TOP 01: Entwurf eines Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform
Beginnen möchte ich mit einem Zitat des damaligen Innenministers, Herrn Jeziorsky: „Die zwangsweise Auflösung von Kommunen wird es mit uns nicht geben.“ „Aber überall dort, wo Kommunen angesichts drohender staatlicher Zwangsmaßnahmen in einen Konzentrationsprozess genötigt worden sind, sollen sie die Chance einer Meinungsneubildung bekommen. Wenn wir so vorgehen schaffen wir auch im kommunalen Bereich das, was immer angemahnt wird: Strukturen, die für zukünftige Aufgabenerledigungen geeignet sind, und zwar nicht durch Zwang, sondern weil man vor Ort ganz genau weiß – das ist in der Altmark anders als im Großraum Halle, im Harz oder im Fläming -, was als nötig erachtet wird. Das wissen die Bürger, die in diesen Bereichen wohnen, besser als eine Landesregierung, besser als ein Parlament. Dort sollen die Entscheidungen fallen und sie werden fallen.“ Zitat Ende. Das war im Jahr 2002. Mit dem Abbruch des gemeindlichen Reformprozesses und der „Wiederherstellung“ der kommunalen Selbstverwaltung haben Sie zwar ihr Landtagswahlergebnis verbessern können, dies aber zu Lasten der Zukunftsfähigkeit der kommunalen Ebene. Wurde von Ihnen noch 2002 verkündet, dass die kommunalen Strukturen handlungsfähig sind, wurden diese markigen Reden mit dem Gesetz über die Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit sowie dem Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz und dem Gesetz über die Neustruktuierung der Landkreise bis zum Jahr 2006 der Lüge überführt. Ein weiterer Punkt war die Funktionalreform. Dazu führte der damalige Innenminister aus: „Das, was die CDU eigentlich schon seit Mitte der 90er-Jahre – auch immer gefordert hat, ist, dass die Aufgabenerledigung in das Zentrum der Reformbemühungen gehört.“
Auf Nachfrage von Herrn Gallert führte der Minister aus, dass die Funktionalreform auf der Grundlage des Beschlusses des Landtages vom 17. Januar 2002, Drs. 3/68/5222, mit einem Gesetz bis zum 31.12.2002 untersetzt werden wird. Die Einbringung sollte im Oktober 2002 erfolgen.
Auch hier wurden Versprechungen gemacht, die bis zum heutigen Tag, also in den vergangenen 6 Jahren, nicht eingelöst wurden und derzeit besteht die Gefahr, dass dieser Prozess auch in dieser Legislatur nicht zu einem Ergebnis, geschweige denn einem guten geführt wird.
DIE LINKE hat sich seit Dezember 1999 mit dem ersten Leitbild zur Gemeindegebietsreform aktiv an der inhaltlichen Ausformung dieses Prozesses eingebracht. Für uns war die Verbindung von Funktional- und Verwaltungsreform mit einer kommunalen Gebietsreform unzertrennbar. Dieser Prozess sollte auch zu einer Änderung der Verwaltungsstruktur des Landesaufbaus und einer Stärkung der Aufgabenzuständigkeit der kommunalen Ebene führen. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen stand das Ziel, dass alle Aufgaben, die unmittelbar das Lebensumfeld der Bürgerinnen und Bürger berühren, den Kommunen zur Entscheidung zu übertragen werden. Eine zweite Prämisse bestand in der Freiwilligkeit gemeindlicher und kreislicher Zusammenschlüsse und in der Zulässigkeit zweier gleichberechtigter Verwaltungsmodelle, um die örtlichen Gegebenheiten besser widerspiegeln zu können.
Mit der Ausgestaltung des Ortschaftsverfassungsrechtes bei Einheitsgemeinden und der Zulässigkeit dieses Rechtes in Verbandsgemeinden wollten wir gleichsam das kommunale Ehrenamt stärken. Diese Prämissen und dieses Bemühen setzten wir sowohl in der 4. als auch in der jetzigen Legislatur fort.
