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TOP 12: Konsultationsprozess zum EU-Haushalt aktiv mitgestalten

Wenn etwas in den Landtag gehört, dann sind es wohl Debatten über den Haushalt. Zugegeben nicht für alle das spannendste und leichteste Thema. Aber eben wichtig, weil Haushaltsentscheidungen in der Kompetenz der Legislative liegen und über die Höhe und spezifische Verteilung der Ein- und Ausnahmen grundlegende politische Inhalte gestaltet werden.

Heute geht es uns um die Reform des EU-Haushaltes. Dieses Thema wird wenigstens meine Kollegen aus dem Europaausschuss interessieren, ist es doch ein Schwerpunkt seiner Arbeit dieses Jahr.

Unter dem unscheinbaren Label eines „Konsultationspapiers“ hat die EU-Kommission im September 2007 das Dokument „Den Haushalt reformieren, Europa verändern“ veröffentlicht. Es geht um nicht weniger als die Analyse der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben - was soll überhaupt noch gefördert werden. Grundlegende politische Fragen. Für Sachsen-Anhalt geht es wie bei den anderen neuen Bundesländern um die Zukunft der Struktur- und Agrarförderung. Eigentlich erst für die Zeit ab 2013. Aber der unsägliche „Health-Check“ im Agrarbereich gibt schon mal einen Vorgeschmack, dass die EU-Haushalte 2008/2009 umgestrickt werden sollen – trotz fester Vereinbarungen bis 2013. Die Exekutiven in Bund und Ländern haben die Brisanz des EU-Finanzreform-Papiers sofort erkannt und  interministerielle Arbeitsgruppen und ad hoc-Gruppen eingesetzt, um sich Positionen zu erarbeiten. Viel Zeit ist nicht, am 15. April ist Deadline. Allerdings nur als technische Zeitsetzung für die erste Runde. Die Diskussion wird fortgesetzt werden mit Konferenzen im Mai durch Kommission und Europaparlament. Ende des Jahres will die Kommission abschließend Stellung nehmen.

Während wie gesagt die Exekutiven rödeln - am 8.2. haben die EuropaministerInnen beraten, schon am 6. März wollen sich die Ministerpräsidenten abschließend positionieren, ist die Organisation und Information der Legislative und der von den Haushaltsentscheidungen Betroffenen – Hochschulen, Gewerkschaften, KMU, Sozialeinrichtungen, Gewerkschaften usw. - gelinde gesagt - schwierig. Unter dem Thema „Europatauglichkeit“ hatten wir die Problematik der Einbeziehung und Mitbestimmung in EU-Fragen ja hier schon einmal diskutiert.

Nichtsdestotrotz haben wir in der Flut der LIV auch das Konsultationspapier gefunden und auf die Januar-Tagesordnung des Europaausschusses gebracht. Die Landesregierung hat auch berichtet, aber noch keine eigenen, landesspezifischen Positionen verraten. Auch wie der Diskussionsprozess ins Land getragen werden soll und wie sich die Landesregierung  über eine Meinungsbildung mit den Betroffenen den Rücken für ihre Positionierung stärken will, wurde nicht gesagt. Deshalb wollen wir heute noch einmal einen Anlauf wagen. Die Landesregierung wird es auf exekutiver Ebene schwer genug haben, spezielle Vorstellungen durchzubringen.

Laut Protokoll der Europaministerkonferenz im November 2007 wird eine abgestimmte Positionierung von Bund und Ländern zur EU-Finanzreform schwierig. Und auch innerhalb der Länder grüßt die Föderalismusreform II. Im Januar meinte der baden-württembergische Europaminister Willi Stächele (CDU), dass Deutschland zu viel an die EU zahle. Demzufolge solle also die EU-Finanzreform durch weniger Einnahmen der EU gestaltet sein. Welche Folgen das für die Empfänger-Regionen der EU-Mittel hat, dürfte klar sein. Die Einnahme-Frage wird sich also massiv stellen.

