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Stefan Gebhardt zu TOP 11: a) Aussprache zur Grpßen Anfrage "Bibliotheken in Sachsen-Anhalt b) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bibliotheksgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Anrede,

Aus der Großen Anfrage zu den öffentlichen Bibliotheken zeigt sich eine deutliche Tendenz: die Anzahl öffentlicher Bibliotheken hat in den vergangenen Jahren dramatisch abgenommen.

Waren es im Jahr 1991 noch 689 in Sachsen-Anhalt so sind es im Jahr 2017 nur noch 182 kommunale Bibliotheken. Das entspricht einem Rückgang von ca. 75%. Und diese Zahl klingt schon auf den ersten Blick dramatisch. An dieser Stelle ist es notwendig zwischen hauptamtlich geleiteten (also 73 der 182) und neben- bzw. ehrenamtlich geführten Bibliotheken zu unterscheiden. Bei den hauptamtlich geführten Bibliothekseinrichtungen sind es nämlich von den 182 nur noch ganze 73. Also: Betrachtet man nur die Anzahl der öffentlichen und hauptamtlich geführten Bibliotheken, ist der Rückgang bzw. das Schrumpfen des Bibliotheksnetzes besorgniserregend.

Und wir als LINKE denken, dass es an der Zeit ist, hier gegenzusteuern! Aber es gibt auch erfreuliche Zahlen:

Erfreulich ist, dass die Nutzerzahlen proportional zum Schwinden der Bibliotheken keinen so starken Rückgang erfahren haben. In den letzten Jahren blieb die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von Bibliotheken weitestgehend stabil. In einigen Bevölkerungsgruppen wurde sogar ein Anstieg von Bibliotheksnutzern verzeichnet. Das zeigt wiederum, dass es nach wie vor einen großen Bedarf zu geben scheint am Vorhalten von öffentlichen Bibliotheken und das ist auch gut so!

Das Interesse an Bibliotheken hängt allerdings auch von anderen Parametern ab. Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zeigt, dass es immer wichtiger wird, regelmäßige und nutzerfreundliche Öffnungszeiten vorzuhalten, aber auch fachliche Beratungen in den Bibliotheken anzubieten Genauso essentiell ist das Vorhalten wichtiger Angebote, wie z.B. die virtuelle Nutzung des Bücher- und Medienbestandes, das heißt Fernleihe und auch Onleihe.

Bedenkt man aber, dass insbesondere für Kinder bis 12 Jahren die physische Präsenz von Bibliotheken von größter Bedeutung ist, ist die dramatische Abnahme der Anzahl an Bibliotheken und auch die Tatsache, dass nur noch vier Fahrbibliotheken im Land unterwegs sind zumindest besorgniserregend.

Hinzu kommt, dass die Öffnungszeiten im Land sehr unterschiedlich sind. Durchschnittlich haben die kommunalen Bibliotheken im Land 22,4 Stunden geöffnet – aber was sagt uns hier der Durchschnitt? Die Öffnungszeiten sind von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Während in z.B. Weferlingen die Öffnungszeiten bei 7 Stunden pro Woche liegen, können in Magdeburg die Nutzer und Nutzerinnen 48 Stunden pro Woche ihre Bibliotheksangebote vor Ort nutzen.

Hinzu kommt, dass sich die hauptamtlich geleiteten kommunalen Bibliotheken mehr und mehr zu Ein- bzw. Zweipersonen Betrieben entwickeln. Dieser Trend ist alles andere als positiv. Denn bei Ein- bzw. Zweipersonen Betrieben lassen sich regelmäßige und Nutzerfreundliche Öffnungszeiten kaum realisieren. Aber Zugänglichkeit ist ein zentraler Qualitätsindikator für Bibliotheken in Städten und Gemeinden!

Somit gewinnt die Ausleihe virtueller Medien per Internet unabhängig von den Öffnungszeiten der Bibliothek immer mehr an Bedeutung. Der Onleihe Verbund, ein Projekt des Landesverbands im Deutschen Bibliotheksverband e.V., macht sich in dieser Hinsicht sehr verdient. Dessen Ausbau und landesseitige Förderung ist auch weiterhin zu unterstützen!