Eingedenk der nunmehr vollzogenen Kreisneugliederung und Entwicklung der Verwaltungsgemeinschaften, beschloss der Landesverband unserer Partei im Sommer 2006 für die Gemeindegebietsreform die Zulässigkeit zweier gleichwertiger Modelle, nämlich das der Einheitsgemeinde und das der qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft.
Die Richtigkeit unserer Überlegungen wurde nicht zuletzt durch die beiden Gutachten unter Beweis gestellt, die eine Gleichwertigkeit beider Modelle attestierten.
Wer jedoch annahm, dass sich die Koalition von fachlich begründeten Aussagen dieser Gutachten leiten lassen würde, lag und liegt falsch. Nicht Sachkenntnis und Zukunftsfähigkeit der gemeindlichen Strukturen standen im Mittelpunkt, nein es ist und war einzig und allein parteipolitisches Kalkül.
Erst war es die flächendeckende Einführung von Einheitsgemeinden, dann zauberte die CDU das Modell der Verbandsgemeinde, welches sie noch 2002 als Griff in die Mottenkiste und Auslausmodell klassifizierte (nicht wahr Herr Stahlknecht – ihre Rede) hervor. Dann wollte man die zentralörtlichen Gliederungen stärken und nunmehr werden diese geschwächt. Und von einer nennenswerten tatsächlichen Funktionalreform ist nach wie vor keine Spur.
Mehrfach bemühten sich der Innenminister und Landeschef der SPD, die Fraktionsvorsitzende der SPD und andere FachpolitikerInnen zu erklären, dass der Koalitionsfrieden gefährdet sein, wenn die CDU ihre Verweigerungshaltung nicht aufgibt. Es wurde mit dem Bruch der Koalition gedroht. Der Ministerpräsident erklärte wiederholt diese Fragen zur Chefsache, der Koalitionsausschuss wurde mehrfach eingeschaltet und der Landtag wurde permanent mit den Ergebnissen des politischen Tauziehens innerhalb der Koalition konfrontiert.
Was hatten Sie, meine Damen und Herren der CDU noch 2002 verkündet? Dieser Prozess braucht Ruhe, Verlässlichkeit und Sachlichkeit. Richtig, nur diese Aussagen galten offensichtlich nicht für sie. Da verkündeten ihre Kollegen vor Ort andere Wahrheiten als im Parlament, war Sprachlosigkeit und Parteidisziplin statt Sachkompetenz im Innenausschuss Gang und Gäbe. Und die Kollegen der SPD, die noch 2002 vehement für Freiwilligkeit, Funktionalreform und Stärkung der Demokratie eintraten, ließen diese Ziele dem Koalitionsfrieden an Heim fallen. Was im Koalitionsvertrag steht, wird sein! Was hatten sie, sehr geehrte Frau Budde, in der Volksstimme verkündet? Eine Gemeindegebietsreform sei mit der LINKEN nicht hinzubekommen, weil sie nicht verlässlich sei? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Verlässlichkeit der Koalition besteht in ihrer Unzuverlässlichkeit.
Das Ansehen des Landtages als Gesetzgeber wurde durch die Flickschusterei der Koalition, durch Beratungsunwilligkeit und Erkenntnisresistenz nachhaltig beschädigt.
Anhörungen zum Gesetzentwurf wurde kurzfristig die Grundlage entzogen, Entwürfe von Änderungsanträgen und Tischvorlagen waren Dauererscheinungen des parlamentarischen Geschäfts. Von einer verlässlichen Entscheidungs- und Orientierungsgrundlage für den kommunalen Raum keine Spur.
Im Gegenteil, für den Inhalt der Volksinitiative Sachsen-Anhalt 2010 wurde sich gerade einmal 20 Minuten Zeit genommen, eine Auswertung und inhaltliche Debatte zu den Gutachten fand eigentlich nicht statt und die Tischvorlage vom 10.01.2007 wurde in einer 15 minütigen Debatte durchgezogen. Wie sagte Herr Stahlknecht zutreffend, wir haben uns entschieden und so wird es gemacht.
Wer nun annahm, dass die vielfältigen Änderungsvorschläge der kommunalen Spitzenverbände, der Volksinitiative, der Kommunen vor Ort und der Opposition über die Weihnachtszeit Eingang in die Überlegungen der Koalition gefunden hätten, wurde herb enttäuscht.
