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TOP 01 a): Kulturelle Daseinsvorsorge

Sachsen-Anhalt ist ein Kulturland. Unser Bundesland verfügt über ein dichtes Netz an kulturellen Angeboten, welche sowohl für die Lebensqualität der hier lebenden Menschen unersetzlich sind und ebenso weit über das Land hinaus strahlen und somit für das touristische Potential Sachsen-Anhalts eine enorme Bedeutung haben. Der übergroße Teil der kulturellen Einrichtungen befindet sich in kommunaler Trägerschaft, dennoch hat das Land eine explizite Verantwortung für die Kultureinrichtungen und das kulturelle Netz insgesamt. Deutlich wird dies beim Blick in unsere Landesverfassung, hier ist die Kultur als Staatsziel verankert. In Artikel 36 Absatz 1 der Verfassung heißt es: „Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern.“

Wie ist es nun im Jahr 2008 um die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt bestellt? Wie dicht ist das kulturelle Netz, wie ist es für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar?

Diese Fragen standen für meine Fraktion im Mittelpunkt und veranlassten uns eine Große Anfrage zur „Kulturellen Daseinsvorsorge“ an die Landesregierung zu richten. 129 Einzelfragen wurden der Landesregierung gestellt, welche zum Teil ordentlich, zum anderen Teil wenig zufrieden stellend beantwortet wurden.

Zu den Erkenntnissen im Einzelnen:

Auch die letzte Haushaltsberatung hat es gezeigt: Die Theater in unserem Land genießen einen hohen Stellenwert. Sie sind ein wichtiger Kulturbotschafter des Landes und ihre Angebote werden außerordentlich gut von der Bevölkerung Sachsen-Anhalts wahrgenommen. Denn trotz unserer negativen demografischen Entwicklung konnten die Zuschauerzahlen bei den 11 professionellen Theaterensembles im Land weitestgehend stabil gehalten werden. In jeder Spielzeit lockten die Theater stets über 900 Tausend Zuschauer mit ihren Aufführungen an. Diese Konstanz ist ein großer Erfolg der Bühnen, denn es ist ihnen gelungen eine feste und auch ständig nachwachsende Zuschauergemeinde aufzubauen.

Nicht hoch genug kann man den Erfolg unserer Theater beim jungen Publikum, also bei Kindern und Jugendlichen schätzen. Bis zu 30 % Kinder und Jugendliche beträgt der Anteil am Gesamtpublikum. Dies ist ein außerordentlich guter Wert.

Erfreulich ist auch, dass alle professionellen Theater im Land feste Kooperationspartnerschaften mit allgemein bildenden Schulen unterhalten und in fast allen Theatern eine engagierte Theaterjugendclub-Arbeit geleistet wird. Aber im Detail betrachtet ist feststellbar, dass es eine merkwürdige Situation z.B. in Magdeburg gibt: Einerseits hat das Theater Magdeburg den größten Theaterjugendclub bundesweit. Das Puppentheater jedoch kann sich aus finanziellen Gründen seit 2007 keinen Club dieser Art mehr leisten, da die personelle Absicherung fehlt. Nun leistet gerade auch das Puppentheater eine erstklassige Kinder- und Jugendarbeit. Dass die Mittel aber für einen eigenen Theaterjugendclub fehlen, ist ein Defizit, was behoben werden sollte. Denn der Bedarf hierfür ist ganz eindeutig vorhanden.

Die erfolgreiche Entwicklung der Theater bei Kindern und Jugendlichen muss uns alle darin bestärken, dass wir die Theaterförderung als eine Zukunftsinvestition betrachten. Und das Land kann hierfür einiges tun. Zum einen war es völlig richtig, dass bei den letzten Haushaltsberatungen die Absicht der Landesregierung, bei den Theatern finanziell um 3 Mio. Euro zu kürzen, keine parlamentarische Mehrheit fand und die Mittel insgesamt stabil bleiben konnten.

Zum anderen sollte darüber nachgedacht werden, ob das Programm „KlaTSch“ nicht weiter ausgebaut werden sollte, denn es verbindet Schule und Theater in ganz hervorragender Art und Weise miteinander und bringt Kindern das Theaterspielen näher.

