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Nicole Anger zu TOP 5

Sehr geehrte Damen und Herren,

Krankenhäuser müssen endlich in die Lage versetzt werden, nach Bedarf, Behandlungsqualität und Gemeinwohl organisiert zu sein. Die Patient:innen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten müssen im Mittelpunkt stehen und nicht die Profite. Wir brauchen endlich eine Abkehr vom finanziellen Druck. Wir brauchen eine Abkehr von der Ausnutzung der moralischen Verpflichtung des Personals gegenüber den Patient:innen.

Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge! Die Gesundheitsversorgung muss wohnortnah und erreichbar sein. Die Privatisierung in den letzten mehr als zwanzig Jahren hat genau das Gegenteil davon erreicht! Dem gilt es endlich Einhalt zu gebieten! Dafür muss die bevorstehende Reform des Bundes aber ebenso das Gutachten des Landes genutzt werden. Sachsen-Anhalt muss diese anstehende Reform zugunsten einer besseren Versorgung nutzen.

Und mit wem kann man den Bedarf einer flächendeckenden, wohnortnahen, erreichbaren Gesundheitsversorgung besser angehen als mit all ihren Beteiligten? Deswegen beantragen wir heute das Einsetzen einer Gesundheitspolitischen Kommission. Eine Kommission, die deutlich breiter aufgestellt ist als der Krankenhausplanungsausschuss. Eine Kommission, die die Menschen, die demografische Entwicklung, die Entwicklung der Morbidität, die Erreichbarkeiten der Gesundheitsversorgung, das Personal und die Personalgewinnung in den Blick nimmt.

Ja, meine Damen und Herren,

das ist eine Mammutaufgabe. Und ja, es wird kein Sprint, sondern ein Marathon. Dies ist aber erforderlich, weil es in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht angegangen wurde. Die Auswirkungen spüren wir jetzt umso akuter.

Den Krankenhäusern im Land steht aber seit Langem das Wasser bis zum Hals. Gesundheit an Profiten auszurichten ist ein Systemversagen mit Ankündigung! Und akut ist, dass weitere Stationen gerade im ländlichen Raum schließen. Dies ist eine kalte Marktbereinigung und steht im Widerspruch zu dem Versprechen der Koalition in Ihrem Koalitionsvertrag.

Sie alle kennen die aktuelle Situation. Jetzt schließt in Zeitz die Pädiatrie und in Magdeburg die Kinder-ITS ist bereits zu. Dies werden nicht die letzten Schließungen sein, wenn wir nicht endlich aktiv die Sache in die Hand nehmen. 

Wir brauchen eine sofortige Sicherung der vorhandenen Krankenhausstruktur. Bevor in diesem Bundesland nicht eindeutig geklärt ist, wie eine sichere medizinische Versorgung der Menschen aussehen kann und muss und auch wie wir unsere medizinischen Fachkräfte halten, ausbilden und gewinnen, darf es hier zu keinem weiteren Abbau, zu keinen Schließungen kommen!

Wir haben das Gutachten der Partnerschaft Deutschland im Abstrakt vorliegen. Daran sind deutlich erste Erkenntnisse abzuleiten:

Es wird eine medizinische Unterversorgung im nördlichen Sachsen-Anhalt festgestellt > nördlich von Magdeburg gibt es keinerlei Schwerpunktversorgung, von einer erweiterten oder gar umfassenden Notversorgung ganz zu schweigen, diese ist aus der nördlichen Altmark nur mit Fahrzeiten von über 45 Minuten zu erreichen - gerade bei lebensbedrohlichen Situationen wie einem Schlaganfall sind zu lange Wege und damit zu lange Fahrzeiten lebensgefährlich. Was für ein Gesundheitsrisiko für die Menschen in der Altmark! 

Mehr als doppelt so viele Menschen fahren zu medizinischer Versorgung in die benachbarten Bundesländer als zu uns kommen - hier fehlt also Expertise > das heißt, wir schaffen es nicht, die Menschen in Sachsen-Anhalt adäquat zu versorgen

Es werden deutlich mehr Investitionen für die versorgungsrelevanten Krankenhäuser gefordert > das sollte deutlich den Fokus auf den Norden des Landes lenken

Der Fachkräftemangel ist bei fast allen Trägern deutlich wahrnehmbar > ja, wir brauchen eine klare Personalgewinnungsstrategie

Die wirtschaftliche Situation wird als schlecht und sich weiterhin verschlechternd dargestellt >> einen Rettungsschirm haben wir bereits gefordert, ein kleines Schirmchen ist es geworden.

