisierbar sein muss.

Die uns bisher bekannten Problemfälle aus dem Haushaltsentwurf der Landesregierung lassen sich nach unserer Einschätzung sehr wohl innerhalb des vorgeschlagenen Haushaltsvolumens kompensieren.

Daneben gibt es jedoch zwei Problemkreise, auf die das entweder gar nicht oder nur in beschränktem Maße zutrifft. Zum einen die Entwicklung des Personals. Das Problem des absehbaren Fachkräftemangels für den Landesdienst wird durch die Krise nicht aufgehoben. Der Sachverhalt, dass nur noch wenige Jahre ausreichend Bewerber für eine Vielzahl von Stellen im Landesdienst zur Verfügung stehen werden, muss auch in dieser Zeit von uns berücksichtigt werden. An einer Stelle, und zwar der deutlichen Ausweitung der Referendariatsstellen, wird diesem Problem erstmals Rechnung getragen. Aber solche Probleme existieren nicht nur in diesem Bereich. Die zusätzliche Einsparsumme von knapp 77 Mio. Euro im Jahr 2010 und über 100 Mio. Euro im Jahr 2011 in den Personalkosten durch eine Vielzahl von Bewirtschaftungsmaßnahmen erscheint uns in der Summe bisher weder plausibel noch zweckdienlich. Wir werden in den Haushaltsberatungen auf Klärung in diesem Zusammenhang drängen und verweisen darauf, dass auch hier die Folgekosten von mangelndem Landespersonal deutlich höher sein können als die aktuellen Personalkosten. Bei der Personalentwicklung ist es ähnlich wie beim Hochwasserschutz. Wenn die Probleme für jeden deutlich sichtbar und spürbar werden, ist es für eine haushaltspolitische Reaktion zu spät.

Das gravierendste Problem dieses Haushaltsentwurfes ist jedoch die Summe für den kommunalen Finanzausgleich. Damit meine ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht die intensive Diskussion um die Art und Weise der Verteilung der Finanzmasse, sondern die Höhe der Summe. Die inhaltliche Ausgestaltung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) ist ein kompliziertes und weites Feld, das an anderer Stelle intensiv beackert werden darf. Mir geht es hier lediglich um die finanzielle Situation der Kommunen im ganzen.

Dazu benötigen wir einen Blick auf die eigenen Steuereinnahmen der Kommunen. Wir lassen bei dieser Betrachtung Abgaben und Gebühren außen vor, weil diese zweckgebunden erhoben werden. Diese Steuereinnahmen der Kommunen in Sachsen-Anhalt reduzieren sich von 2008 zu 2010 um sage und schreibe knapp 15 %, um rund 190 Mio. Euro. Schon in diesem Jahr werden sich diese Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr laut Prognose um rund 170 Mio. Euro verringern.

Wie sieht es nun bei der zweiten Steuereinnahmequelle der Kommunen in diesem Land, dem FAG, aus? Dort bekommen die Kommunen einen Rückgang von 1,714 Mrd. Euro im Jahr 2009 auf 1,502 Mrd. Euro im Jahr 2010 zu spüren, einen Rückgang von über 12 %. Dieser Rückgang errechnet sich zum einen aus der Reduzierung im Ansatz des FAG und der Rückzahlung von Überzahlungen aus dem Jahr 2009 in Höhe von rund 80 Mio. Euro. Addiert man jetzt die wesentlichen Einnahmen der Kommunen aus den eigenen Steuern und dem Finanzausgleich, müssen wir dort einen Rückgang um rund 14 % im Vergleich zwischen den Jahren 2008 und 2010 konstatieren. Und jetzt wird das zentrale Dilemma dieses Landeshaushaltes deutlich. Denn die Kommunen haben - anders als das Land Sachsen-Anhalt - keine Chance, diese Differenz über eine Nettoneuverschuldung auszugleichen. Die Reduzierung der eigenen Ausgaben um eben diese 14 % ist vor allem vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung im Bereich des SGB II und der Jugendhilfe völlig illusorisch, es sei denn, wir nehmen bewusst in Kauf, dass die politische Stabilität, die das Land mit Hilfe der Nettoneuverschuldung gewährleisten will, durch krisenhafte Einschnitte im Bereich der Kommunen konterkariert wird, denn auch die haben bspw. steigende Personalkosten und massenhaft Rechtsverpflichtungen, die sie einhalten müssen.

Übertragen auf unseren Landeshaushalt, würde eine solche Haushaltsreduzierung bedeuten, dass wir für das Haushaltsjahr 2010 mehr als 1 Mrd. Euro weniger zur Verfügung hätten, als der Entwurf der Landesregierung vorschlägt. Nur dann würden wir, gemessen an dem Haushaltsvolumen 2008, eine solche Reduzierung, wie sie von den Kommunen abverlangt wird, auch bei uns umsetzen. Ich glaube, dass niemand hier in diesem Raum ernsthaft eine solche Reduzierung für die Haushaltsplanberatung ins Auge fasst. Wenn wir es aber nicht tun, ist es nicht nur schlechter Stil, eine solche Reduzierung von den Kommunen zu verlangen. Ja, sie ist dort auch schlechtweg unmöglich.