Wir alle wissen, dass die Theater im Kulturetat des Landes einen sehr großen Förderanteil erhalten. Ich denke aber, dass die vorgelegten Zahlen beweisen, dass es gut angelegtes Geld ist. Zum anderen belegt die Auswertung der Großen Anfrage, dass auch die Theater in den zurückliegenden Jahren mit beträchtlichen Kürzungen klarkommen mussten. Es ist eine Mär, zu behaupten, dass die Theater in den letzten Jahren von Kürzungen verschont geblieben seien. Die Antworten der Landesregierung sprechen hier eine deutliche Sprache: Im Erfragungszeitraum 2002 bis 2006 gab es einen Abbau von 264 Planstellen. Es gab einen Rückgang der Landesförderung von mehreren Millionen Euro. Mehr Abbau geht nicht, wenn wir auch weiterhin von einem dichten Theaternetz in einem Kulturland Sachsen-Anhalt reden wollen!

Und dass die Theater keine rosaroten Zeiten erleben, wird auch an der Tarifsituation bei den Schauspielerinnen und Schauspielern deutlich. Ich will aber auch ausdrücklich sagen, dass man aus unserer Sicht für die Zukunft neue Denkmodelle braucht.

Klar ist, dass die Ausstrahlung des jeweiligen Theaters weit über das Gebiet hinausgeht, welches sich auch an dessen Finanzierung beteiligt. Viele Nachbarkommunen von theatertragenden Städten und Landkreisen profitieren nachweislich von der Existenz der jeweiligen Bühne, beteiligen sich jedoch nicht an deren finanzieller Absicherung. Dies ist nach wie vor ein ernstes Problem, wo meine Fraktion der Auffassung ist, dass dies gesetzlich gelöst werden müsste. Eine Art Kulturraumgesetz wie in Sachsen bietet hier gute Lösungsansätze. Ich sage nicht, dass wir das sächsische Kulturraumgesetz 1 zu 1 übernehmen sollen. Aber den Ansatz, den dieses Gesetz verfolgt, nämlich eine solidarische Umlandfinanzierung für die Theater herzustellen, halten wir für vernünftig und deshalb auch für Sachsen-Anhalt für möglich. Die Linksfraktion wird auch deshalb noch in dieser Legislatur die Diskussion hierüber weiter vertiefen und einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen.

Wenn wir über die Theater im Land reden, sind die Orchester nicht all zu weit. So dachte es sich zumindest meine Fraktion, indem sie der Landesregierung zum Thema „Orchesterlandschaft“ 20 Fragen stellte. Die Landesregierung ist hier offenbar anderer Auffassung, denn sie hat in ihren Antworten sämtliche sinfonischen Orchester, die an ein Theater gebunden sind totgeschwiegen. Die Antworten der Landesregierung sind hier ein echtes Armutszeugnis, denn man geht von lediglich zwei öffentlich geförderten Orchestern im Land aus: Dem Philharmonischen Kammerorchester Wernigerode und der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Schönebeck.

In Anbetracht der aktuellen Situation erscheint es schon bizarr, dass nicht einmal der Begriff „Staatskapelle Halle“ fällt. Wie passt es eigentlich zusammen, dass in der Antwort der Landesregierung die Staatskapelle keinerlei Erwähnung findet, der Kultusminister aber in internen CDU-Bratungsrunden deren Landesbedeutung hervorhebt und dem Klangkörper ein explizites Landesinteresse bescheinigt. Wie ist diese Doppelzüngigkeit zu bewerten? Anders kann ich es nicht nennen, wenn die Landesregierung beim Theater- und Orchesterstandort Halle 1,5 Mio. Euro streicht und andererseits in eben diesen Parteiberatungsrunden von der Stadt Halle fordert, dass sie dieses Orchester auf sichere Füße zu stellen hat. Klar, wenn auf Podiumsdiskussionen Mitglieder der CDU-Arbeitsgruppe verkünden können, dass sich der Minister deutlich auf die Seite der Staatskapelle geschlagen hat, steht man natürlich in einem guten Licht da.

Die Zahlen sprechen hier allerdings eine andere Sprache. Denn natürlich werden durch die Kürzungen kulturelle Angebote abgebaut und mit Sicherheit auch Stellen bei der Staatskapelle Halle wegfallen. An dieser Stelle verlangen wir vor allem Ehrlichkeit, gerade den Betroffenen gegenüber.

