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Uwe Heft zu TOP 01: Regierungserklärung des Ministers für Landesentwicklung und Verkehr Dr. Karl-Heinz Daehre zum Thema: „Neue Wege in der Verkehrspolitik“

Die heutige Regierungserklärung geht auf neuen alten Wegen in der Verkehrspolitik und sollte Lösungen für die im System liegenden Probleme im Straßen-, Schienenverkehr und der Schifffahrt offerieren.

Gleichzeitig kann das Grundanliegen Neue Wege in der Verkehrspolitik zu finden nicht in der Verstetigung des Status Quo sein. Neue Wege in der Verkehrspolitik können nicht nur durch die Implementierung neuer Technologien, wie sie u. a. die Telematik bietet beschritten werden. Neue Technologien bieten die Chance zur koordinierten Steuerung und Lenkung der Verkehrsströme. Zur Lösung und Verbesserung des Status Quo tragen diese Technologien nur minimal bei. Sie doktern an den Symptomen herum ohne wirklich zu heilen. Es werden lediglich Daten erfasst und verarbeitet. Sie sind lediglich Mittel zum Zweck.

Jedoch allein mit diesen neuen Technologien, sei es Galileo, MOSAIC, Vagabund INVENT u. a. werden neue Wege in der Verkehrspolitik nicht zum Ziel führen.

 Neue Wege in der Verkehrspolitik, diese dürfen nicht nur in Beton gegossen werden, diese müssen vor allem in den Köpfen der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und den Verbänden beschritten werden.

Wenn neue Wege in der Verkehrspolitik beschritten werden, darf der tägliche Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs nicht mehr abgewickelt oder bewältigt werden. Neue Wege in der Verkehrspolitik müssen Wege zur Gestaltung des Verkehrs, müssen Wege zur Sicherung einer angemessenen und sozial verträglichen Mobilität für jeden Bürger losgelöst und unabhängig von dessen Portemonnaie sei. Neue Wege in der Verkehrspolitik müssen vor allem auch Wege zur Gestaltung und Sicherung der Nahmobilität der Menschen sein.

Das Credo kann zukünftig nicht mehr in Beschleunigung und Geschwindigkeit liegen.Es kommt künftig darauf an anzukommen und nicht schnell zu sein.

Neue Wege in der Verkehrspolitik müssen einhergehen mit einer neuen Kultur der Mobilität.

Die Akzeptanz künftiger Verkehrs- oder besser Mobilitätspolitik wird daran gemessen,

  1. wie flüssig werden die Verkehrsabläufe gestaltet und gesichert,
  2. wie verändert sich trotz wachsender Verkehrsleistung die Lebensqualität der Menschen,
  3. setzen die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und den Verbänden Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im System um, oder setzen alle nur auf Geschwindigkeit,
  4. wie zugänglich sind die einzelnen Verkehrsträger im System und untereinander,
  5. welchen Umgang, welche Kommunikation pflegen die Beteiligten im System.

 

Eine Fehlleistung in Kommunikation und Management und damit von vornherein fehlende Akzeptanz bei der Beschreitung vermeintlicher neuer Wege in der Verkehrspolitik waren Äußerungen des scheidenden Vorstandsvorsitzenden der DB AG  Mehdorn, seines Nachfolgers Hr. Grube als auch des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück zur Zukunft der DB AG. Alle drei äußersten unisono mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise, dass am Börsengang der Verkehrssparte der DB AG (Personennah- und –fernverkehr und Güterverkehr) keine Alternativen vorbei führen. Auch wenn Hr. Grube aktuell in verschiedenen Zeitschriften zitiert wird, der Börsengang der DB AG ist kurz- bis mittelfristig nicht auf der Tagesordnung, so ist die Absicht dies bei akzeptablen Umfeld zu vollziehen - so Hr. Grube - damit längst nicht hinfällig. Das Festhalten am Verkauf auch nur von Teilen der DB AG an so genannte Investoren mit oder ohne Börsengang der DB AG ist für DIE LINKE inakzeptabel.

Bundesregierung und Bahnvorstand müssen den Mut aufbringen, das deutliche Verfehlen aller Ziele der Bahnreform von 1994 anzuerkennen und dies in praktische Politik zur Sicherung der eigentlichen Aufgabe der Bahn umzusetzen.

Die Bundesregierung und das Bahnmanagement können sich ja zur Wahrung der Rechtssicherheit und des Burgfriedens langsam und mit ausgesuchtem Vokabular an diese Situation herantasten. Zu empfehlen wäre z. b. dass die Ziele ehrgeizig und anspruchsvoll ihrer Zeit etwas voraus gesteckt wurden. Oder, um den deutschen Adel zu zitieren, den Menschen muss man nur erklären, damit sie verstehen und akzeptieren.

Im Verlauf von 16 Jahren Bahnreform wurde weder nachhaltig Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegt, noch wurden die öffentlichen Haushalte nachhaltig entlastet. Vom Wettbewerb auf der Schiene ganz zu schweigen. Dieser findet ausschließlich im Vorfeld statt und ist rein fiskalischer Natur. Die Tatsachen sprechen Bände.

