Nicole Anger zu TOP 3: AD Alarmstufe Rot! Krankenhäuser in Not!
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor wenigen Tagen fand ein bundesweiter Protesttag der Krankenhäuser statt - Alarmstufe Rot. Wenige Tage zuvor der Protesttag Apotheken und heute Morgen vor dem Landtag haben die Zahnärzt:innen demonstriert! Nicole Unsere Fachkräfte des Gesundheitssystems gehen auf die Straße, weil sie keinen anderen Weg mehr sehen, um auf sich und ihre Situation aufmerksam zu machen. Augenscheinlich fühlen sie sich von der Landesregierung und auch der Bundesregierung weder ernstgenommen noch eingebunden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir müssen uns ernsthaft der Frage stellen: Wie krank ist unser Gesundheitssystem? Wie ausgebrannt sind die Menschen, die in ihm arbeiten? Und hilft hier Zuspruch nach dem Motto, das wird schon wieder? Also wie ein Pflaster kleben bei einem aufgeschlagenen Knie. Oder braucht es endlich eine klare Haltung von Land und Bund? Weil es eben doch eine große und komplexe OP ist?
Sehr geehrte Damen und Herren,
Verkündungen haben wir in den letzten Wochen und Monaten viele gehört. Verkündungen einer Krankenhausreform des Bundes, Verkündungen eines Gutachtens im Land. Was aber nicht folgt, sind Handlungen. Handlungen zur Absicherung der Gesundheitsversorgung der Menschen im Land!
In der Debatte zur Krankenhausreform wird über Zentralisierung, Schließungen und die Hoheit der Bundesländer gestritten. Aber all das geht am tatsächlichen Problem vorbei:
- Das Profitstreben von Konzernen,
- der Effizienzgedanke bei medizinischen Behandlungen und
- die Konkurrenz, welche auch Kliniken in öffentlicher Hand über Jahre sehenden Auges geschwächt hat,
haben das Gesundheitssystem nachhaltig beschädigt und das dringend benötigte Personal abgeschreckt.
Hier muss eine echte Reform ansetzen. Eine Reform, die zum Ziel hat, das komplette Ende der Fallpauschalen, Gewinnverbote aus Beiträgen der Versicherten und deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen, – oder sie wird scheitern, wie die Reformen davor auch. Es darf nicht länger sein, dass Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften müssen und deshalb gezwungen sind, an Personal und Versorgungsqualität zu sparen.
Aber wer dem Bundesgesundheitsminister zuhört, weiß, dass diese dringende umfassende Reform nicht vorgesehen ist. Es wird sich um ein Reförmchen, also das berühmte Pflaster, handeln, welches zulasten der kommunalen Häuser gehen wird und welches die Menschen gerade in ländlichen Regionen weiter von der Gesundheitsversorgung abhängen wird. Gerade am letzten Wochenende teilte Karl Lauterbach mit, dass er von einer Schließung von 20% der Krankenhäuser ausgeht. 20% wären in Sachsen-Anhalt 9 von 45 Krankenhäusern. Und ich sage Ihnen, es werden mehr sein, sogar doppelt so viele. Und die Situation für die Menschen im Land wird noch schlechter! Diese Reform wird ein gesundheitspolitisches Desaster.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Blick in das nun vorliegende Gutachten, aber das hätte man dafür gar nicht gebraucht - lässt sich feststellen, dass wir bereits nördlich von Magdeburg eine deutlich schlechtere und schlechte Gesundheitsversorgung haben. Was passiert denn dort, wenn auch noch Krankenhäuser schließen? Es sind gerade die Einrichtungen im ländlichen Raum, dort wo weniger Einwohner:innen leben, die sich nicht refinanzieren und Stationen genau deswegen schließen müssen. Die Grundversorgung ist doch jetzt schon nicht mehr abgesichert. Und ich verstehe die Sorgen und Ängste der Menschen nur zu gut, wenn sie nicht wissen, wie ihre Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren aussehen wird. Und diese Menschen werden von Ihnen komplett im Unklaren gelassen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
was wir brauchen, was die Menschen brauchen, ist Sicherheit in punkto Gesundheitsversorgung. Sie, werte Landesregierung, müssen sich endlich positionieren. Wir alle wissen, dass wir eine große Reform des Gesundheitswesens brauchen, aber eine echte Reform, die sich von Profiten abwendet und einer wirklichen Daseinsvorsorge zuwendet. Es darf in der Zwischenzeit in den ländlichen Regionen zu keiner weiteren Schließung von Stationen oder Einrichtungen kommen.
Machen Sie sich im Bund dafür stark, dass Krankenhäuser endlich auskömmlich finanziert werden. Statt Fallpauschalen müssen die tatsächlichen Behandlungs- und Personalkosten erstattet werden. Und es muss dafür Sorge getragen werden, dass mit medizinischen Behandlungen keine Gewinne für Aktionäre erwirtschaftet werden. Gewinne müssen in das Gesundheitssystem reinvestiert werden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
aber nicht nur der Bund ist gefordert. Auch hier im Land darf nicht weiter die Untätigkeit in der Gesundheitspolitik regieren. Zum einen kommt das Land seit mehr als 20 Jahren seiner Verpflichtung von Investitionen in die Krankenhäuser nicht im angemessenen Umfang nach. Das wurde auch im vorliegenden Gutachten deutlich moniert. Sachsen-Anhalt verzeichnet im bundesweiten Vergleich einen der höchsten Investitionsstaus in den Kliniken. Veraltete Technik, unsanierte Einrichtungen…. Unattraktiv für die Menschen, die dort arbeiten. Und:
Eine desolate gesundheitliche Daseinsvorsorge wird kaum dazu führen, dass sich mehr Menschen in Sachsen-Anhalt niederlassen wollen. Im Gegenteil. Fatal für die medizinische Versorgung der Menschen. Und auch das ist keine neue Erkenntnis! Hinzu kommt, dass wir in Sachsen-Anhalt einen der geringsten Landesbasisfallwerte haben. Auch eine Erkenntnis des Gutachtens, das hätten Sie aber ohne dieses wissen müssen.