Dabei ist der Gesamtumfang des EU-Haushaltes schon so gering, dass damit eine für die BürgerInnen und Bürger sichtbare Gestaltung der Union als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gemeinschaft nicht möglich ist. Die Eigenmittelobergrenze von 1,24 % des EU-weiten BNE für Zahlungen ist schon Mitte der 1990er Jahre festgeschrieben und seitdem beibehalten worden. Sie wurde überdies – wie die Kommissionsvorlage zeigt – nicht einmal ausgeschöpft, und diese Unterausschöpfung soll offensichtlich in Zukunft noch zunehmen. Die tatsächlich geleisteten Zahlungen lagen 2000-2007 bei 0,92 %. Die Philosophie des maximalen Sparens ist offensichtlich zur obersten politischen Priorität geworden und hat die Frage nach den politischen Zielen und Gestaltungsmöglichkeiten verdrängt, die mit dem Haushalt der EU verfolgt und umgesetzt werden sollen. Diese Haltung ist angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme in der EU völlig unangemessen und kontraproduktiv. Wenn der dramatische Verfall des Ansehens und der Legitimität der EU in den Augen vieler Menschen gestoppt werden soll, muss die Union auf diesen Problemfeldern aktiv und erfolgreich agieren. Zu den besonderen Herausforderungen für die EU gehören in diesem Zusammenhang - der Kampf gegen die alarmierende Zunahme der Armut, insbesondere der Kinderarmut in den meisten Ländern der EU. Hier reichen keine Appelle an die Mitgliedsländer, sondern die EU muss die Anstrengungen der Mitgliedsländer auch durch finanzielle Transfers unterstützen. Das Argument der fehlenden Zuständigkeit der EU für die Sozialpolitik kann durch den Hinweis relativiert werden, dass die EU in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik, für die sie auch nicht zuständig ist, durchaus (über die „offene Methode der Koordinierung“) mit Erfolg politischen Druck auf die Mitgliedsländer ausgeübt hat. Des weiteren ist der Umbau der Industriegesellschaften zu einem ökologisch verträglichen Entwicklungsmuster anzugehen. Es ist zwar in der letzten Zeit viel von den Problemen und den Bedrohungen durch den Klimawandel geredet worden, aber tatsächliche Maßnahmen auf EU-Ebene sind weitgehend ausgeblieben. „Nachhaltiges Wachstum“ ist zwar das erste der vier Prioritätsfelder in der Finanziellen Vorausschau von 2005, dabei steigen die Mittel für Förderung der Wettbewerbsfähigkeit um 52 %, die für Kohäsion jedoch nur um 6 %. Die Mittel der Kategorie 2 „Nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen“ sinken zwischen 2007 und 2013 um 7 % und werden zu einem erheblichen Teil für den Ausbau der Atomenergie verwendet. Drittens ist die mittelfristige Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch antizyklische Konjunkturpolitik anzugehen. Die EU ist hier besonders bei sogenannten asymmetrischen Schocks gefordert, die jeweils nur einzelne Mitgliedsländer betreffen und aus eigenen Mitteln nicht wirksam bekämpft werden können.  Es ist daher zu überlegen, den Haushalt der EU mittelfristig auf ein Niveau von 3 % des EU-BNE anzuheben.

Es kann dabei den Mitgliedsländern überlassen bleiben, wie sie intern die Mittel zur Aufbringung einer EU-Steuer refinanzieren. Das kann durch Erhöhung der bereits bestehenden Steuern, durch Abführung von Anteilen an diesen bestehenden Steuern oder durch die Einführung von neuen Steuern geschehen. Für letzteres eignet sich insbesondere eine Steuer auf Transaktionen an den Finanzmärkten (Börsenumsatzsteuer für Sekundärtransaktionen, Derivatesteuer o.ä.) oder auch eine Steuer auf den Energieverbrauch. Da die einkommensärmeren Länder von der zweiten Variante erheblich profitieren, muss vereinbart werden, dass sie auf aggressive Konkurrenz bei Steuern auf Kapitaleinkommen und Unternehmensgewinne verzichten und Mindeststeuersätze auf einer harmonisierten Bemessungsgrundlage einführen.

Es ist eine grundlegende politische Frage, ob die sich abzeichnende Ausrichtung der EU richtig ist, mehr Geld für die EU-Außenpolitik wie Polizei-Einsätze im Kosovo oder im Tschad oder auch Mittel für das Satellitenprojekt GALILEO einzusetzen. Oder – so wie wir meinen, besser die Mittel zur Bekämpfung von sozialer Ungleichheit und der Armut in der EU zu verwenden.