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Sabine Dirlich zu TOP 19: Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft

Das Bundeskabinett hat am 7. Oktober 2009 einen Gesetzentwurf zur weiteren Absenkung des Finanzierungsanteils des Bundes an den Kosten der Unterkunft beschlossen. Der Bundesanteil soll von durchschnittlich 26 % auf 23,6 % abgesenkt werden.
Für Sachsen-Anhalt bedeutet dies, dass der Bundesanteil von bisher 25,4 % auf 23 % sinkt. Das ist der tiefste Stand seit der Einführung des SGB II. Bundesweit wurden Mehrbelastungen der Kommunen in Höhe von 2 Milliarden Euro ausgerechnet, die sich durch dadurch ergeben. Der Städte- und Gemeindebund hat diese Zahl bekannt gegeben.

Die Regelung des § 46 Abs. 5 SGB II sieht bundesweit eine jährliche Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro vor. Das bedeutet für Sachsen-Anhalt eine Entlastung in Höhe von ca. 80 Millionen Euro. Dieses Ziel ist weder im letzten noch in diesem Jahr erreicht worden.
Der Landkreistag geht davon aus, dass den Kommunen aufgrund des Gesetzentwurfes des Bundes zusätzlich 2 Milliarden Euro fehlen werden, und zwar zusätzlich deshalb, weil aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise mit wegbrechenden kommunalen Steuereinnahmen und steigender Arbeitslosigkeit zu rechnen ist. Die Möglichkeit der Kreise, die an den Steuereinnahmen ohnehin nur mittelbar beteiligt sind, per Kreisumlage die Städte und Gemeinden zunehmend heranzuziehen, wird ebenfalls deutlich stärker eingeschränkt sein als in den Jahren zuvor.

Wir haben im Kreistag des Salzlandkreises bereits mehrfach Stundungen von Kreisumlagen verschiedener Gemeinden beschließen müssen, weil die Gemeinden mit ihrer Finanzkraft schlicht und einfach am Ende waren und darauf hoffen mussten, Hilfe vom Land zu erhalten.
Alle Beteiligten gehen davon aus, dass die Kosten der Unterkunft im kommenden Jahr massiv steigen werden. Bleibt es bei der vorgesehenen Reduzierung der Bundesbeteiligung, werden die absehbaren Kostensteigerungen, vor allem bei den Wohnnebenkosten, vollends zulasten der Kommunen gehen.

Diese Entwicklung nicht zuzulassen, ist das Anliegen unseres Antrages. Ich weiß uns einig mit einer recht illusteren Reihe politischer Kräfte. Ich kenne Anträge der LINKEN aus verschiedenen Ländern, ich kenne aber auch einen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP im Niedersächsischen Landtag. Ich kenne das Votum der Länder im Bundesrat und auch die Erklärungen des Städte- und Gemeindebundes und des Landkreistages. Ich kenne Forderungen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, unter anderem auch von Herrn Trümper.

„Es ist ein unfreundlicher Akt, wenn die Bundesregierung nach wochenlangem Protest der Kommunen meint, ihnen mitten in der Wirtschaftskrise trotz wachsender Arbeitslosigkeit zusätzliche Lasten aufbürden zu können.“ Diesen Vorwurf habe ich zitiert, und zwar aus den Worten des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetages Dr. Stephan Artikus.

Wir fordern deshalb im ersten Punkt unseres Antrages, die Landesregierung mit einem klaren Auftrag auszustatten. Die Absenkung der Bundesbeteiligung konterkariert die gesetzliche Festlegung einer bundesweiten Entlastungswirkung des SGB II, die schon jetzt bei Weitem nicht erreicht wird.  

Wir müssen und sollten uns als Landtag eindeutig zu dieser Entlastungswirkung bekennen und uns eindeutig gegen die Senkung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft aussprechen. Diese Entlastungswirkung für die Kommunen war eines der wichtigsten Versprechen, die mit dieser Reform des SGB II gegeben wurden. Auch daran muss an dieser Stelle erinnert werden.  

Das eigentliche Problem allerdings ist die Anpassungsformel. Es ist entscheidend, dass aus der Sicht des Bundesrates und der kommunalen Spitzenverbände die generelle Regelung, die dem zugrunde liegt, erst zur Absenkung des Bundesanteils führt. Der Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft kann jährlich neu festgelegt werden und es wird dabei von der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften ausgegangen und nicht von der Entwicklung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Das bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass dann, wenn die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sinkt, auch der Bundesanteil, die Bundesbeteiligung sinken könne.
Mir erschließt sich dieser Zusammenhang nicht wirklich. Wenn man die Kommunen entlasten will, dann könnte man das auch in jedem Jahr intensiver tun.