Die Kosten unserer Krankenhäuser sind identisch mit denen in anderen Bundesländern, aber die Finanzierung unterscheidet sich erheblich. Das Sozialministerium könnte daran etwas ändern, aber dazu müsste es sich mit den Krankenkassen auseinandersetzen. Das ist scheinbar nicht gewollt. Mit den Kassen legt man sich nicht an. Und dies wirkt sich negativ auf die Finanzierung der Häuser aus. Das Signal: Sollen sie doch zusehen, wie sie mit den Kassen verhandeln. Man lässt auch damit die Krankenhäuser allein!
6‘
Das alles, unzureichende Finanzierung, fehlende Investitionsmittel, ein Sozialministerium, das sich nicht einsetzt, macht die Situation vor allem für die kommunalen Häuser und damit auch für die Kommunen schwer. Stationen schließen - Mediziner:innen wandern ab, Pflegekräfte suchen sich andere Jobs.
Und dass nun der Personalmangel in der Pflege als Ausrede für Klinikschließungen herhalten muss, ist eine absolute Frechheit. Stattdessen muss endlich konsequent etwas gegen den Personalmangel getan werden. Die Pflegekräfte brauchen gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Die Krankenhäuser sind dabei, sich gegenseitig durch das Abwerben der Fachkräfte zu kannibalisieren!
Die Landesregierung trägt die Verantwortung auch für den Personalmangel und die Schließungen von Stationen und Krankenhäusern.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn man sich das Gutachten so anschaut, dann stelle ich fest, dass es einige Punkte stützt, die meine Fraktion schon seit Jahren kritisiert. Das beginnt bei den viel zu geringen Investitionskosten des Landes und endet bei der gesundheitspolitischen Kommission. Sie erinnern sich an unseren Antrag dazu vor Kurzem hier im Hohen Haus? Wir haben Ihnen eine gesellschaftliche Beteiligung zur Planung der Gesundheitsversorgung vorgeschlagen. Sie haben diese abgelehnt. Und nun sagt das Gutachten genau das aber auch. In die Planung soll ein großes Spektrum an Akteur:innen und auch Einwohner:innen einbezogen werden. Ich bin gespannt, wie das nun von Ihnen umgesetzt werden wird.
Und es muss endlich das isolierte Betrachten der Krankenhäuser beendet werden. Und auch das hören Sie von uns nicht zum ersten Mal! Die Gesundheitsversorgung braucht eine umfassende Bedarfsplanung. Dabei müssen auch Rettungsdienst und notärztliche Versorgung, Pflege, fachärztliche Versorgung, Apotheken, Hebammen, psychosoziale Angebote, Therapie und Beratung eingebunden sein.
Bis dato bestand die Krankenhausplanung aus einem Papiertiger, der immer wieder den Ist-Stand der Kliniken verzeichnete und deren Sterben dokumentierte. Eine Bettenauslastung, die seit mehr als 10 Jahren deutlich geringer war als der Bundesschnitt, aber erst jetzt beklagt wird. Alles Auswirkungen der fehlenden Planungen der letzten Jahre, und ein Zuspruch für weitere Privatisierungen.
Eine Planung, ein Prozess, eine Bedarfserhebung - Fehlanzeige. Aber das können Sie ja jetzt besser machen, werte Mitglieder der Landesregierung, und damit endlich ihr jahrelanges Missmanagement beenden.
Aber lassen Sie sich sagen, auch die Zentralisierung von komplexen und spezialisierten Leistungen erfordert Planung ebenso wie die Gesundheitsversorgung vor Ort! Allerdings will ich nicht versäumen, auch darauf hinzuweisen, dass es so einen Prozess nicht zum Null-Euro-Tarif geben wird. Veränderungen kosten Geld.
9‘
Der Finanzminister hat ja in der Presse schon verkünden lassen, dass er darauf warte, dass ihm die Sozialministerin sagen werde, wie viel Geld sie in welche Standorte investieren will. Na, da bin ich ja gleich sehr gespannt, was wir zu hören bekommen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Fraktion und ich erwarten, dass Sie sich noch in diesem Jahr, und gern schon heute, dazu äußern, was ihre Pläne für die Krankenhäuser und die gesamte Gesundheitsversorgung im Land sind. Dazu gehören auch klare Benennung von Punkten wie, was Sie unter wohnortnah verstehen, wie Sie eine gute Erreichbarkeit der Gesundheitsversorgung mit dem ÖPNV gewährleisten wollen, wie die Digitalisierung fokussiert wird, und vor allem, wen Sie wie einbinden werden.
Es geht um eines, und zwar darum, wie Sie die konkrete Verantwortung die Gesundheitsversorgung Sachsen-Anhalt übernehmen und in einem Flächenland absichern wollen.
Wir werden es sicher gleich hören!