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TOP 08: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung

Uns liegen heute zwei Beratungsgegenstände zur Diskussion vor, die sich mit schwierigen Fragen auseinandersetzen und entsprechend keine einfachen Antworten parat halten.

In dem uns vorliegenden Gesetzentwurf geht es um den Schutz von Kindern, vor allem um den Schutz von Kindern vor Gewalt oder Vernachlässigung in ihrer Familie, das hat ohne Zweifel eine besondere Brisanz.

Und in dem Antrag der FDP-Fraktion geht es um eine Positionierung der Landesregierung aber auch des Landtages hinsichtlich der Aufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung.

Eines haben beide Vorlagen zumindest gemeinsam: Es geht um Kinder, um ihre Probleme und um ihre Stellung in unserer Gesellschaft. Und schon deshalb lohnt sich die heutige Debatte.

Zunächst einige Anmerkungen zum Entwurf des Kinderschutzgesetzes. Es handelt sich hier zweifelsohne um ein sehr sensibles Thema. Im Vordergrund steht die Frage: Wie können wir Kinder vor Misshandlung und Verwahrlosung schützen?

Und vor allem: Wie finde ich die Kinder, die von Misshandlung und Verwahrlosung bedroht sind? Und was hilft Kindern in Notsituationen?

Fragt man sie selbst, werden sie antworten, dass sie vor allem bei ihren Eltern sein wollen.

Das ist ganz natürlicher Wunsch. Das bedeutet für uns: Wir müssen Eltern unbedingt mitnehmen; wir  müssen sie stark machen und darin unterstützen, ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden. Und die Frage ist, wodurch wir all das erreichen können.

Ich stelle schon jetzt die These auf, dass es auf all diese Fragen keine abschließenden Antworten geben wird, weil leider keine Gesellschaft und vor allem kein Gesetz jeden Fall von Kindesmisshandlung oder Schlimmerem verhindern können. Das müssen wir auch so ehrlich sagen.

Und meine Fraktion hält auch den vorliegenden Gesetzentwurf für begrenzt in seinen Möglichkeiten. Und auch genau das müssen wir so ehrlich sagen, um nicht Gefahr zu laufen, dass sich die Gesellschaft - also auch wir - auf diesem Gesetz „ausruht“.

Und wir müssen auch trotz Gesetz uns mit der Frage auseinandersetzen, warum gibt es mehr und mehr Probleme in Familien. Denn nur wenn wir die Ursachen hierfür erkennen und möglichst beseitigen, können wir Kindern nachhaltig helfen. Denkbare Ursachen sind u.a. soziale Schieflagen, Zukunftsängste oder auch Perspektivlosigkeit.

Nun zu einigen ausgewählten Punkten des Gesetzes:

Unser Grundproblem ist, hierbei beziehe ich mich u.a. auf die quasi Pflicht zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, dass zunächst alle Eltern - also auch der große Teil, der sich genau so verhält, wie es Kinder verlangen können - unter Generalverdacht gestellt werden. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich halte die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen durchaus für sinnvoll ebenso wie die Einladungen hierzu.

Eltern sollte deutlich gemacht werden, dass in diesen Untersuchungen vor allem eine Chance für sie liegt, zu erfahren, ob ihr Kind gesund und altersgemäß entwickelt ist; ob sie ggf. ihr Kind auf die eine oder andere Weise fördern sollten.

Und ich halte es für sehr wichtig, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Kinderärzten und Eltern eben nicht durch fragwürdige Datenweiterleitungen belastet wird.

Und die Wahrscheinlichkeit, dass wir durch eine Pflichtteilnahme verwahrloste oder misshandelte Kinder entdecken, halte ich für sehr gering.

Meine Fraktion hat sich hierzu mit Gesundheitsamtsleitern aus Sachsen-Anhalt verständigt, die deutlich machten, dass eine Vorsorgeuntersuchung einen viel zu kleinen Fokus eröffnet, als das hieraus tatsächlich Schlüsse über die Situation eines Kindes in Bezug auf eine mögliche Verwahrlosung oder Misshandlung gezogen werden können.

Sie stellten außerdem ganz nüchtern fest, dass Eltern sich auf den Zeitpunkt der Vorsorgeuntersuchung vorbereiten und ihr Kind eben einen Monat nicht schlagen; aber auch das kann für das Kind natürlich ein Gewinn sein. Allerdings nicht sehr nachhaltig!

Ich denke, Sie haben mit Ihrem Gesetz den falschen Ansatz gewählt.

Schauen wir doch dorthin, wo sich Kinder tagtäglich befinden, wie in der Kita oder in der Schule und schauen wir auch in die Jugendämter! Ich kann nur empfehlen, gehen Sie in ein Jugendamt und fragen Sie die MitarbeiterInnen, wie sie die Situation von Kindern einschätzen. Dort können Sie erfahren, dass der Großteil der problematischen Fälle bekannt ist. Und dann fragen Sie, welche Maßnahmen getroffen werden. Und dann werden Sie immer wieder erfahren, dass es die Handlungsmöglichkeiten sehr gering sind.

Und das liegt nicht an den mangelnden rechtlichen Möglichkeiten.

Das liegt an den fehlenden Ressourcen, am fehlenden Personal und zuweilen auch an der mangelhaften Ausbildung des Personals. Da gibt es Jugendämter, die grundsätzlich keinen begleiteten Umgang als Maßnahme empfehlen, weil das Personal dafür fehlt.

Ja, wie wollen wir denn dann das Kind vor dem schlagenden Elternteil schützen, zu dem der Kontakt trotz allem gefördert werden soll?