Weder die Aufnahme einer interkommunalen Funktionalreform, die vom Städte- und Gemeindebund und eigentlich von der CDU noch im Jahr 2002 vehement eingefordert wurde fand sich in der Beschlussvorlage wieder, noch die Möglichkeit in dünnbesiedelten Gebieten die Zahl der Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden auf 10 zu erhöhen. Sprach der Ministerpräsident im Dezember noch von einer Chefsache – Funktionalreform – ist ihm durch die eigenen Kollegen die Handlungsgrundlage entzogen worden.
Die LINKE hat sich konstruktiv und mit eigenen Änderungsvorschlägen in die Debatte eingebracht. Dies betrifft die Gleichrangigkeit von Einheits- und Verbandsgemeinde sowohl in der freiwilligen als auch in der gesetzlichen Phase. Durch die Stärkung des Ortschaftsverfassungsrechts in Einheitsgemeinden wollen wir vorhandenen gemeindlichen Vorurteilen entgegenwirken, die bei einer Eingemeindung von einem Verlust von Wirkungsbedingungen der Ortschaften ausgehen – übrigens Herr Stahlknecht sind diese Vorschläge einmalig in Deutschland und wurden in zahlreichen Beiträgen als zukunftsfähig bezeichnet. Wenn Sie konstatieren, ich zitiere: „Im linken Lager also nichts Neues.“, dann kann ich ihnen bescheinigen, dass die CDU in ihren Vorstellungen weit hinter dem Jahr 1990 zurückgeblieben ist und offensichtlich Änderungen in anderen Bundesländern nicht zur Kenntnis nehmen will, denn in Bayern ist DIE LINKE vorerst wohl nicht in Regierungsverantwortung!
Nachdem in letzter Zeit zahlreiche Debatten um die Notwendigkeit der Stärkung des Ehrenamts im Landtag gelaufen sind, gehen wir von der Ernsthaftigkeit der Bekenntnisse aus und fordern auf Grund der Gleichrangigkeit beider Modelle, die Anzahl der Verbandsgemeinderäte an die Zahl der Mitglieder des Gemeinderates einer Einheitsgemeinde anzupassen.
Die dem Verbandsgemeindebürgermeister zugewiesenen Widerspruchsrechte nach § 62 Abs. 3 der Gemeindeordnung gegenüber den Bürgermeistern von Mitgliedsgemeinden halten wir für verfassungsrechtlich unzulässig. Die rechtliche Klarstellung beantragen wir mit unserem Änderungsantrag.
Unsere verfassungs- und kommunalrechtliche Bedenken bezogen auf das Ein-Schritt-Verfahren, Artikel 2, § 1 Absatz 2, wurden weder inhaltlich im Ausschuss erörtert, noch wurden diese von den Koalitionsfraktionen ausgeräumt.
Die vorliegende Beschlussempfehlung weicht mit vielen vorgeschlagenen Neuregelungen erheblich vom Leitbild ab.
Dies betrifft Ausnahmeregelungen für die Unterschreitung der Einwohnerzahl von 8.000 in Einheitsgemeinden, die Zulässigkeit kreisgrenzenübergreifender Zusammenschlüsse sowie mögliche Eingemeindungen in Mittelzentren. Bisher galt, dass Verwaltungsgemeinschaften nach dem Modell der Trägergemeinde sowie Verwaltungsgemeinschaften ohne Trägergemeinde jedoch mit prägendem Ort eins zu eins in Einheitsgemeinden umzuwandeln waren. Die nunmehr vorliegende Aufweichung dieser Grundsätze wird nachhaltige irreparable Änderungen gerade bezogen auf ehemalige Kreissitze nach sich ziehen, mit raumordnerisch verheerenden Folgen.
Die Fraktion DIE LINKE wirbt nachdrücklich für die Annahme unseres Änderungsantrages und lehnt die vorliegende Beschlussempfehlung ab. Wir beantragen zur Gesamtabstimmung eine namentliche Abstimmung.