Thomas Lippmann zu TOP 19: Schulentwicklungsplanung an den Erfordernissen des Landes ausrichten
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die neue Verordnung zur Schulentwicklungsplanung 2022 ist eines der übelsten Papiere, die bisher im Haus Tullner zusammengeschrieben wurden. Das Parlament kann nicht wollen, dass das Realität wird, was da jetzt drinsteht. Wenn die CDU und der MP ihrem Minister hier weiter freie Hand lassen, dann ist endgültig klar: Die CDU ist die Schulschließungspartei in diesem Land! Mit dieser Verordnung setzt Herr Tullner nahtlos fort, was unter seinen CDU-Vorgängern Olbertz und Willems Anfang der 2000er Jahre begonnen wurde – die Beschleunigung und die Ausweitung des Schulsterbens. Die CDU zeigt sich als Blockierer von Schulentwicklung und wendet sich damit gegen die Menschen im Land.
Deshalb muss die Schulentwicklungsplanung wieder auf den Tisch des Parlaments. So ähnlich wie bereits 2008. Da hatte der vom Landtag eingesetzte Bildungskonvent eingegriffen als die CDU nicht von allein zur Vernunft kommen wollte. Seitdem war Ruhe an der Schulfront. Doch jetzt kommt dieser erneute Angriff auf die Bestandsfähigkeit und die Entwicklungsmöglichkeiten vieler Schulen in allen Schulformen.
Herr Tullner hat schon viele untaugliche Papiere vorgelegt, die zwar keine Substanz hatten, die aber wenigstens keinen Schaden anrichten. Das gilt aber nicht für diese Verordnung. Sie ist ein Affront gegen Schüler, Eltern und die Schulträger.
Das ist eine Verordnung, die
- Schulschließungen – besonders bei den kleinen Grundschulen – beschleunigt,
- Schulneugründungen – insbesondere bei Gesamtschulen – praktisch unmöglich macht,
- eigenständige Oberstufen an Gymnasien und Gesamtschulen vielfach infrage stellt und ihre Entstehung an Gemeinschaftsschulen gänzlich verhindert und
- Strukturvorgaben für Förderschulen macht, die ohne gesetzliche Grundlage und damit rechtswidrig sind.
Keine Schulform kommt also ungeschoren davon. Es sind durchweg destruktive Neuregelungen, nichts davon ist notwendig oder sinnvoll. Für diese Neuregelungen gibt es keine pädagogische Begründung und sie nehmen auch keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Eltern und Schülern oder auf die regionale Entwicklung. Sie sind ausschließlich politisch motiviert.
Bereits im Juni, nachdem die Pläne der Landesregierung zur Verschärfung der Schulentwicklungsplanung bekannt geworden waren, hat sich Landrat Puhlmann aus Stendal mit einem dringenden Appell an die Fraktionen und die Mitglieder im Bildungsausschuss gewandt. Er hat darauf hingewiesen, dass der Wegfall der bisherigen Sonderregelungen für den Bestand kleiner Grundschulen in den dünn besiedelten Regionen des Landes keinesfalls durch die Möglichkeiten zur Bildung von Grundschulverbünden aufgefangen wird.
Wir teilen seine Befürchtung, dass es in den dünn besiedelten Regionen zu weiteren Schließungen von Grundschulen kommen wird, wenn die Regelungen nicht erhalten bleiben. Schon jetzt haben wir in den beiden Altmarkkreisen Einzugsbereiche für die Grundschulen, die durchschnittlich 100 qkm umfassen. Eine weitere Ausdünnung des Grundschulnetzes muss unter allen Umständen verhindert werden, notfalls auch mit weiteren Sonderregelungen.
Eine unmittelbare Folge der Schließung öffentlicher Schulen sind die Ersatzgründungen von immer mehr Privatschulen. Die Kommunen als Schulträger und die Eltern sind nicht bereit, den Verlust ihrer Schulstandort hinzunehmen und suchen nach privaten Alternativen (aktuelles Beispiel Siersleben!). Schon heute ist der Anteil der Grundschüler in Privatschulen in Sachsen-Anhalt dreimal so hoch wie im Durchschnitt der westlichen Flächenländer.