Hilfen zur Erziehung werden zu oft für die ganz „dramatischen“ Fälle aufgespart, und die Beratungsstellen platzen aus allen Nähten.

Das ist die Lücke, die wir dringend schließen müssen! Und noch mal: Das ist keine Gesetzeslücke! Hierfür benötigen die Kommunen ausreichend Finanzen, um sich ausreichend Personal mit einer hohen Ausbildung leisten zu können, weil sie sich das leisten müssen. 

Und da begrüßen wir den im Gesetz getroffenen Ansatz der Netzwerkbildung durchaus.

Allerdings zeigt die Realität, dass sich auch ohne Gesetz bereits Netzwerke bilden, weil es von den Akteuren für erforderlich gehalten wird. Eine weitaus nachhaltigere Geschäftsgrundlage als ein Gesetz sein kann.

Und gestatten Sie mir in dem Zusammenhang den Hinweis: Wenn wir schon Früherkennungsstellen einrichten, dann sind diese vor Ort viel besser angesiedelt.

Hinsichtlich der Sprachstandserhebungen ist Standpunkt meiner Fraktion, dass darin durchaus eine Chance liegt. Aber auch hier setzen wir mehr auf Freiwilligkeit.

Wenn wir uns schon für eine Pflicht zur Sprachstandserhebung entscheiden, dann sollten zumindest die Form der ggf. erforderlichen Förderung durch die Eltern entschieden werden.

Gegenstand einer Anhörung muss in diesem Zusammenhang auch dringend sein, wie die tatsächliche Umsetzung in Kitas und Grundschulen gewährleistet werden kann. 

Die Anhörung sollte gemeinsam mit dem Ausschuss für Recht und Verfassung durchgeführt werden, es geht nicht zuletzt um die Abwägung von Grundrechten.

Mir ist schon klar, dass die Refflektion in der Gesellschaft zeigt, dass die im Gesetzentwurf enthaltenen Eingriffe in Grundrechte zumeist als unproblematisch angesehen werden, aber wir sollten schon die Verhältnismäßigkeit hinterfragen: Ist das Gesetz geeignet, um das Beabsichtigte zu erreichen?  Ist es angemessen, stehen die Maßnahme im Verhältnis zu Vorteilen?

DIE LINKE hält das für fragwürdig.

Nun möchte ich noch etwas zum Thema Kinderrechte sagen. Ich denke, dass es bei der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz und auch in Landesverfassungen im weitesten Sinne auch um Kinderschutz geht. Daher passt das Thema an dieser Stelle gut.

Aber mir ging es am Kindertag nicht anders als der FDP.

Pünktlich im Jahresrhythmus forderte die Sozialministerin Frau Dr. Kuppe nun schon zum dritten Mal  die Aufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung. Nun kann ich mich noch gut daran erinnern, was aus der Ankündigung von Frau Dr. Kuppe zur Rückkehr zum Ganztagsanspruch in der Kita geworden ist – nichts, leider nur ein bunter Luftballon.

Und die Frage ist berechtigt, ob es den Kinderrechten auch so ergehen soll.

Inzwischen gibt es mehrere Vorschläge von SPD-Ministern nach Veränderungen in der Landesverfassung. Ich erinnere mich an die vom Innenminister vorgeschlagene Antifaklausel, an das gewünschte Neuverschuldungsverbot des Finanzministers und nun die Kinderrechte. Bei dieser Anzahl von Vorschlägen fordere ich Sie auf, keine Hoffnungen bei Menschen über den Weg der Presse zu wecken, sondern zunächst mit allen Fraktionen über diese Ideen zu reden.

Denn es ist gut und richtig, dass es einer Zweidrittelmehrheit zur Veränderung der Verfassung im Landtag bedarf. Und ich kann Ihnen sagen, dass meine Fraktion, zu Gesprächen bereit ist. Ich halte eine sachliche Diskussion für zwingend erforderlich.

Nun möchte ich Ihnen aber auch sagen, dass meiner Fraktion die auch an dieser Stelle begrenzte Wirkung von Kinderrechten innerhalb der Verfassung bewusst ist.

Und das Argument, welches kürzlich erneut das BverfG, mit seiner Entscheidung  vom 01.04.2008 verwendete, dass Kinder bereits aus Art. 6 GG ein Recht auf Pflege und Erziehung haben, ist nicht sogleich von der Hand zu weisen. Kinderrechte hätten darüber hinaus vor allem eine deklaratorische Wirkung, leider aber in jedem Fall keine materielle Wirkung!

Das heißt, wir sind damit keinen Schritt weiter in der Bekämpfung der Kinderarmut.

Aber ich möchte die Wirkungen auch nicht gänzlich bestreiten. Das Beispiel des § 1631 BGB  zeigt, dass es zu Veränderungen kommen kann. Hier ist die gewaltfreie Erziehung festgeschrieben.

Und es ist zu konstatieren, dass es in der Folge Aktivitäten bei Misshandlungsverdacht zunahmen und Beratungsstellen häufiger in Anspruch genommen werden. Es kam also zu Veränderungen im gesellschaftlichen Klima. Und genau diese Hoffnung verbinden Interessenverbände auch mit den Kinderrechten.

Kinder werden als eigene Rechtssubjekte wahrgenommen und genießen dadurch einen höheren Schutz!

Lassen Sie mich abschließend noch Herrn Prof. Dr. Bussmann zitieren: „Was vermag die Gesellschaft zu leisten? Alles!  Und tut immer noch zu wenig! Und glaubt zu häufig an das Falsche!“

Genau das müssen auch wir erkennen und an dieser Stelle ansetzen.