Klar ist, in einem Flächenland mit schwindender Anzahl öffentlicher Bibliotheken ist die Vernetzung von Bibliotheksangeboten sowie die Beratung und Qualitätsentwicklung der vorhandenen Häuser von größter Bedeutung. Neben dem Onleihe Verbund übernimmt der ehrenamtlich geführte Landesverband der Bibliotheken im Sinne der Vernetzung kommunaler Bibliotheksangebote in Sachsen-Anhalt seit Jahren besondere Aufgaben, die von größtem Landesinteresse sind. Seit 2011 erreicht das Kooperationsprojekt des Landesverbandes zur Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken und Schulen landesweit jährlich etwa 33.000 Kinder und Jugendliche. Eine stolze Zahl!

Um aber den aktuellen Anforderungen und Themen gerecht zu werden, bedarf es einer Bündelung der Interessen der öffentlichen Bibliotheken. Die einzelne Bibliothek ist oft nicht in der Lage, besondere Themenfelder zusätzlich zum alltäglichen Betrieb zu bearbeiten – beispielhaft sei hier das Thema Digitalisierung zu nennen. Aus der Großen Anfrage geht hervor, dass hierfür Landesmittel zwar seit 3 Jahren bereitstehen, diese aber nicht abfließen. Deshalb ist es unser Anliegen Koordinierung und Beratung unbedingt auszubauen und dies auch von Landesseite stärker zu befördern.

Apropos Beratung und Koordinierung: Hierfür gibt es eigentlich die Landesfachstelle für Bibliotheken. Deren Aufgabe soll eigentlich genau das sein, was andere institutionell geförderte Vereine im Kulturbereich leisten. Nämlich Beratung der Bibliotheken bzw. deren Träger, Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen und von Modellprojekten. Bedenkt man aber, dass die Landesfachstelle bis 2004 noch 12 Personalstellen hatte und aktuell nur noch über 3 Mitarbeiterinnen verfügt, stellt man schnell fest, dass diese Aufgaben gar nicht mehr so wahrgenommen werden können.

Mir kann jedenfalls niemand erzählen, dass mit 3 Mitarbeitern die gleichen Aufgaben bewältigt werden können, wie mit 12 Mitarbeitern. Unser Anliegen ist es nun, hier zu korrigieren. Denn bei den aktuellen Anforderungen an die Bibliotheksarbeit muss ein eine Koordinierungsstelle geben, die berät, vernetzt und das Bibliothekswesen weiterentwickelt.

Wir schlagen daher in unserem Gesetzentwurf vor, die Aufgaben der Landesfachstelle für Bibliotheken klarer zu definieren. Außerdem wollen wir auch die Rolle des Bibliotheksverbandes gesetzlich festschreiben und somit den Verband stärken und die dort geleistete Arbeit langfristig absichern.

Das Hauptanliegen unseres Gesetzentwurfes ist aber ein anderer und hat viel mit dem Dauerthema „Kinderarmut in unserem Land“ zu tun. Wir wollen, dass es gesetzlich geregelt ist, dass Kinder, Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende von Nutzungsgebühren in Bibliotheken vollständig befreit sind. Laut Deutschem Kinderschutzbund sind 4,4 Millionen Kinder in Deutschland von Kinderarmut betroffen, das sind 1,4 Millionen mehr als bislang angenommen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung erklärt, dass 15 bis 20 Prozent der Kinder jedes Jahrgangs schlechtere Teilhabechancen haben als ihre Altersgenossinnen und Genossen. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass je länger Kinder in Armut aufwachsen und unter Teilhabeverlusten leiden, je weitreichender sind die Langzeitfolgen für ihre Entwicklung.

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das vor 25 Jahren von Deutschland ratifiziert wurde, ist in der Bundesrepublik geltendes Recht. Dieses Übereinkommen bindet Deutschland an vier Grundprinzipen: ein Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung für Kinder, die Vorrangigkeit des Kindeswohls, also das Recht, bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen, das Recht auf bestmögliche Entwicklungschancen und das Recht auf freie Meinungsäußerung und Berücksichtigung des Kindeswillens.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass 15 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen der Zugang zu diesen Rechten erschwert bleibt. Die Förderung dieser Kinder und Jugendlichen ist eine öffentliche Aufgabe und die Rahmenbedingungen für Teilhabe müssen aus unserer Sicht gesetzlich festgeschrieben werden. An dieser Stelle wollen wir ansetzen:

Wir wollen Kindern soziale Teilhabechancen ermöglichen – neben dem familiären und sozialen Umfeld geht es hier um Veränderung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – und damit um einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildungs- und Kultureinrichtungen. Bibliotheken sind die am stärksten genutzten Bildungs- und Kultureinrichtungen – sie garantieren den freien Zugang zu Bildung und Wissen. Die Frage ist: Wie wollen wir Teilhabeverluste minimieren, wenn in den vergangenen Jahren öffentliche Bibliotheken vermehrt Nutzungsgebühren erheben müssen?

