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Stefan Gebhardt zu TOP 05: Entwurf eines Bibliotheksgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (BIBG-LSA)

Die Linksfraktion bringt heute ein Bibliotheksgesetz in den Landtag von Sachsen-Anhalt ein. Seit vielen Jahren wird über ein solches Gesetz, über den Sinn und Zweck eines Bibliotheksgesetzes nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit diskutiert. Es wird von verschiedensten Organisationen empfohlen, ein solches Gesetz durchzusetzen.

Ein solches Gesetz wird von den unterschiedlichsten Stellen befürwortet. Die Linksfraktion befindet sich mit ihrer heutigen Einbringung und mit der Befürwortung eines solchen Gesetzentwurfes durchaus in guter Gesellschaft. So sprach sich im Jahr 2007 in ihrem Abschlussbericht auch die Bibliothekskonferenz Sachsen-Anhalts, die hier im Landtag einstimmig beschlossen wurde, einmütig und vehement für ein Bibliotheksgesetz in Sachsen-Anhalt aus.

Auch die Enquetekommission „Kultur in Deutschland" beim Deutschen Bundestag hat in ihrem Abschlussbericht ein solches Gesetz gefordert. Der Bundespräsident sprach sich während seiner Rede anlässlich der Wiedereröffnung der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar am 24. Oktober 2007 für Bibliotheksgesetze in den einzelnen Bundesländern in Deutschland aus.

Im Freistaat Thüringen, existiert bereits seit dem letzten Jahr ein Bibliotheksgesetz. In weiteren Bundesländern wird intensiv darüber diskutiert. Auch dort sollen Bibliotheksgesetze angeschoben werden.

Der Bibliotheksverband in Sachsen-Anhalt ist mit seiner Forderung also nicht allein. Er hat ein Muster für ein Bibliotheksgesetz vorgelegt, das Grundlage auch für unseren Gesetzentwurf war. Wenn man allerdings beide Gesetzentwürfe miteinander vergleicht, wird man schnell feststellen, dass unser Gesetz in ganz wesentlichen Punkten von dem Muster des Bibliotheksverbandes abweicht.

Was will die Linksfraktion mit einem solchen Bibliotheksgesetz erreichen?

Wir wollen, dass die Bibliotheken in unserem Land als eine Bildungseinrichtung und als ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft definiert und somit in der Gesellschaft gestärkt werden.

Die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, die wir in diesem Jahr diskutiert haben, verdeutlicht die Entwicklung der Bibliothekslandschaft in den letzten Jahren. Danach sind seit 2002 ca. 100 Bibliotheken im Land geschlossen worden. Es gab größere Einbrüche bei der Zahl der Nutzer. Die größten Einbrüche gab es seit dem Zeitpunkt, als man anfing, Gebühren zu erheben. Das ist in der Statistik sehr gut nachvollziehbar. Auch die Erneuerungsquote beim Bestand ist mit 5,7 % relativ niedrig.

Es gibt aber auch positive Fakten in unserem Land, die ich nicht verschweigen will. Grundsätzlich gibt es in Sachsen-Anhalt ein gut genutztes Bibliotheksnetz. Es gibt wissenschaftliche Bibliotheken, Spezialbibliotheken und über 200 Schulbibliotheken. Die Zahl der Kinder bis zwölf Jahre, die Bibliotheken regelmäßig nutzen, ist ebenfalls gestiegen, ebenso die Anzahl der Ausleihen pro Nutzer.

Das alles sind positive Aspekte, die uns auch dazu bewogen haben, einen solchen Gesetzeinzubringen. Es geht uns nicht darum, dass jährlich Tausende neue Bibliotheken entstehen, sondern darum, dass der Status quo des Bibliotheksnetzes in unserem Land gesichert wird.

Unser Gesetz versucht, Antworten auf die Entwicklungen zu geben und den Status der Bibliotheken in der Gesellschaft zu stärken. Bibliotheken leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bildung und zur Förderung der Lesekompetenz. Sie sind für unsere Kulturlandschaft unersetzlich und leisten auch einen enormen wissenschaftlichen Beitrag. Sie sind  Orte der Begegnung und der Kommunikation.

Nun zu den Regelungen im Einzelnen. Wir versuchen, mit unserem Gesetzentwurf eine Definition der Bibliotheken unter bestimmten Kriterien vorzunehmen, denn in Bezug auf Bibliotheken haben wir bisher einen absolut rechtsfreien Raum. Es gibt keine gesetzliche Definition für Bibliotheken. Letztlich ist es so, dass sich jeder ein Bücherregal in die Ecke stellen und sagen kann: Ich habe eine Bibliothek. Das wäre rein theoretisch möglich, ist aber mit Sicherheit nicht im Sinne der Erfinder. Wir sprechen deshalb in unserem Gesetz von verschiedenen Attributen und bestimmten Kriterien wie „leistungsstark", „barrierefrei", „den Informationsbedürfnissen verpflichtet" und machen konkrete Aussagen zur Bestandserneuerung.  

Ich möchte auf die zwei im Gesetzenthaltenen Knackpunkte zu sprechen kommen.

Zum einen geht es um § 3 - Öffentliche Bibliotheken. Dort heißt es in Absatz 1 Satz 2: „Die einzelnen Landkreise und die zu ihrem Kreisgebiet gehörenden Einheits- und Verbandsgemeinden haben die gemeinsame Aufgabe, in Zusammenarbeit miteinander und in Abstimmung untereinander das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf gut erreichbare öffentliche Bibliotheken zu sichern."

