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TOP 04: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Gerichtsstrukturen

Lassen Sie mich aus einem Aufsatz von Dr. Ansgar Klein zitieren: „Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen das Wort Reform Hoffnungen auf Verbesserungen der Lebensumstände anzeigte und überwiegend positiv besetzt war. Mit diesem Wort verbinden sich heute Befürchtungen eines weiteren Rückgangs staatlicher Leistungen, oftmals gekoppelt mit schlechten Nachrichten für diejenigen in der Gesellschaft, die zu den sozial Schwachen gehören.“

Uneingeschränkt lassen sich diese Gedanken auch auf die Pläne der angedachten Gerichtsstrukturreform projizieren.

Vor einigen Tagen las ich in einem Lesebrief die Bitte, es möge doch endlich eine Reformpause eingelegt werden. Ja, das hätte sich die Justiz in Sachsen-Anhalt wohl auch gewünscht.

Noch ist die Reform aus der letzten Legislaturperiode nicht vollständig umgesetzt, noch kennen wir keine finanziellen Auswirkungen, noch ist nicht belegt, was diese Reform an Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger gebracht oder wohl eher nicht gebracht hat. Und sollte man ein Vorhaben nicht erst zu Ende bringen, bevor man sich in eine neue Reform stürzt?

Nun betrifft oder besser trifft es diesmal die Fachgerichtsbarkeiten und zwei Amtsgerichte.

Zum Amtsgericht Osterburg:

Ein sehr kleines Gericht, das zwar sehr gute Arbeit leistet, welches aber auf lange Sicht nicht haltbar wäre, schon deshalb nicht, weil all die anderen Behörden aus Osterburg mittlerweile abgezogen wurden. Ein Umstand, der für die Stadt mit einer Reihe von Problemen einhergeht.

Zum Amtsgericht Hettstedt:

Ich verhehle nicht, dass ich die Schließung dieses Gerichtes für mehr als problematisch einschätze. Seit Jahren wird festgestellt, dass das Amtsgericht Hettstedt eines der am besten arbeitenden Gerichte im Land ist. Darüber hinaus ist das Gebäude saniert und voll funktionstüchtig. Eine Kostenanalyse hinsichtlich der Aufnahme des Amtsgerichtes in Eisleben gibt es nicht. Von Kostenneutralität oder gar von Einsparungen kann also keine Rede sein. Besonders problematisch ist aus unserer Sicht, dass es zu gravierenden Verschlechterungen in den Betreuungssachen kommen wird. Von der „viel gepriesenen“ Bürgernähe ist man also weit entfernt.

Zur Schließung der Sozial- und Arbeitsgerichte Stendal, Halberstadt und Naumburg:

Rechtsuchende in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sind in der Regel Menschen, bei denen es nicht selten um die „nackte Existenz“ geht und die sich damit in äußerst schwierigen persönlichen Situationen befinden. Denen wird jetzt zugemutet, Wege in Kauf zu nehmen, die für viele unüberwindbar sein werden. Das entweder aus finanziellen Gründen oder aufgrund gesundheitlicher Probleme. Die Zukunft wird es zeigen, dass es viele Menschen geben wird, die genau aus diesen Gründen nicht mehr ihr Recht in Anspruch nehmen werden, sondern resignieren und verzichten. Was ist daran bürgerfreundlich, bürgernah oder gar effizient?

Gerade in der Sozialgerichtsbarkeit ist gegenwärtig ein stetiger Aufwuchs zu verzeichnen, der nicht die Schließung von Sozialgerichten rechtfertigen würde, sondern deren Erweiterung an den alten Standorten.

Nun zum Argument der Kostenersparnis: Kein zu schließendes Gericht kann ohne umfangreiche Um- bzw. Neubauten in das aufzunehmende Gericht integriert werden. Das Justizzentrum in Magdeburg und Halle ist voll belegt. Das heißt, in beiden Fällen muss neu gebaut werden. Gerichtsgebäude, die in den letzten Jahren aufwendig saniert wurden, werden geschlossen. Was wird zukünftig mit diesen?

Seien wir gespannt auf die Abschlussrechnung. „Rote Zahlen“ sind vorprogrammiert.

Eine Landesregierung hat ebenso eine Fürsorgepflicht für die Beamten und Angestellten des jeweiligen Bereiches. Gerade in der Justiz sind ein Großteil der Justizangestellten Frauen. Wie diese zukünftig ihr Familienleben organisieren sollen, wissen viele von ihnen sicherlich noch nicht. Aber auch das hätte zur Folgeabschätzung eines solchen Reformvorhabens gehört.

Zum Verwaltungsgericht Dessau:

Das Gericht mit den kürzesten Bearbeitungsfristen. Dessen Zusammenlegung mit dem Sozialgericht wäre eine praktikable Lösung gewesen, zumal dann an diesem Standort gemeinsam mit dem Amts- und Landgericht ein arbeitsfähiges Justizzentrum hätte entstehen können. Aber auch das wurde nicht geprüft.

Besonders fragwürdig ist ferner die nun geplante Einführung von Gerichtstagen und Rechtsantragsstellen an den bisherigen Gerichtsstandorten, obwohl in der Anhörung von zahlreichen Fachleuten unmissverständlich erklärt wurde, dass diese in der Praxis völlig ungeeignet sind und deshalb abgeschafft gehören. Wozu dann eigentlich eine Anhörung von Experten, wenn Hinweise und Ratschläge einfach unter den Teppich gekehrt werden?

Alles in allem: Die Veränderung der Gerichtslandschaft in Sachsen-Anhalt ist aus unserer Sicht weder notwendig, noch sachlich geboten, sie ist bürgerunfreundlich, unsozial und kostspielig.

In einer Podiumsdiskussion erklärte ein Kollege der Koalitionsfraktionen, wir müssten uns klar darüber werden, welchen Mantel das Land tragen solle.

Ich habe darauf folgendes geantwortet: Es ist wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Mann erzählt uns, welch schillerndes Gewand der Kaiser trage, aber der, welcher ehrlich ist, sieht, dass der Kaiser in Wirklichkeit in Unterhosen dasteht.

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.