Für uns heißt das, wir müssen aktiv werden. Wir müssen dieses Gutachten und seine Empfehlungen, die dann Ende Mai auch ausführlich vorliegen werden, miteinander diskutieren. Aber bis zum Abschluss dieser Diskussion muss es ein Moratorium geben, welches den Krankenhäusern den Bestand zusichert und Schließungen von Stationen, Fachabteilungen und ganzen Häusern verhindert. Das ist deswegen notwendig, damit sowohl nicht noch mehr Fachkräfte uns verloren gehen und zum anderen die Patient:innen sich nicht um ihre Gesundheit noch zusätzlich sorgen müssen. Oder anders gesagt: Versuchen Sie mal ihre Zukunft mir einer Perspektivlosigkeit zu planen? Wo wollen Sie hin, wenn Sie nur von Unsicherheiten und Unbekannten umgeben sind?

Hinzu kommt die Reform im Bund. Auch wenn es da nun mittlerweile verschiedene Rechtsgutachten gibt, ob der Bund das überhaupt darf und wenn ja, was genau und was auch nicht. Eines ist sicher, es muss sich etwas tun auf Bundesebene. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel, aber auch aufgrund der jahrelangen Fehlsteuerungen der DRG-Finanzierung sind strukturelle Reformen unabdingbar. Wir sehen es daran, dass gerade im ländlichen Raum die Häuser um das Überleben kämpfen - oder eben wie im Norden des Landes auch schon weg sind. Allein die Finanzierung muss komplett von den Fallpauschalen weg. Aber eine Reform, die Krankenhäuser lediglich aus Kostengründen schließt oder Betten abbaut, verringert nur die Versorgungsqualität. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.  

Gesundheitsversorgung ist eine Daseinsvorsorge und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Mitglieder des Krankenhausplanungsausschusses decken diese gesellschaftliche Breite nicht ab und haben auch ihre eigenen Kriterien, nach denen sie den Krankenhausplan aufstellen. Wobei man auch immer wieder sagen muss, dass das Wort Plan hier eher weniger mit Planungen und Prospektivität zu tun hat. Aktuell ist der Krankenhausplan nur der Ist-Stand der Einrichtungen zu einem bestimmten Stichtag. 

Deswegen wollen wir genau diese Debatte und diese Planung breiter und vor allem auch demokratischer aufstellen. Neben den Vertreter:innen aus dem Bereich der Krankenhäuser, Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigung wollen wir auch gesellschaftlich relevante Organisationen mit an den Tisch holen. Dazu gehören unseres Erachtens nach Interessenvertretungen der unterschiedlichen Lebenslagen und -situationen, die Gewerkschaften mit dem Blick auf die Fachkräfte, die kommunalen Spitzen, weil sie auch den Sicherstellungsauftrag haben, aber eben auch Patient:innenvertretungen und Verbraucherschutz.

Die Bedarfsplanung muss wieder stärker demokratisiert werden, um die Gesellschaft in den notwendigen Aushandlungsprozess zu integrieren. Dafür gibt es eine rechtliche Grundlage. Diese bietet der § 90a SGB V und ermöglicht es eindeutig, ein Gremium, welches breiter gesellschaftlich als der aktuelle Krankenhausplanungsausschuss ist, einzusetzen. Ziel muss eine bedarfsgerechte Versorgung sein.

Es gilt, die Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt zu gestalten. Und zwar so, dass wir dies gemeinsam mit allen Akteur:innen tun. Diese Kommission muss den Auftrag haben, einen gesellschaftlichen Anspruch an die Politik, konkret an die Landesregierung zu formulieren.

Wir brauchen einen aktiven Prozess, der jetzt beginnen muss. Denn weiter Abzuwarten ist die Akzeptanz des Wegbrechens von medizinischer Versorgung. Es ist die Akzeptanz der weiteren Ausdünnung und damit steigender Unattraktivität des ländlichen Raumes. 

Das Gutachten warnt bereits davor, denn es beschreibt eine medizinische Unterversorgung im nördlichen Sachsen-Anhalt, die bereits besteht. Ob dieser allein mit der Anschaffung eines weiteren Rettungshubschraubers entgegengewirkt werden kann, wage ich zu bezweifeln. 