Die Folge eines solchen Finanzausgleichsgesetzes vor diesem Hintergrund wird die massive Infragestellung der Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge vor Ort sein, nur mit dem Unterschied, dass wir diese Aufgabe dann kommunalen Vertretungen überlassen und unsere Weste weitestgehend weiß bleibt. Und dann irritiert es mich schon, wenn bspw. beim Verbandstag der Wohnungswirtschaft bejubelt wird, dass man die Landesfinanzierung der Städtebauförderung vor dem Finanzministers gerettet hat, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, dass die kommunale Kofinanzierung solcher Programme einfach nicht mehr da ist und die Einstellung dieser Mittel im Landeshaushalt dadurch nur einen Placebo-Effekt hat.

Einen anderen Weg, den die Kommunen gehen werden, ist die weitere Erhöhung der Kassenkredite. Die Absenkung der FAG-Zuweisungen bei gleich bleibendem Aufgabenbestand führt sehr wohl zur Nettoneuverschuldung. Allerdings - und darauf hat der Präsident des Landkreistages, Herr Ermrich in Stendal hingewiesen - nicht im Land, sondern bei den Kommunen über die Erhöhung der Kassenkredite. Nun kann man kurzzeitig so tun, als würde uns das alles nichts angehen, aber wir wissen, dass überschuldete Kommunen sehr bald im Landeshaushalt wieder aufschlagen und letztlich fast die gleiche Bedeutung gewinnen, wie die erneute Nettoneuverschuldung im Landeshaushalt.

Zusätzliche Brisanz gewinnt die kommunale Finanzsituation noch durch die Systemumstellung im nächsten Jahr. Nach Logik des Innenministeriums benötigen die Kommunen im Jahr 1,582 Mrd. Euro zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben. Da aber von dieser Summe 80 Mio. Euro für die Überzahlung aus dem Jahr 2009 abgezogen werden, stehen diese überhaupt nicht zur Verfügung und müssten nach der Logik der Systemumstellung eigentlich in diesem Jahr angespart werden - in eben diesem Jahr, in dem die Kommunen bereits 170 Mio. Euro im Bereich der eigenen Steuern verlieren. Sie können ja gern in Ihren Heimatkommunen einmal nachfragen, wer in diesem Jahr solche Rücklagen gebildet hat.
Diese Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass meine Fraktion unseren Beschluss aus dem Jahr 2007 beibehalten hat, den Kommunen in den Folgejahren wenigstens die FAG-Summe zur Verfügung zu stellen, die sie 2009 bekommen haben. Das bedeutet für die Kommunen des Landes immer noch, dass sie ihr Ausgabevolumen innerhalb von zwei Jahren auf Grund der sinkenden eigenen Einnahmen um rund 6 % absenken müssen, also viel stärker, als wir das im Land machen.

Wir wissen, dass unser Vorschlag eine Differenz zum vorliegenden Ausgabevolumen von über 200 Mio. Euro für das Jahr 2010 bedeutet. Wir wissen auch, dass es absolut illusorisch ist, eine solche Summe aus dem vorliegenden Haushaltsentwurf heraus zu sparen. Eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung ist deshalb unumgänglich. Aber sie ist die logische Konsequenz, wenn wir verhindern wollen, dass die Kommunen selbst Gegenstand der Krise werden bzw. diese Nettoneuverschuldung des Landes in Kassenkrediten der Kommunen versteckt wird. Und sage bitte niemand, dass eine Neuverschuldung von 660 Mio. Euro im Jahr 2010 Ausdruck nachhaltiger Konsolidierung und 880 Mio. Euro der Untergang von Sachsen-Anhalt ist.

Ein weiterer Aspekt des Haushaltsentwurfes, der kritisch hinterfragt werden muss, ist der Verzicht auf Drittmittel von Bund und EU mit dem Ziel, Eigenanteile zu sparen. Wenn ich hier sage „kritisch hinterfragt“, ist das ausdrücklich nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung im Einzelfall. Die Fördermittelvergaben des Bundes und der EU haben auch gegenüber dem Land letztlich die Funktion goldener Zügel. Sie sollen das Land dazu bringen, Eigenmittel für politische Ziele auszugeben, die unter Umständen nicht unsere eigenen politischen Schwerpunkte sind. Vor diesem Hintergrund kann es sehr wohl angebracht sein, auf ein solches Angebot zu verzichten. Dabei gilt es jedoch, zwischen den unterschiedlichen Fördermitteln zu differenzieren. Vor allem die Mittel der EU zeichnen sich gegenüber den Fördermitteln des Bundes durch eine höhere Flexibilität und einen geringeren Eigenfinanzierungsanteil aus. Gerade deshalb war es in der Vergangenheit eher schädlich, wenn umstrittene öffentliche Ausgaben mit dem Argument begründet worden sind, dass es ja nur EU-Gelder wären, die man hier verbraucht hat. Uns ist durchaus bewusst, dass der Einsatz von EU-Mitteln nach der Bewilligung der operativen Programme relativ fixiert ist. Trotzdem werden wir in den Haushaltsberatungen Lösungen anstreben, auch diese Mittel für das Land so effektiv wie möglich und für den Landeshaushalt schonend einzusetzen. Eines dürfte aber klar sein: Solche Imagekampagnen wie die Frühsaufsteher oder die Ökumenta, verbieten sich in dieser Haushaltssituation für die nächsten beiden Jahre.  