So auch in Sachsen-Anhalt - von den im Jahr 1999 erfassten 127 hauptamtlich geleiteten Bibliotheken haben laut der Antwort auf die Große Anfrage nur 6 Bibliotheken Nutzungsgebühren für die Ausleihe des Bücher- und Medienbestandes erhoben. Im Jahr 2017 erheben von den 73 erfassten hauptamtlich geleiteten kommunalen Bibliotheken dagegen 55 Nutzungsgebühren. Das ist schon ein enormer Anstieg. Aber wenn wir wollen, dass Bibliotheken für unsere Kinder und Jugendlichen offenstehen, darf es für sie auch keine finanziellen Hürden geben. Deshalb schlagen wir die hier vorliegende Gesetzesänderung vor.

Der dritte Schwerpunkt unseres Gesetzentwurfes liegt in der Qualitätsentwicklung. In Paragraf 1 des aktuell gültigen Bibliotheksgesetzes haben wir Bibliotheken klar als Bildungseinrichtungen definiert. Wörtlich heißt es im Gesetz: „Die Bibliotheken sind Bildungseinrichtungen und dienen der Förderung der kulturellen Betätigung aller Einwohnerinnen und Einwohner. Sie sind Informations-, Kommunikations- und Lernorte und entsprechend ihren Aufgaben wichtige Kooperationspartner für andere Einrichtungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur.“

Wenn wir also Bibliotheken klar als Bildungseinrichtungen betrachten, müssen wir als Land auch ein Interesse daran haben, dass entsprechende Qualitätskriterien eingehalten werden. Um es zugespitzt zu formulieren: Wir wollen nicht, dass in irgendeiner Stadtverwaltung ein Bücherregal steht und man das als Bibliothek bezeichnet. Wir wollen Kriterien gesetzlich verankern, die eingehalten werden müssen, wenn das Land Einrichtungen fördern soll.

Als gutes Beispiel dient hier das Musikschulgesetz des Landes. Auch hier haben wir gesetzlich festgeschrieben, welche Qualitätsstandarts erfüllt werden müssen und die entsprechende Landesförderung zu erhalten. Auch bei den Musikschulen handelt es sich um kommunale Einrichtungen, die vom Land mit gefördert werden. Insofern lässt es sich gut miteinander vergleichen. Und mit dem Musikschulgesetz haben wir ja seit seinem Inkrafttreten gute Erfahrungen gemacht. Warum nicht dieses Modell auch bei anderen Kultursparten anwenden?

Als Land sollten wir immer die Bereitschaft signalisieren, Bibliotheken auch finanziell zu unterstützen und zu fördern, aber eben auch nur dann, wenn die Qualität stimmt. Als Kriterien haben wir formuliert: Regelmäßige Öffnungszeiten, aktueller Bestand, angemessene Personalausstattung auch hinsichtlich der fachlichen Qualifikation, geeignete Räumlichkeiten und Ausstattung. Das sind quasi Grundbedingungen und sollten von allen öffentlichen Bibliotheken auch eingehalten werden. Und im Übrigen sind dies auch die Forderungen des Bundesbibliotheksverbandes.

Anrede,

Mit der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage liegt ein gut verwertbares Datenmaterial vor. Hiermit lässt es sich gut arbeiten. Herzlichen Dank an dieser Stelle an die Staatskanzlei, die uns mit der Antwort auf unsere Anfrage das umfangreiche Zahlenmaterial zusammengestellt hat. Unser Gesetzentwurf ist quasi das Resultat aus den Antworten auf die Große Anfrage. Ich bitte um Überweisung des Gesetzes in die Ausschüsse Bildung und Kultur (FF) und mitberatend in den Finanzausschuss.