Diese Formulierung ist von uns ganz bewusst gewählt worden, weil sie die Sicht der Nutzerinnen und Nutzer und nicht die der Kommune einnimmt. Wir machen uns die Sichtweise der Nutzerinnen und Nutzer zu Eigen und sprechen von einem Recht, das sie auf ein gut erreichbares, gesichertes Bibliotheksnetz haben.

Und natürlich ist mit dieser Formulierung vorgegeben, dass Bibliotheken dann - nicht für jede einzelne Kommune, aber in ihrer Gesamtheit - eine Pflichtaufgabe darstellen. Wir haben von einer konkreten Aufgabe für die einzelnen Landkreise und die zu ihrem Kreisgebiet gehörenden Einheits- und Verbandsgemeinden gesprochen. Das ist von uns auch so beabsichtigt. Wir wollen, dass es in einem Landkreis einen Dialog mit den zugehörigen Kommunen gibt und dass sie sich gemeinsam zu der Frage verständigen: Wie können wir gemeinsam, auch gemeinsam finanzierend, ein gut erreichbares Bibliotheksnetz für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis aufrechterhalten? Wie können wir es ab sofort gemeinsam schultern? Wir wollen diesen Dialog zwischen den Kommunen ganz bewusst. Wir wollen, dass sie sich verpflichtet fühlen, ihren Bürgerinnen und Bürgern ein solches Angebot zu unterbreiten.

Nun kann schnell der Vorwurf erhoben werden, dass dies ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung sei. Schauen wir uns einmal an, wie die kommunale Selbstverwaltung in der Praxis funktioniert. Ich selbst bin Kreistagsabgeordneter und auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind kommunalpolitisch aktiv. Sie wissen genau, wie es sich verhält, wenn ein Kreistag oder ein Stadtrat völlig selbstbestimmt einen Haushaltsplan verabschiedet und darin festlegt: Wir wollen dieses oder jenes für unsere Bürgerinnen und Bürger - meinetwegen auch diese oder jene Bibliothek - aufrechterhalten. Dann wird der Haushalt ganz souverän von frei gewählten Abgeordneten oder frei gewählten Kreistagsmitgliedern beschlossen. Und dann kommt die Kommunalaufsicht und sagt: Das dürft ihr nicht, dies dürft ihr nicht und jenes dürft ihr nicht.

Ich glaube, kommunale Selbstverwaltung sieht etwas anders aus - jedenfalls nicht so, dass im Endeffekt ein Amt darüber entscheidet, ob eine Bibliothek bleiben darf oder nicht. Dieser Passus wäre, wenn er denn Gesetz wäre, keine Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung, sondern unter dem Strich sogar deren Stärkung , weil sich die Kommunen auf ein Gesetz berufen und sagen könnten: Wir haben gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern die Pflicht, ein Bibliotheksnetz vorzuhalten.

§ 8 ist der zweite Punkt, den ich hervorheben möchte. Darin geht es um die Finanzierung von Bibliotheken. Absatz 1 ist mit Sicherheit unstrittig: Die Träger der Bibliotheken sind auch für die Finanzierung zuständig. Ich glaube, dass sich das Land auch punktuell an einem leistungsstarken Bibliothekssystem in unserem Land beteiligt, dürfte unstrittig sein.

Wir haben in § 8 Abs. 2 festgeschrieben, dass für Kinder und Jugendliche die Nutzung von Bibliotheken unentgeltlich sein soll. Wenn wir uns darin einig sind, dass Bibliotheken der Leseförderung dienen sollen, wenn wir uns darin einig sind, dass sie ein unverzichtbarer Bestandteil der Kulturlandschaft und eine Bildungseinrichtung sind, dann ist es aus unserer Sicht nur logisch, dass wir insbesondere für Kinder und Jugendliche, eine Personengruppe, die kein eigenes Einkommen hat, sondern von ihren Eltern abhängig ist, die Barriere für den Bibliotheksbesuch so niedrig wie möglich gestalten bzw. einen uneingeschränkten Zugang zu Bibliotheken zu ermöglichen. Deshalb sollten aus unserer Sicht Kinder und Jugendliche von der Nutzungsgebühr befreit sein. Das ist eine logische Konsequenz, wenn wir Bibliotheken als Bildungseinrichtung planen. Wir können natürlich die in der Pisa-Studie deutlich gewordene mangelhafte Lesekompetenz beklagen, wir können aber auch handeln.

Wir haben im Gesetz Regelungen zur Landesfachstelle getroffen und sie als Landeseinrichtung definiert. Wir machen Aussagen zu wissenschaftlichen Bibliotheken, Schulbibliotheken, gehen auf die Barrierefreiheit ein, die wir für das Bibliothekswesen einfordern. Wir gehen auf Interkulturalität als Beitrag zur Integration ein und wollen natürlich auch die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen und Bildungseinrichtungen im Land befördern.

Derzeit führt die Fraktion DIE LINKE eine intensive Diskussion mit dem Bibliotheksverband in Sachsen-Anhalt und mehreren Bibliotheken im Land, die wir besuchen. Bei den Bibliotheken, die wir bisher besucht und mit denen wir uns zu dem Gesetzverständigt haben, konnten wir breite Zustimmung zu unserem Gesetzerfahren.

Ich erwarte die Bereitschaft zur Diskussion und zu einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit diesem Thema.