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Thomas Lippmann zu TOP 5b) Regelunterricht ermöglichen und Nachteile in der Lernentwicklung ausgleichen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gibt keinen Ersatz für den Präsenzunterricht in der Schule – egal wie gut oder auch wie schlecht digitaler Lernangebote und Homeschooling inzwischen funktionieren. Jeder Tag mehr, an dem Schulen geschlossen oder auch nur einzelne Schuljahrgänge oder Klassen vom Präsenzunterricht ausgeschlossen sind, vergrößert die bereits entstanden Schäden in den Bildungsbiographien der Schülerinnen und Schüler.

Es kommt deshalb darauf an, alles dafür zu tun, um den Präsenzunterricht aufrecht zu erhalten. Diese Lehre aus dem ersten Lockdown war bis zum Herbst noch in aller Munde. Alle haben zum Beginn des Schuljahres beteuert, dass auf keinen Fall die Schulen wieder geschlossen werden dürfen. Doch dann waren die Schulen fast für den gesamten Winter wieder zu. Jetzt, im Frühjahr 2021, ist die Erkenntnis über die massiven Schäden bei den Kindern und Jugendlichen wieder zurück. Deshalb wird darüber zu Recht darüber gestritten, unter welchen Bedingungen und in welchen Schritten die Schulen wieder vollständig für den Präsenzunterricht geöffnet werden können.

Die Schülerinnen und Schüler sind mit den monatelangen Einschnitt in den Präsenzunterricht höchst unterschiedlich zurechtgekommen. Ein so langer Lockdown für die Schulen wirkt sozial selektiv, das müssen wir uns immer wieder klar machen. Es geht dabei auch um die technischen Möglichkeiten für die Teilnahme an digitaler Kommunikation oder an organisiertem Distanzunterricht. Aber nicht nur. Es spielt auch eine entscheidende Rolle, über welche individuellen Kompetenzen zur Selbstorganisation die Schülerinnen und Schüler jeweils verfügen, welche Unterstützung sie durch die Eltern erhalten und welche Bedingungen in den Familien insgesamt Homeschooling ermöglichen oder aber behindern oder auch ganz unmöglich machen.

Noch immer können längst nicht alle Schülerinnen und Schüler wieder am normalen Regelunterricht teilnehmen. Darauf kommt es aber jetzt in erster Linie an – dass so schnell wie möglich für alle Schülerinnen und Schüler wieder ein regelmäßiger alltäglicher Schulbesuch organisiert werden kann. Auch, wenn dieser Schulalltag noch längere Zeit mit Masken und regelmäßigen Tests begleitet werden muss, damit die Weitergabe von Infektionen in den Schulen unterbunden wird.

Eine entscheidende Voraussetzung für einen dauerhaften Regelbetrieb auch bei anhaltend hoher Inzidenz ist der ausreichende Impfschutz der Beschäftigten in den Schulen. Und damit meine ich natürlich alle Beschäftigten – also auch pädagogische Mitarbeiter*innen, Schulsozialarbeiter*innen, technische Beschäftigte – und nicht nur die Lehrkräfte.

Nun will ich der Impfdebatte von morgen hier nicht zu weit vorgreifen, aber aus Sicht der Kinder und Jugendlichen, die wieder in die Schule gehen müssen, ist es nicht akzeptabel, dass sich die Immunisierung der Belegschaft der Schulen noch bis zum Sommer hinziehen könnte. Wir sind es ihnen schuldig, endlich mehr Power bei den Impfungen zu entwickeln und die vorhandenen Blockaden zu beseitigen.

Und es muss unverzüglich eine umsetzbare und wirkungsvolle Teststrategie entwickelt und durchgesetzt werden. Damit allen Schulen wieder für den Regelunterricht geöffnet werden können, muss durch das Infektionsgeschehen vor Ort kontrolliert werden. Es muss sichergestellt werden, dass in den Schulen auch bei normalen Klassenstärken keine neuen Infektionsherde entstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte um die Schulöffnungen wird bisher noch zu wenig darüber gesprochen, warum die Öffnungen so wichtig sind. Dass die Schulen für die sozialen Kontakte der Kinder und Jugendlichen untereinander eine sehr große Bedeutung haben, ist inzwischen den meisten bewusst geworden. Was aber fehlt ist die Einsicht, dass nach den Monaten der Abstinenz jetzt das Lernen für den Kopf wichtiger ist als das Prüfen für das Papier. So als ob nichts geschehen wäre wird an den Prüfungsritualen festgehalten. Bei den Abschlussklassen kann man das hinnehmen, aber in allen anderen Jahrgängen nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt absurde Berichte, wie Schülerinnen und Schüler in Schulen derzeit durch Klassenarbeiten drangsaliert werden, ohne dass dafür eine faire Grundlage durch die Vermittlung von Lernstoff gelegt wurde. Sicher müssen in den Schulen auch wieder Leistungskontrollen durchgeführt werden. Das ist schon deshalb erforderlich, um den Leistungsstand der Schülerinnen und den individuellen Förderbedarf zu erfassen. Aber „Bulimielernen“ und „Testeritis“ sind wirklich das Letzte, was wir jetzt brauchen.