Es gibt zwischen der Senkung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften und der Reduzierung der Zahlungen der Kosten der Unterkunft keinen kausalen Zusammenhang. Das hat übrigens selbst die Bundesregierung festgestellt, was aus einer Kleinen Anfrage der LINKEN im Deutschen Bundestag an die Bundesregierung ziemlich eindeutig hervorgeht. Dass es da keinen kausalen Zusammenhang gibt, liegt laut Bundesregierung an den steigenden Energiekosten und den steigenden Heizkosten, auch an der Größe der Bedarfsgemeinschaften. Wenn also die Zahl der Bedarfsgemeinschaften steigt, muss das nicht heißen, dass am Ende die Zahl der Empfänger und Empfängerinnen steigt.  

Laut einer Statistik des Landkreistages steigt spätestens seit 2008 der Anteil der Kommunen an den Kosten der Unterkunft schneller, als der Anteil des Bundes sinkt. Die Schere wird immer größer, es entwickelt sich immer weiter auseinander.
In Sachsen-Anhalt hat sich im Jahr 2008 die Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 4,1 % vermindert, die Kosten der Unterkunft haben sich dagegen nur um 3,5 % verringert. Auch hier sieht man, dass die Verminderung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften nicht einhergeht mit einer gleichmäßigen und gleichförmigen Senkung der Kosten der Unterkunft.

Im Jahr 2009 hat sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften bisher im Trend um 3,7 % vermindert, und man geht davon aus, dass die Kosten der Unterkunft gleich bleiben werden, was unter anderem an den steigenden Energiekosten und Heizkosten liegt. 

Der Salzlandkreis hat für sich eine Mehrbelastung von ca. 1 Million Euro errechnet. Die Auswirkungen auf den Haushalt sind bisher noch nicht absehbar, weil wir schon jetzt in unserem Kreis ein Defizit von mehr als 40 Millionen Euro haben und weil wir schon jetzt nicht in der Lage sind, das Konsolidierungsziel, das uns das Landesverwaltungsamt aufgegeben hat, zu erreichen, weil uns jetzt schon die Pistole des Landesverwaltungsamtes auf der Brust sitzt, weil schon jetzt Einrichtungen wie die Kammerphilharmonie, das Museum, das Theatrum Bernburg und andere auf der Abschussliste stehen.
Deshalb haben wir im Antrag gefordert, dass sich die Bundesbeteiligung zukünftig an der Entwicklung der tatsächlichen Ausgaben orientiert und eben nicht mehr an der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften. 
Der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung am 6. November 2009 in einer Stellungnahme ebenfalls entsprechend geäußert und ist damit einer Empfehlung seines eigenen Sozial- und Innenausschusses gefolgt. Der Bundesrat muss zwar nicht um Zustimmung gebeten werden, aber er kann den Vermittlungsausschuss anrufen, wenn die Bundesregierung bei ihrer Haltung bleibt. Dann braucht die Entscheidung im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. Wenn dann der Bundesrat entscheidet, bei der Ablehnung dieses Gesetzentwurfs zu bleiben, dann braucht es im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit, um diesen Gesetzentwurf doch noch durchzusetzen.
Die Hürde kann also durch den Bundesrat wesentlich höher gelegt werden. Genau das ist das Anliegen unseres heutigen Antrages: Der Landtag gibt der Landesregierung eindeutig den Auftrag, in ihrer Entscheidung hart zu bleiben, bei der Empfehlung des Bundesrates, bei dieser Stellungnahme zu bleiben und diese nicht zu ändern. Wir müssen uns heute schon eindeutig für die Interessen der Kommunen stark machen, auch und vor allem angesichts unseres eigenen Landeshaushaltes, der weitere Belastungen der Kommunen nicht abfangen kann.

Wir müssen im Zusammenhang mit der Koalitionsvereinbarung die Interessen der Kommunen noch an anderen Stellen vertreten und verteidigen. Jetzt werden zum Beispiel in der Stadt Magdeburg nahezu 40 % der Kosten der Unterkunft an Menschen gezahlt, die trotz Beschäftigung ihren Lebensunterhalt nicht ohne Unterstützung bestreiten können - ich betone: 40 %.
Diesen Personenkreis noch mehr zu erweitern, indem die Hinzuverdienstregelungen geändert werden, mag sich für den Betroffenen, für den Einzelnen ganz gut anhören, die Kommunen werden das nicht schultern können und das Land kann es auch nicht.

Mit der Einführung des SGB II, mit der Einführung von Hartz IV war im Grunde die Ausweitung des Niedriglohnsektors, der jetzt so beklagt wird, angelegt. Welche Wirkungen diese Hinzuverdienstregelungen jetzt schon haben, das ist mir in einem Gespräch deutlich geworden, das ich neulich in einer Optionskommune hatte. Dort musste sich eine Mitarbeiterin in einem SGB II-Träger anhören, dass ein potenzieller Arbeitgeber, der darauf angesprochen wurde, dass er wohl ein ziemlich mieses Lohnangebot macht, gesagt hat: „Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Der Betroffene kriegt doch von Ihnen soundso viel Geld. Warum soll ich dem noch mehr zahlen?“

Das ist die Wirkung, die mit diesem Gesetz erzielt wird.

Wie den Satz „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss!“, wiederhole ich den Satz „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir in diesem Land einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen!“. Wir kommen nicht darum herum.