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TOP 03: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gedenkstättenstiftungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Um es gleich am Anfang klar und deutlich zu sagen: Die Fraktion DIE LINKE wird dieses Gesetz ablehnen, und sie wird dies aus den selben Gründen tun, die wir bereits in der ersten Lesung benannt haben.

In den letzten Wochen sind wir verstärkt gefragt worden, ob wir gegen dieses Gesetz, wenn es heute denn hier beschlossen werden sollte, juristisch vorgehen werden. Darüber wird meine Fraktion entscheiden, dies soll jedoch nicht Gegenstand meiner heutigen Rede sein. Heute geht es mir ausschließlich um eine politische Bewertung.

In der Zeit seit der ersten Beratung hat es diesbezüglich noch einmal zwei Punkte gegeben, die die Doppelmoral dieses Gesetzes unter Beweis stellen und die verdienen dann doch noch einmal, erwähnt zu werden.

Zum einen war die Behandlung dieses Gesetzes im Ausschuss für Inneres entlarvend. Wir alle wissen, dass dieses Gesetz nur deshalb gemacht wird, weil die Verbände Opfer des Stalinismus und der stalinistisch Verfolgten ultimativ ihre Mitarbeit in der Stiftung daran geknüpft haben, dass Frau Tiedge ausscheidet. Mit diesem Gesetz erfüllen jetzt SPD und CDU diese Forderung.

Ich habe bereits bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass auch die Mehrheit der Verbände der Opfer des Nationalsozialismus ihre Mitarbeit in dieser Stiftung verweigern, dies zum Teil aus unterschiedlichen Gründen. Einer der Wichtigsten ist, dass das Gesetz ihren Vertretern eine Stasiüberprüfung zwingend vorschreibt.

Meine Fraktion hat im Innenausschuss nun beantragt, wenigstens eine Anhörung mit den betroffenen Verbänden für die Opfer vor und nach 1945 durchzuführen, um ihnen die Gelegenheit zu geben, ihre Bedenken dazulegen und vielleicht einen Weg zu finden, der allen die Mitarbeit in dieser Stiftung ermöglicht. Sogar diese Anhörung ist mehrheitlich durch die Koalition abgelehnt worden. Man wollte die Argumente des Zentralrates der Juden z. B. nicht einmal mehr anhören. Es scheint der Koalition, zumindest mehrheitlich, völlig egal zu sein, wie man diesen zur Mitarbeit bewegen kann. Und das vor dem Hintergrund, dass man im Interesse der Verbände für die Zeit nach 1945 sogar das Gesetz ändert. In der Debatte zur ersten Lesung sagte Herr Scharf dazu den bedeutungsvollen Satz, dass nicht jede Opferperspektive automatisch die richtige ist. Deswegen sei man gezwungen, abzuwägen.

Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass man zwischen den Opferverbänden und damit zwischen den von ihnen vertretenen Opfergruppen eine Rang- und Reihenfolge aufmacht. Das ist für uns unakzeptabel und Ausdruck einer Doppelmoral.   

Daneben warf ein zweites Ereignis einen interessanten Schatten auf die Diskussion. Und zwar die Auseinandersetzung um den CDU-Kandidaten für den Oberbürgermeister der Stadt Stendal. Interessant war hier vor allem die Bewertung der CDU. Da sagt z. B. deren Landesvorsitzende: „Nach 18 Jahren muss man auch einmal erkennen, dass sich jemand ändern kann.“ Und weiter Herr Webel dazu: „Den Lebenslauf von Holger Hövelmann akzeptieren wir aber auch.“ Wohl wahr, aber den von Frau Tiedge eben nicht, da gibt es offensichtlich andere Bewertungskriterien als für die Mitglieder von CDU und SPD.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen, Herr Webel hat ja, was den Oberbürgermeister von Stendal betrifft, völlig Recht. Selbst dann, wenn er sich anders als Gudrun Tiedge, nie kritisch mit seiner eigenen Vergangenheit öffentlich auseinandergesetzt hat.

Aber nicht nur bei den Parteien herrschen, je, nachdem ob es ein eigenes oder ein Mitglied meiner Partei ist, unterschiedliche Bewertungskriterien. Auch bei den Opferverbänden findet man hier Erstaunliches. Nach dem denkwürdigen Auftritt des Herrn Ruden in Stendal bat ich ihn, herauszubekommen, ob sich denn die Opferverbände der stalinistisch Verfolgten bzw. des Stalinismus zum CDU-Kandidaten in Stendal geäußert hätten. Nachdem er in der ersten Reaktion sagte, dass er das nicht wissen würde, ergaben dann seine Recherchen, dass diese Verbände keine Erklärung dazu abgegeben haben. Später bestätigte mir Herr Stiehl auch, dass man das auch in Zukunft nicht vorhätte. Seitdem fragen wir uns, wie es wohl sein kann, dass ein Verband, für dessen Vertreter es schier unerträglich ist, in einem Gremium neben Frau Tiedge zu sitzen, nicht einmal eine Position zur Stendaler Oberbürgermeister -Wahl hat.

Wir sehen also auch hier, dass mit unterschiedlichen Ellen gemessen wird und somit aus unserer Sicht die moralische Empörung über Frau Tiedge schlichtweg nicht nachvollziehbar ist.

Gedenkstättenarbeit hat viel mit Glaubwürdigkeit zu tun. Die von mir skizzierte Doppelmoral nichts. Das ist der Grund, warum wir dieses Gesetz ablehnen.