Die Entwicklung der Verkehrsleistung im Güterverkehr spricht für die Politik seit dem Inkrafttreten der Bahnreform ein vernichtendes Urteil.

Lassen Sie mich dies mit einigen Beispielen belegen.

1993 betrug die Verkehrsleistung im Straßengüterverkehr ca. 251 Mrd. tkm. Diese wuchs bis 31.12.2008 auf ca. 473 Mrd. tkm. Ein Zuwachs um 88 %. Das Bundesministeriums für Verkehr Bau und Stadtentwicklung prognostiziert bis 2030 weitere 234 Mrd. tkm bis 2050 nochmals 166 Mrd. tkm. Ein weiterer Zuwachs von mehr als 84 % gegenüber dem Jahr 2008 und mehr als 247 % gegenüber dem Basisjahr dem Inkrafttreten der Bahnreform 1994.

1993 betrug die Verkehrsleistung im Schienengüterverkehr ca. 66 Mrd. tkm, ¼ des Straßengüterverkehrs. Diese wuchs bis 31.12.2008 auf ca. 116 Mrd. tkm. Ein Zuwachs um 76 %. Das Bundesministeriums für Verkehr Bau und Stadtentwicklung prognostiziert bis 2030 weitere magere 54 Mrd. tkm bis 2050 nochmals lediglich 57 Mrd. tkm. Auf äußerst niedrigem absolutem Niveau wird der Vorrang des Straßengüterverkehrs gegenüber dem Schienengüterverkehr manifestiert und wird sich nach den bekannten Szenarien auf steigendem Niveau manifestieren.

Dies trotz alarmierender Prognosen für stetig steigenden Güterumschläge in den deutschen Nord- und Ostseehäfen in Folge der Globalisierung.

Ähnlich stellt sich die Veränderung der Verkehrsleistung im Personenverkehr dar. Einem Zuwachs in der Verkehrsleistung im Zeitraum 1993 – 2007 von ca. 19 Mrd. Pkm mit öffentlichen Verkehrsmitteln incl. Schienenpersonenfern- und –nahverkehr stehen ca. 145 Mrd. Pkm im motorisierten Verkehr gegenüber. Gleichzeitig verursachte der Straßengüterverkehr im Betrachtungszeitraum um ca. 50 % höhere Treibhausgasemissionen.

Die Entwicklung der entsprechenden Infrastruktur folgt exakt diesem Szenario. Zwar werden in den Erhalt der Infrastruktur in Straße und Schiene entsprechend dem geltenden Bundesverkehrswegplan etwa gleiche Beträge investiert. Jedoch werden 56 % mehr finanzielle Mittel in den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen investiert als in den Neu- und Ausbau von Schienenwegen.

Dies trotz alarmierender Prognosen für stetig steigenden Güterumschlag in den deutschen Nord- und Ostseehäfen in Folge der Globalisierung.

Anstatt zügig und zielstrebig in nennenswerter Größenordnung in den Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur zu investieren, um gerade im Güterverkehr künftige Herausforderungen zu meistern, fließen Mrd. € in verkehrspolitisch fragliche und für die Sicherung der Mobilität nicht erforderliche Prestigeobjekte.

Seien es die Autobahnneubauten A 14 Magdeburg-Schwerin, Nordverlängerung der A39, Verlängerung der A71 von Sangerhausen bis Bernburg oder Bahnhöfe wie Stuttgart 21 und ICE-Strecken wie Nürnberg-Halle/Leipzig-Berlin.

Es genügt allerdings nicht, lediglich genügend finanzielle Mittel zum Ausbau der Infrastruktur bereitzustellen. Wenn tatsächlich neue Wege in der Verkehrspolitik gegangen werden sollen, muss die Bereitstellung finanzieller Mittel für den Ausbau der jeweiligen Infrastruktur mit ordnenden Maßnahmen begleitet werden. Geld allein macht nicht glücklich. Auch die finanzielle Entlastung der öffentlichen Haushalte wurde deutlich verfehlt.

Gegenwärtig werden aus dem Bundeshaushalt jährlich mehr als 10 Mrd. € nur für den Schienenpersonennahverkehr ausgegeben. Darin ist der Neubau von Schienenwegen nicht enthalten. Im Gegenteil die Reduzierung des gegenwärtigen Bestandsnetzes um 2000 km wird in diesem Betrag durch den Eigentümer der Bahn dem Bund noch gebilligt und sanktioniert.

Neue Wege in der Verkehrspolitik beim Verkehrsträger Schiene zu gehen heißt auch, die vertikale Trennung bei den bundeseigenen Bahnen konsequent zu vollziehen und auch gegen den Willen des Bahnmanagements und anderer Interessengruppen durchzusetzen. Die Chimäre der Einheit von Rad und Schiene existiert immer dann wenn es für deren Protagonisten politisch und für das Bahnmanagement betriebswirtschaftlich brauchbar ist. Volkswirtschaftlich sinnvoll ist diese Einheit unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht.