Ich will dennoch nicht unerwähnt lassen, dass die Orchester in Wernigerode und Schönebeck eine ausgezeichnete Arbeit, auch und im Besonderen für Kinder und Jugendliche leisten. Aber auch hier stellt sich analog zu den Theatern das ungelöste Problem der fehlenden Finanzierung durch die Umlandkommunen, die von der Existenz der Klangkörper wesentlich profitieren.

Musik für Kinder und Jugendliche ist ein gutes Stichwort zum ebenfalls erfragten Kapitel Musikschulen in Sachsen-Anhalt. Die hier aufgezeigte Entwicklung kann uns insgesamt positiv stimmen. Denn laut jetzigem Stand gab es in der Musikschullandschaft keinen Abbau im Zuge der Kreisgebietsreform. An dieser Stelle muss man einfach den Landkreisen ein Kompliment machen, dass sie die bisherigen Musikschulstandorte erhalten haben. Bleibt zu hoffen, dass dies so bleibt, denn über den Wert von musischer Bildung sind wir uns, so denke ich, hier fraktionsübergreifend einig. Aber es gibt auch bei den Musikschulen Erkenntnisse, die uns nachdenklich machen. So konnten zwar die Wartelisten auf einen Musikschulausbildungsplatz von 2005 bis 2007 abgebaut werden, dennoch ist die Warteliste mit 1.635 Schülerinnen und Schülern recht hoch. In den letzten Haushaltsberatungen waren sich alle Fraktionen darin einig, dass Programm „Musisch-Ästhetische Bildung an allgemeinbildenden Schulen“ auszuweiten und die dortige Warteliste von 500 Schülern abzubauen. Wenn wir dann aber zur Kenntnis nehmen, dass es bei den Musikschulen eine Warteliste im Land gibt, die mehr als dreimal so hoch ist, sollten wir auch hier ein deutliches Augenmerk drauf richten. Mir wäre es jetzt auch zu einfach, darauf zu verweisen, dass die Kommunen die Träger der Musikschulen sind und nicht das Land. Ich glaube, dass das Land auch hier eine besondere Verantwortung hat, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie es ihren potentiellen Musikschülern ermöglichen können, einen Musikschulunterricht wahrzunehmen. Denn die Warteliste zeugt ja auch von einem großen Interesse an Musikschulausbildungen. Diesem Interesse unserer Kinder und Jugendlichen muss man auch gerecht werden. Noch ein paar Sätze zu den Kosten für einen Musikschulunterricht. Dieser liegt durchschnittlich bei 456,60 Euro. Das ist für Schüler und auch deren Eltern oftmals eine ganze Menge Geld und für viele gar nicht finanzierbar. Zur Kenntnis nehmen müssen wir auch erhebliche Gebührenschwankungen im Land. So beträgt die Gebühr für einen 45minütigen Einzelunterricht in Stendal 600 Euro pro Jahr, in Bitterfeld 348 Euro im Jahr. Die Politik muss aus unserer Sicht bestrebt sein, für SchülerInnen hier Nachteilsausgleichsangebote zu etablieren. Das MäBi-Programm bietet hier einen solchen Ansatz, auch wenn es einen klassischen Musikschulunterricht nicht gleichwertig ersetzen kann. Dieser Ansatz muss auch in Zukunft weiter verfolgt werden. Denn zu den jeweiligen Musikschulgebühren kommen ja auch weitere Kosten hinzu, etwa Fahrtkosten. Die Entfernungen vom Wohnort zum Ausbildungsort sind im Land natürlich sehr unterschiedlich. Dennoch muss man kritisch hinterfragen, wenn man feststellt, dass es Entfernungen von 50 km für MusikschülerInnen gibt. Dies ist im Altmarkkreis Salzwedel der Fall. Hin und Rückweg ergeben dann 100 km und sind für Musikschüler sowohl finanziell, als auch aus zeitlicher Sicht mehr als problematisch. Wir müssen dies zumindest zur Kenntnis nehmen und wie schon gesagt, Möglichkeiten für einen Nachteilsausgleich weiter auf den Weg bringen.

