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Sabine Dirlich zu TOP 31: Ausgestaltung der Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt

Auch dieses Thema diskutieren wir heute nicht zum ersten Mal, und nicht einmal die Punkte, die in unserem Antrag stehen, diskutieren wir heute zum ersten Mal. Aber es gibt einen aktuellem Anlass. Wir diskutieren es, weil das Projekt Bürgerarbeit nun im Bund etabliert werden soll und weil der Streit über die Ausgestaltung dieser Bürgerarbeit schon längst ausgebrochen ist.

Wir haben die Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt von Anfang an kritisch begleitet. Unsere Position war von Beginn an ambivalent. Wir haben von Anfang an gesehen, dass das Projekt einem Ansatz folgt, den auch wir vorschlagen, nämlich die Leistungen von Hartz IV zusammenzufassen und sie anstatt als eine Sozialleistung als Arbeitsentgelt an die Betroffenen auszuzahlen und sie dabei in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt umzuwandeln.  
Wir haben sehr wohl von Anfang an auch die positiven Aspekte dieses Projekts gesehen. Wir haben beispielsweise begriffen, dass es möglich ist, das Ausmaß von vorhandener, aber nicht geleisteter gesellschaftlicher Arbeit sichtbar zu machen. Wenn in einer Stadt wie Bad Schmiedeberg 130 Personen in überwiegend sinnvolle Tätigkeiten vermittelt werden konnten, dann ist das ein Zeichen dafür, wie viel Arbeit bis dahin dort liegen geblieben ist. weil sie nicht bezahlt werden konnte oder weil die Wirtschaft nicht davon profitiert.  

Wir haben zweitens gesehen, dass die Philosophie von Hartz IV aber gründlich über den Haufen geschmissen worden ist, nämlich der Glaube, die Leute besäßen zu wenig Motivation. Das haben wir daran gemerkt, dass unter den vielen - über 400 - Menschen, die dort aktiviert worden sind, gerade drei oder fünf waren, die sich geweigert haben, Arbeit anzunehmen. Für diese fünf Leute gibt es ein ganzes Gesetz.

Wir haben selbstverständlich auch gesehen, dass das Selbstwertgefühl der nun ehemaligen Arbeitslosen dabei sehr wohl gewinnt.

Allerdings haben wir auch von Anfang an auf die Schwachstellen des Projekts aufmerksam gemacht. Wir haben nämlich gesagt, dass die Höhe des Einkommens so nicht geht, weil sie die Betroffenen im System von Hartz IV festhält und weil das auch Absicht ist. Das war unser Kritikpunkt. Die Bürgerarbeit - das war der Grundsatz - darf nicht mehr kosten, als ohnehin ausgegeben werden muss. Interessant ist übrigens, dass dieser Spruch, den am liebsten die FDP zitiert, dass Arbeit mehr einbringen muss als Arbeitslosigkeit, wofür ich absolut bin, immer nur dann herausgekramt wird, wenn es darum geht, die Höhe der Sozialleistungen anzugreifen, und nicht, wenn es darum geht, die Höhe der Einkommen anzugreifen.

Wir haben des Weiteren von Anfang an kritisiert, dass die Beschäftigungsverhältnisse nicht voll sozialversichert sind. Auch das hält Betroffene im System Hartz IV fest, unter anderem deshalb, weil sie keine neuen Ansprüche auf Arbeitslosengeld I erwerben können. Auch das ist Absicht. Aber es ist auch ungerecht, wenn man nämlich bedenkt, dass Bürgerarbeit bis zu drei Jahre dauern kann und dass Menschen normalerweise bereits nach einem Jahr Arbeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I von mindestens einem halben Jahr erwerben.  
Wir haben kritisiert, dass die Zuweisung in die Bürgerarbeit durch die Ämter geschieht und dass das ohne Wahlmöglichkeiten für die Betroffenen passiert. Da haben wir es mit sehr unterschiedlichen Problemen zu tun gehabt. Es kann immerhin sein, dass Menschen für bestimmte Tätigkeiten unterqualifiziert sind. Wenn Menschen eine Bibliothek aufbauen sollen, die selten Bücher lesen, kann man das durchaus ambivalent sehen.
Es ist aber auch eine Überqualifikation möglich oder es ist möglich, dass Leute gar nicht die soziale Kompetenz haben, zum Beispiel Beratungs- oder Betreuungstätigkeit durchzuführen, weil sie selber Beratung und Betreuung brauchen. Aber das ist in dem Projekt nicht berücksichtigt. So kommt es zu Frustrationen und so kommt es auch dazu, dass Menschen Arbeit ablehnen, und dann kommt es leider zu Sanktionen. Das ist möglicherweise eines der Ziele des Projekts gewesen und auch das kann man nur kritisieren.

Aus all diesen Problemen resultiert unser Antrag. Sie finden zu den benannten Problemen unsere Vorschläge. Wir halten den Antrag auch deshalb für notwendig, weil schon jetzt sichtbar wird, dass das Bundesprojekt unter den gleichen Bedingungen stattfinden soll wie das Modellprojekt in Sachsen-Anhalt.

Um einigen Argumenten vor allem der CDU gleich von Anfang an zu begegnen: Sie haben selbstverständlich vollkommen Recht, wenn Sie sagen, Sie könnten niemandem erklären, warum eine Frisörin mit einem Tarifabschluss und einer 40-Stunden-Woche weniger verdient als ein Bürgerarbeiter mit 30 Wochenstunden in einer Arbeitsmaßnahme. Genau das können Sie niemandem erklären. Aber mein Problem ist, dass Sie die Höhe des Einkommens des Bürgerarbeiters angreifen und sich nicht um das Einkommen der Frisörin kümmern.
Das Einzige, was wirklich hilft, ist ein gesetzlicher Mindestlohn.
Wir wollen mit solchen Forderungen Druck ausüben. Wir wollen  Druck ausüben auf eine Gesellschaft, die es zulässt, dass Menschen trotz einer Vollzeittätigkeit auf staatliche Hilfe angewiesen sind, denn das kann einfach nicht wahr sein.