Nicht nur durch den im Einzelfall notwendigen Drittmittelverzicht sinkt die Investitionsquote des Landes in den nächsten Haushaltsjahren deutlich. Aber auch dies, das sagen wir ganz klar, ist vor dem Hintergrund des beschriebenen Rahmens unumgänglich, selbst dann, wenn es immer schwieriger wird, bestehende Infrastrukturen im notwendigen Maße zu erhalten. Gerade deshalb ist es aber notwendig, bei der Fördermittelvergabe strengere Maßstäbe als bisher anzusetzen. Wenn wir bspw. auf der letzten Landtagssitzung erfahren haben, dass trotz unmittelbarer Konkurrenz in den Nachbarorten 10 Mio. Euro für den Neubau eines Spaß- oder Wellnessbades in der Stadt Thale bereitgestellt werden und dies auch noch Kosten in Höhe von fast einer halben Mio. Euro pro Jahr für die Stadt bedeutet, scheinen hier Dinge wirklich verzichtbar zu sein. Zumindest gemessen an den Maßstäben, die sonst an Haushaltsausgaben angelegt werden.

Ein weiterer Bestandteil dieses Krisenhaushaltes ist die Erschließung neuer Abgaben und Steuern für den Landeshaushalt. An dieser Stelle macht Not erfinderisch. Natürlich kann man mit solchen Maßnahmen keine Blumentöpfe gewinnen, es sei denn, sie werden mit ihrem Inhalt hinterher geworfen, aber auch an dieser Stelle muss den Rahmenbedingungen Rechnung getragen werden. Außerdem macht bspw. die Wasserentnahmegebühr deutlich, dass uns Naturressourcen keineswegs umsonst zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird diese Abgabe auch in anderen Bundesländern erhoben, so dass es an dieser Stelle keine Wettbewerbsverzerrung gibt. Bedingung ist jedoch, dass diese Abgabe alle trifft, keine Ausnahmeregelungen für die Wirtschaft erlassen werden und dass diese Mittel auch zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie eingesetzt werden.

Ähnlich bewerten wir die vorgeschlagene Erhöhung der Grunderwerbssteuer in Sachsen-Anhalt um einen Prozentpunkt. Bei allen Argumenten, die dagegen sprechen, muss eindeutig berücksichtigt werden, dass die Immobilienpreise in Sachsen-Anhalt weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen und mit dieser einprozentigen Erhöhung der Grunderwerbssteuer dieser Wettbewerbsvorteil des Landes keineswegs aufgehoben wird.

Ich habe am Anfang meiner Rede gesagt, dass ein Haushalt unter diesen Rahmenbedingungen nicht wirklich gut sein kann. Ich garantiere Ihnen jedoch, dass wir uns intensiv an den Beratungen beteiligen werden mit dem Ziel, eine deutliche qualitative Verbesserung zu erzielen. Das betrifft zu aller erst die kommunale Finanzausstattung.

Gleichzeitig werden wir aber nicht nur hier darauf hinweisen, wie wichtig eine steuer- und haushaltspolitische Umkehr in dieser Bundesrepublik ist. Es ist nach wie vor kaum zu glauben, wie eine Landesregierung, die gezwungen ist, solch einen Haushalt vorzulegen, gleichzeitig einer Schuldenbremse im Bundesrat zustimmt. Wer solch einen Haushalt vorlegt, muss doch im Interesse des Landes steuerpolitische Vorschläge unterbreiten, die einen vernünftigen Ausgleich zwischen Ressourcen und Aufgaben der öffentlichen Hand ermöglichen. Meine Partei hat dazu Vorschläge unterbreitet, die dieses Ziel sozial gerecht, also ohne Mehrwertsteuererhöhung, erfüllen können.

Der vorliegende Doppelhaushalt der Landesregierung beweist mit seinen Kürzungen auf der einen und der Neuverschuldung auf der anderen Seite, wie richtig und wichtig diese Forderungen sind. Nur bei einer wirklichen Änderung der Rahmenbedingungen können wir gestaltende Politik in Angriff nehmen und mehr tun, als nur den Mangel zu verwalten.