Es ist dringend geboten, mindestens in diesem und im kommenden Schuljahr den Schülerinnen und Schülern aber auch den Lehrkräften den Druck der Klassenarbeiten zu nehmen. Die Schulen gehen nicht unter, wenn für eine Weile mal keine Klassenarbeiten geschrieben werden. Und die Schulen gehen auch nicht unter, wenn zum Ende dieses Schuljahres und auch noch zum nächsten Schulhalbjahr keinen Notenzeugnisse vergeben werden. Der Lernstand und der Lernfortschritt können auch auf andere Weise dokumentiert werden. Es wäre ein wichtiges Zeichen an die Schulen, dass sie mehr Zeit bekommen, um das Lernen wieder in Gang zu bringen und Defizite aufzuarbeiten.

Denn darauf kommt es jetzt an: Den Lernstand zu erfassen, Defizite zu bestimmen und Fördermaßnahmen zu ergreifen. Die Schülerinnen und Schüler dürfen mit den Lernproblemen, mit denen sie in ganz unterschiedlicher Weise konfrontiert sind, jetzt nicht allein gelassen werden. Die Schulen müssen Zeit und Ressourcen bekommen, um mehr als bisher gezielte Förderangebote zu unterbreiten. Das muss im Unterricht aber auch außerhalb der Schule erfolgen.

Von den Lehrkräften kann das durch individuelle Lernpläne und durch eine differenzierte Unterrichtsgestaltung nur bis zu einem gewissen Grad geleistet werden. Zusätzliche Hilfsangebote sind aufgrund der angespannten Personalsituation und den allgemeinen Mangel durch Stammlehrkräfte nicht möglich. Hier müssen andere Programme entwickelt und andere Menschen gewonnen werden.

Wie man lesen kann, haben das die Bayern bereits erkannt und reagieren entsprechend. Sie stellen 55 Mio. Euro für die zusätzliche Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie zur Verfügung – 40 Millionen für ein Programm zur Nachhilfe und 15 Mio. Euro für Sozialarbeit. Im Nürnberger Blatt vom Montag liest man z.B. – ich zitiere:

„Bei dem Programm für Schüler soll etwa durch Pensionisten und Studenten ein Angebot zu Nachhilfe gemacht werden. In den Ferien soll es zudem als Teil des Programms verstärkte Angebote geben, die eine Mischung aus Lernen, Sport und Spaß umfassen. Insgesamt gehe es um mehr 3.000 Menschen, die zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schüler eingesetzt werden sollen.“

Also liebe Kolleginnen und Kollegen, da kann man von den Bayern doch einmal etwas lernen. Wir haben in unserem Antrag einige weiterführende Details aufgeschrieben, was notwendig und möglich ist. Die maximale Ausschöpfung der Möglichkeiten für Nachhilfe aus dem Bildungs- und Teilhabepaket und die offensive Unterstützung der anspruchsberechtigten Eltern bei der Antragstellung stehen dabei an erster Stellen. In weiteren Punkten fordern wir die zeitweilige Teilübernahme von Nachhilfekosten und eine Ausweitung der Hilfsangebote durch die Schulen selbst ähnlich dem bayerischen Programm.

Wir können in den Schulen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen – erst recht nicht zu einer Tagesordnung, die durch massiven Lehrkräftemangel und Überlastung der Lehrkräfte gekennzeichnet ist. Es muss jetzt gezielt geholfen werden, um Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern beim schwierigen Weg aus der Bildungskrise wirksam zu unterstützen. Wir fordern die Koalition auf, nicht zu zögern und Verantwortung zu übernehmen.