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TOP 10: Berichterstattung zur Sicherung annähernd gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung

Gebühren und Beiträge beschäftigen nicht nur kommunale Verwaltungen sondern auch in zunehmendem Maße die Bürgerinnen und Bürger, wirtschaftliche Unternehmen sowie kommunale Vertretungen.

Waren nicht zu erst die wiederholten Heilungsversuche des Landesgesetzgebers im Rahmen der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes Anfang der 90’er Jahre des vorigen Jahrhunderts Gründungsfehler der Zweckverbände zu korrigieren, aber auch die Ende der 90’er Jahre beschlossenen Liquiditäts- und Sanierungshilfen für in Not geratende Zweckverbände ein Versuch, die Gebühren- und Beitragsbelastung der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen zu halten. Vorgeschaltet waren betriebswirtschaftliche Überprüfungen seitens der zuständigen Landesbehörde in fast allen Wasser- und Abwasserzweckverbänden.

Bereits im Jahr 1996 fasste der Landtag von Sachsen-Anhalt auf Antrag der damaligen PDS-Fraktion den Beschluss, dezentrale Lösungen der Abwasserbeseitigung gleichrangig zu zentralen Lösungen zuzulassen. Was ausblieb war jedoch die tatsächliche Umsetzung dieses Beschlusses und Genehmigung dezentraler Lösungen auch seitens des zuständigen Fachministeriums. Anstatt eine grundlegende Korrektur der Abwasserzielplanungen vorzunehmen, wurde versucht, die damals schon zum Teil unwirtschaftlich arbeitenden Zweckverbände der zentralen Abwasserbeseitigung durch Zwangsanschlüsse von Gemeinden zu ertüchtigen. Damit wurde in Kauf genommen, dass kilometerweite Rohranlagen, Druck- und Hebestationen gebaut wurden, deren Bemessung oft nicht mehr dem tatsächlichen Verbrauch bzw. der demografischen Entwicklung entsprechen. Die Faustregel, wonach eine Leitung über 5 Kilometer nicht mehr betriebswirtschaftlich rentabel ist, wurde bei den Entscheidungen oftmals nicht berücksichtigt.

Mittlerweile müssen sowohl Wasser- als auch Abwasserleitungen zwangsgespült werden, liegen in einigen Städten, insbesondere auf Grund der sparsamen Verbrauchs, der demografischen Entwicklung aber auch des Stadtumbaus in der Wasserversorgung über 10 Tage zwischen Einspeisung und Entnahme. Folglich muss, um Gesundheitsgefährdungen in den Sommermonaten entgegen zu wirken, Chlor beigemischt werden.

Im Übrigen wurde die Fortschreibung der Abwasserbeseitigungsplanung immer zu dem Zeitpunkt getätigt, wo durch Kommunalwahlen die alten Kreistage nicht mehr zuständig, die neuen Kreistage jedoch gerade erst konstituiert waren. Damit wurde eine Einflussnahme durch die gewählten Mandatsträger faktisch ausgeschlossen. Nunmehr, also nach über 14 Jahren ist festzustellen, dass die Gebühren- und Beitragsspreizungen zwischen den einzelnen Zweckverbänden nicht ab, sondern zugenommen haben. Dies führt zu erheblichen Ungleichgewichten in der Belastung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch zu Standortnachteilen für die Ansiedlung neuer und die Sicherung des Bestandes bestehender Unternehmen.

Das eben geschilderte ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite der Medaille besteht im Gebühren- und Abgabenrecht, also in der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung kommunaler Infrastruktur in diesem Bereich.

Um es gleich von Anfang an auszuschließen, möchte ich betonen, dass sich die LINKE nicht gegen eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ausspricht.

Was wir fordern ist jedoch eine hohe Transparenz der Gebühren- und Beitragskalkulation, eine aktive Bürgerbeteiligung und eine verlässliche und bestandskräftige Bescheidung sowie eine stärkere fachaufsichtliche und betriebswirtschaftliche Betreuung der Zweckverbände.