Es muss geklärt werden, was bedeutet ’wohnortnahe Versorgung’? Fahrzeiten bis zum nächsten Krankenhaus in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt noch weiter zu erhöhen, geht zulasten der Gesundheit der Menschen. Die Anschaffung eines weiteren Rettungshubschraubers wird diese Fragen für alles nördlich von Magdeburg nicht klären. Und schon gar nicht für die Versorgung ausreichen. Mal ganz davon abgesehen, dass so ein Hubschrauber auch Landemöglichkeiten braucht… hindernisfreie Fläche, fester Untergrund, kein Bewuchs höher als 30 cm, keine Stromleitungen, Masten, etc….
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie als regierungstragende Fraktionen genauso wie die Landesregierung selbst werden sich daran messen lassen müssen, ob es Ihnen gelingt, die Standorte zu retten, zu sichern und eine wirkliche wohnortnahe und erreichbare medizinische Versorgung im gesamten Land Sachsen-Anhalt vorzuhalten. Dieses Jahr noch müssen dazu die entsprechenden Weichen gestellt werden. Entscheidungen müssen getroffen werden. Und in diesem Zusammenhang erinnere ich Sie gern an Ihr Versprechen im Koalitionsvertrag:

  1. Sie sichern in diesem zu, keine Diskussion zu Schließungen von Standorten zu führen! Insofern senden Sie bitte das klare Signal, dass es jetzt zu keiner weiteren Schließung auch nur einer einzigen Station kommt. 
  2. Auf der Basis der existierenden Standorte wollen Sie die Grundversorgung sichern. Dann tun Sie dies bitte jetzt aktiv und halten Sie diese entsprechend vor! 
  3. Sie wollen, sofern für die Versorgung unverzichtbare Krankenhäuser ihren Versorgungsauftrag nachhaltig nicht mehr erfüllen können, durch das für Gesundheit zuständige Ministerium einen Trägerwechsel unterstützen. Dieser Tatbestand ist bereits eingetreten. Ich kann Sie nur auffordern, hier über eine Rekommunalisierung und eine Landes-Holding mit uns ins Gespräch zu kommen. Die Gesundheit der Menschen darf nicht länger dem Markt unterworfen werden. Die Gesundheitsversorgung gehört in die öffentliche Hand. Ohne Wenn und Aber!

Wir haben keine Zeit mehr zu warten, denn mit jedem Tag mehr wird die Lage immer ernster, die Gesundheitsversorgung immer gefährdeter. Das können wir uns in Sachsen-Anhalt nicht erlauben. Wir müssen sowohl den Fachkräften als auch den Menschen vor Ort eine Perspektive für Versorgung und Arbeit unterbreiten.

Und ja, wir brauchen die Strukturdebatte. Und ja, bei der Strukturdebatte muss auch die Eigentumsdebatte geführt werden. Und ja, der Bund muss durch Sie aufgefordert werden, sich zur Gesundheitsversorgung als grundsätzliche Daseinsvorsorge wie es auch bei der Feuerwehr der Fall ist, zu bekennen. 

Und es braucht ein Personalentwicklungskonzept. Wie halten wir Fachkräfte, wie bilden wir Fachkräfte für Sachsen-Anhalt aus, wie gewinnen wir Fachkräfte? Wie gelingt es besser, unsere Landeskinder auszubilden und hier zu halten? Welche Rolle spielt dabei auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse? Welche Rahmenbedingungen braucht es außerhalb des Jobs? Welche Unterstützung wünschen sich zuziehende Fachkräfte? Welchen Beitrag kann dabei auch Telemedizin spielen

Diese erledigt sich aber alles von selbst, wenn wir nicht vorab und zwar jetzt die Lage der Krankenhäuser stabilisieren! Wir können und müssen demokratisch eine Krankenhausplanung im Land aktiv gestalten. Und wir müssen verhindern, dass weitere Einschnitte in der medizinischen Versorgung folgen. Dies gilt umso mehr, dass die ersten Vorschläge zur Bundes-Krankenhausreform herbe Struktureinschnitte immer wahrscheinlicher machen.  

Die Menschen in Sachsen-Anhalt brauchen jetzt ein klares und eindeutiges Signal und Klarheit von Ihnen, wie es weitergehen soll. Und zwar über diese Legislaturperiode hinweg. Wir müssen beim Thema Gesundheitsversorgung viel langfristiger denken und agieren! Sie haben diese Verantwortung für die Menschen hier im Land übernommen, werden sie dieser gerecht! Lassen Sie uns diese Kommission einberufen und gemeinsam diskutieren, wie wir die medizinische Versorgung gut aufstellen. Gesundheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Lassen Sie uns dies auch so miteinander diskutieren und umsetzen!