Das Kapitel Bibliotheken ist sicherlich eine eigene Debatte wert. Ich will mich deshalb auf 2 Punkte beschränken. Zum einen ist die Zahl der Bibliotheksnutzer im Erfragungszeitraum drastisch gesunken, aber die Zahl der Ausleihen deutlich gestiegen. Gestiegen ist auch die Nutzerzahl bei Kindern und Jugendlichen. Die durchschnittliche Ausleihe beträgt pro Person über 50 Ausleihen im Jahr.

Wie ist das zu deuten? Die Erklärung recht simpel: Mit Einführung von Nutzungsgebühren bei Bibliotheken nahm die Zahl der erwachsenen NutzerInnen ab, Eltern leihen ihre Bücher recht häufig über ihre Kinder aus. Dies ist ein Fakt, der uns vom Deutschen Bibliotheksverband betätigt wurde. Somit entsteht ein recht verzerrtes und nicht reelles Bild auf die Nutzerstruktur von Bibliotheken. Man muss sich die Frage gefallen lassen, was die Einführung von Gebühren bei Bibos tatsächlich gebracht hat. Denn die erbrachten Einnahmen sind oftmals äußerst gering und stehen dem Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis gegenüber. Außerdem sind die Gebühren eine Barriere, die so manchen von einem Bibliotheksbesuch abhalten.

Alarmierend ist für uns die Zahl von Bibliothekschließungen, nämlich von 25 % in den letzten Jahren. Ich will hier nicht mit dem Schwarzen-Peter-Spiel beginnen und die Schuld bei den Kommunen suchen. Denn diese haben auf Grund ihrer prekären Haushaltssituation und der Kommunalaussicht, die ihnen hierbei häufig im Nacken sitzt, oft gar keine andere Chance. Die Politik muss Bibliotheken als wichtige Bildungseinrichtung begreifen und die Kommunen finanziell in die Lage versetzen, dass sie diese erhalten können und auch ihren Bestand erneuern können. Denn Bibliotheken werden auch an ihrer Aktualität und damit an ihrer Qualität gemessen.

Aus Zeitgründen kann ich jetzt auf die anderen erfragten Bereiche nicht weiter groß eingehen. Dennoch sind die Antworten der Landesregierung aufschlussreich. Auch wenn die Landesregierung uns antwortete, ihr liegt zu bestimmten wichtigen Fragen keine Erkenntnis vor, kann das sehr aufschlussreich sein. Zu den Bereichen Ballettschulen und Kunstschulen liegen der Landeregierung kaum Erkenntnisse, geschweige denn konzeptionelle Vorstellungen vor. Wir denken aber, dass sich Kreativitätsförderung und Talent-Förderung nicht nur auf Sport, Musik und Theater beschränken darf. Es gibt viele Talente in unseren Land hinsichtlich Tanz und Ballet, Zeichnen, Malen und Literatur und ähnlichem. Hier müssen wir ansetzen und eine intensivere Förderung betreiben. Vorstellbar ist aus unserer Sicht eine aktivere Rolle der Kunststiftung hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit den Kunstschulen im Land. Weitere offene Fragen, wie zu den Problemen der mangelnden Barrierefreiheit und der Geschlechterdifferenzierung, die in den Antworten ebenfalls deutlich werden, bedürfen einer intensiven Diskussion, auch im Landtag. Ebenso wird deutlich, dass Soziokultur nach wie vor ein Stiefkind der Landesregierung ist. Über die Museumslandschaft sollten wir im Zusammenhang mit der Neueröffnung des Landeskunstmuseums „Stiftung Moritzburg“ reden.

Zusammenfassend will ich festhalten: Das kulturelle Netz in Sachsen-Anhalt ist dicht und vielfältig. Aber wir müssen die Risse erkennen und dürfen uns als Land nicht verweigern hier steuernd einzugreifen. Beginnen muss dies mit der bereits mehrmals genannten besseren Finanzausstattung unserer Kommunen, denn hier findet vor allem das kulturelle Leben statt. Die sich mit Sicherheit weiter vollziehenden Veränderungen in der Kulturlandschaft in Folge der Gemeindegebietsreform müssen wir als Land konsequent im Blick haben und im Kulturausschuss alsbald auf die Tagesordnung setzen. Und mit den von mir vorgetragenen Ankündigungen von parlamentarischen Initiativen wird meine Fraktion auch künftig einen Beitrag zum Kulturland Sachsen-Anhalt leisten.