Im Rahmen zahlreicher Petitionen sowie Veranstaltungen mit Bürgerinnen und Bürger mussten wir feststellen, dass die Transparenz der Entscheidungen und Berechnungsgrundlagen in vielen Fällen nicht gegeben ist, dass das Kommunalabgabengesetz nicht ein am Vorteil des Einzelnen ausgerichtetes Gesetz, sondern in erster Linie ein Einnahmebeschaffungsgesetz – man kann auch Steuergesetz sagen – zum Ausgleich fehlender Refinanzierung staatlicher Aufgaben durch das Land an die Kommunen ist.

Einige Beispiele:

  • so beträgt die Grundgebühr in vielen Fällen schon mehr als zwei Drittel der tatsächlichen Gebühr,
  • werden Mindestverbräuche festgelegt, die dem ressourcensparendem Verhalten der Bürger entgegenstehen (30 bis 100 qm/a), obwohl festzustellen ist, dass im ländlichen  Raum teilweise die Jahresverbräuche im Abwasserbereich unterhalb von 25 qm/a und Person liegen,
  • werden Gebührennacherhebungen, wie im WWAZ für das Jahr 2006, von 25 bis 27 Cent erlassen, die Portogebühr jedoch bei 55 Cent pro Brief um die Hälfte höher ist, geschweige die Einrechnung des Verwaltungsaufwandes,
  • werden im Rahmen von Haushaltskonsolidierungen und Verfügungen der Kommunalaufsichten Nacherhebungen rückwirkend bis Juni 1991 für Abwasseranschlussbeiträge erhoben,
  • brüsten sich Zweckverbände in Einwohnerversammlungen, so der Zweckverband „Ostharz“, AZV „Mittlere und Untere Selke“ auf einer Veranstaltung am 1.03.2007 in Nachterstedt damit, dass bereits 5 Eigentümer auf Grund von Zahlungsunfähigkeit ihr Eigenheim verkaufen mussten,
  • werden Sicherungshypotheken in die Grundbücher eingetragen, Konten gepfändet und somit Eigentümer zur Aufgabe ihres Eigentums genötigt. Der Grundsatz der Einnahmebeschaffung nach § 91 Absatz 1 der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt - auf die Wirtschaftskraft der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen – wird nicht nur schlicht ignoriert, nein es wird so getan als ob er nicht existiert, denn spätestens im Rahmen der Haushaltskonsolidierung wird den Kommunen durch die Kommunalaufsicht auferlegt abzukassieren.


Die Liste der Beispiele könnte ich auf Grund meiner Kenntnisse und Erlebnisse vor Ort noch um ein Vielfältiges verlängern. Keine Angst, meine Damen und Herren der Koalition, für heute soll es erst einmal genügen.

Nun zum Antrag auf Berichterstattung. Um die Fragen im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung betriebswirtschaftlich langfristig sicherzustellen und dabei dem Grundsatz des sparsamen Ressourcenverbrauchs und der Sicherung annähernd gleichwertiger Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, ist aus der Sicht der LINKEN eine klare Analyse des Ist-Zustandes vorzunehmen.

Gegenstand dieser Analyse sollen u. a. sowohl die planungsrechtlichen, betriebswirtschaftlichen sowie beitrags- und gebührenrechtlichen Belange sein. Diese sind im Kontext zur demografischen Entwicklung und der zukünftigen Gemeinde bzw. vorhandenen neuen Kreisgebietsstruktur neu zu ordnen. Jedoch ist auch darzustellen, wie durch fach- sowie kommunalaufsichtliche Tätigkeit und verstärkte Rechnungsprüfung die Handlungsfähigkeit der Zweckverbände langfristig gesichert werden kann. Ein weiterer und für die Bürger unseres Landes wichtiger Schritt wäre eine Überarbeitung des Kommunalabgabengesetzes. Ich denke, dass die Erfahrungen der Länder Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durchaus geeignet wären, Nachjustierungen in der sachsen-anhaltischen Gesetzgebung anzustreben. Für die Bürger und Eigentümer sind hierbei besonders Regelungen der aktiven Einflussnahme, der Transparenz der Planungs- und Gebührenunterlagen sowie der Bestandssicherheit von Bescheiden sehr wichtig. Und hierbei geht es nicht allein um die betroffenen Eigentümer sondern auch und besonders um zukünftige Entwicklungschancen für die Ansiedlungs- und Standortsicherheit.