Die Politik hat die Aufgabe und die Pflicht im Bereich der Sicherung einer ausgewogenen Mobilität insbesondere Art. 20 das Sozialstaatsgebot i. V. mit Art 87e Absatz 4 die Daseinsvorsorge bundeseigener Eisenbahnen zur Gewährleistung einer angemessenen Mobilität zu beachten und zu erfüllen.

Die gegenwärtige Straßeninfrastruktur – so sie denn instand gesetzt ist und instand gehalten wird - genügt den gegenwärtigen und künftigen Anforderungen zur Sicherung einer angemessenen und sozial ausgewogenen Mobilität. Der Neubau von Bundesfernstraßen auch angesichts der bereits gezeichneten Szenarien ist volkswirtschaftlich weniger nutzbringend als der Erhalt des Bestandes. Flankiert werden muss dies u. a. durch eine systemimmanente Gleichbehandlung aller Verkehrsträger und Verkehrsteilnehmer. So kann in den zentralen Orten die Bevorrechtigung der Nahmobilität zu einem volkswirtschaftlich sinnvollen und gewollten Gewinn für die regionale Wirtschaft führen. Ca. 90 % aller Verkehre im Straßengüterverkehr finden in einem Radius von 50 – 100 km statt.

Mehr als 80 % aller in den zentralen Orten mit motorisiertem Verkehr zurückgelegten Wege bewegen sich in einem Korridor von 2 – 5 km und sind ausschließlich innerörtliche Verkehre. Hinzu kommen die entsprechende Förderung öffentlicher Verkehre und die Reduzierung Verkehrserzeugender staatlicher Subventionen und paralleler regionaler Wirtschaftsförderung. Wenn neue Wege in der Verkehrspolitik beschritten werden, müssen sowohl die individuellen Freiheiten des motorisierten Verkehrs ebenso hinterfragt und korrigiert werden, wie die dabei gezahlten und Verkehrserzeugenden Subventionen.

Auf die gleiche Stufe - eine Lösung dieses Problems kann nur parallel erfolgen – gehört die Verkehrserzeugende staatliche Subvention wirtschaftlichen Handelns, z. B. bei der Verringerung der Fertigungstiefe in der Industrie.

Im Rahmen neuer Wege in der Verkehrspolitik gilt es den Nutzen der von staatlicher Seite ergriffenen Maßnahmen zur Organisation und Gestaltung des Verkehrs in den Vordergrund und Fokus jeglichen staatlichen Handelns zu stellen.

Auf diese Stufe gehört auch ein Sozialticket für öffentliche Verkehrsmittel in Sachsen-Anhalt. Um den Grundsatz von Fordern und fördern zu verwirklichen, darf die Politik nicht beim Fordern anhalten. Von den Menschen wird verlangt sich aus eigener Kraft um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen und dabei flexibel und mobil zu sein. Wenn aber gleichzeitig kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung steht, eine Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel in Sachsen-Anhalt durchschnittlich mehr als  40,00 € kostet und im Regelsatz für Menschen, welche von Hartz IV betroffen und auf Sozialtransfers angewiesen sind nur  16,42 € für Mobilität vorgesehen sind, wie und womit sollen der Mensch mobil und flexibel sein.

Ein Sozialticket für öffentliche Verkehrsmittel im Land Sachsen-Anhalt ist kein Almosen oder schon gar keine Subvention einzelner, sondern ein Rechtsanspruch zur Verwirklichung staatlicher Auflagen und Gewährleistung individueller sozialer Teilhabe.

Die gegenwärtige Politik der Kosten- und damit Belastungsbetrachtung führt volkswirtschaftlich in eine Sackgasse. Es ist das Phänomen staatlichen Handelns zu erkennen, dass für den Neu- und Ausbau von Verkehrswegen Geld keine Rolle spielt. Aktuell zu erkennen bei der Problemlösung der Kostenexplosion der Nordverlängerung der A14 oder dem volkswirtschaftlich nicht fundiert belegten Neubau des Saaleseitenkanals oder dem erst jüngst geforderten Elbeausbaus. Gleichzeitig sind alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung nicht in der Lage, ihrer Straßenbaulast entsprechend, die Infrastruktur in ihrer Zuständigkeit instand zu setzen oder – zu halten.

Kommunen klagen über fehlendes Geld für die Instandsetzung der Gemeinde- und Kreisstraßen, das Land ebenso zur Instandsetzung der Landesstraßen und der Bund für Bundesfernstraßen.

Neue Wege in der Verkehrspolitik müssen den Menschen in den Fokus jeglichen Handelns stellen. Verkehrspolitik darf nicht dem Geschwindigkeitsrauch erliegen, sondern Ziel einer aus Sicherung angemessener und sozial verträglicher Mobilität muss der ankommende Mensch sein. Alle Akteure im System, vorrangig die Politik, müssen sich auch gegen individuellen Partikularinteressen schnellstens dazu bekennen, welcher Straßen- Schienen-, Luft-, und Schiffsverkehr in der Gesellschaft erwünscht ist und welchen sich die Gesellschaft leisten will. Mit einem weiter so wie bisher werden neue Wege in der Verkehrspolitik mit Sicherheit nicht beschritten. Letztendlich kommt es darauf an Verkehr zu vermeiden, um die Mobilität aller zu gewährleisten.