Unsere Verfassung beauftragt uns, ein vollständiges und erreichbares Angebot öffentlicher Schulen für alle Schüler zu sichern. Es sind schon viel zu viele Schulen geschlossen worden. Der weitere Exodus der öffentlichen Schulen muss endlich wirksam beendet werden.
Der Grundschulverbund – das einzige und liebste Projekt der CDU – ist bisher ein Rohrkrepierer und bringt keine Lösung. Grundschulverbünde könnten nur dann etwas zum Erhalt kleiner Standorte beitragen, wenn die Regelungen die Flexibilität aufweisen, wie wir sie in unserem Antrag aufgeschrieben haben.
Eine der zentralen Forderung der Verordnung, dass bei Schulneugründungen die Schülerzahlen um 50 Prozent über der Normgröße liegen müssen und das für die gesamte Zeit, bis ein ganzer Zug aufgewachsen ist, ist nichts anderes als ein Verbot von Neugründungen durch die Hintertür. Das betriff vor allem die beiden Städte Halle und Magdeburg, wo aufgrund der steigenden Schülerzahlen Neugründungen in fast allen Schulformen auf der Tagesordnung stehen.
So soll nach dem Willen des Bildungsministeriums etwa eine neue Gesamtschule nur noch gegründet werden, wenn sie durchgängig mindestens 150 Schüler im Jahrgang hat und über sechs Jahre sechszügig auf eine Gesamtschülerzahl von mindestens 900 aufwächst. Das ist völlig absurd Herr Tullner. Es ist infam, solche völlig überzogenen Anforderungen zu stellen, nur weil sie Gesamtschulen für Teufelszeug halten und die Abstimmung mit den Füßen durch die Eltern sonst nicht aufhalten können.
Und nicht anders ist es bei den Gemeinschaftsschulen. Hier zielen ihre Strafmaßnahmen darauf ab, eigene Oberstufen an Gemeinschaftsschulen zu verhindern, für die sich immer mehr Eltern entscheiden, weil diese Schulen ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen. Mit dieser Verordnung wollen sie einer weiteren Entwicklung dieser Schulform ein Riegel vorschieben.
Dass sie sich am Ende sogar an den Oberstufen der Gymnasien vergreifen, ist offenkundig eine Folge ihrer neuen Oberstufenverordnung. Sie brauchen für die neue Kursbildung mehr Personal und das wollen sie jetzt durch eine höhere Schülerkonzentration wieder reinholen. Für dieses billige Ziel stellen Sie reihenweise Gymnasialstandorten in Frage und kommen dabei auch noch auf die absurde Idee, die Abiturienten jahrgangsweise zwischen den Gymnasien hin und her zu schicken.
Bleiben zum Schluss noch die Förderschulen. In ihrem sogenannten Förderschulkonzept, das wir hier im Plenum behandelt und beschlossen haben, stand bei dem Vorschlag zur Einrichtung von Förderklassen an Regelschulen der Sekundarstufe I von Beginn an immer der Hinweis, dass dafür eine Schulgesetzänderung erforderlich ist. Weil das die einzig vernünftige Idee in dem ganzen Papier war, haben wir als Opposition fast darum gebettelt, die Grundlage dafür im Schulgesetz zu schaffen. Aber das Ministerium hat es verweigert. Und jetzt kommen sie mit dieser Sache um die Ecke und schreiben sie rechtswidrig einfach in ihre Verordnung rein. Das Schulgesetz hat für den Bildungsminister offenbar keine Bedeutung.
Einen Schulfrieden wird es nicht mit einem Minister geben können, der den Schulen ein ums andere Mal den Krieg erklärt. Jetzt soll Frau Wanka den Scherbenhaufen beseitigen, den Herr Tullner diesem Land hinterlässt. Der Start der Gespräche in der letzten Woche ist dabei denkbar schlecht verlaufen. Herr Haseloff, wenn sie sich mit ihren Vorschlägen selbst noch ernst nehmen, dann gehen sie selbst in diese Gespräche und verhindern Sie vor allem, dass der Scherbenhaufen immer noch größer wird. Nehmen Sie diese Verordnung vom Tisch.