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Nicole Anger zu TOP 26: Wahlalter senken!

Sehr geehrte Damen und Herren,

wissen Sie noch, was am 26. April 1998 war? Richtig – Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Ich erinnere mich sehr gut – denn ich war das erste Mal wahlberechtigt. Vier Monate vor meinem 22. Geburtstag. Und so wie es mir damals ging, geht es vielen Jugendlichen. Sie haben bereits die Ausbildung abgeschlossen, gehen einem Job nach, oder sind vielleicht gerade mit dem Bachelorstudium fertig. Aber politisch Mitentscheiden dürfen sie nicht noch lange nicht!

Ja, Wahlalter hat eine Stichtagsregelung. Aber über das Wahlalter entscheiden wir! Deswegen beantrage ich heute namens meiner Fraktion, dass wir im Land Sachsen-Anhalt das Wahlalter für Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 senken. Und dafür gibt es aus Sicht meiner Fraktion keinen Grund, noch länger zu warten.

Wahlen sind ein zentrales Element der Willensbildung. Sie ermöglichen es, den Wahlberechtigten, sich direkt an Politik und deren Ausrichtung zu beteiligen. Aber wir schließen einen großen Teil der jungen Bevölkerung davon aus! Um genau zu sein: etwa 70.000 Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren! Das wollen wir ändern!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Jugendliche engagieren sich in Verbänden, Vereinen. Sie wirken in Schulvertretungen mit. Sie lassen sich in kommunale Jugendgremien wählen. In den Jugendverbänden im Land übernehmen sie Funktionen im Vorstand, engagieren sich als Jugendgruppenleiter:in, tragen Verantwortung für sich und andere.

Junge Menschen sind politisch engagiert, sie kämpfen gegen den Klimawandel. Und sie alle zeigen uns, Jugendliche wollen und vor allem können ihre Zukunft gestalten und wollen sie selbst in die Hand nehmen. In all diesen Engagements erfahren sie, wie wertvoll die eigene Stimme ist, wie Aushandlungsprozesse funktionieren, was Entscheidungen bewirken.

Jugendliche wollen mitbestimmen und mitentscheiden. Dazu gehören auch politische Entscheidungen und Wahlen. Diese dürfen wir ihnen nicht länger verwehren.

Sehr geehrte Damen und Herren,

fragt man junge Menschen selbst, was sie vom Absenken des Wahlalters halten, sprechen sie oft von einer großen Bedeutung, einer wichtigen Verantwortung, die eigene und auch die Zukunft der anderen mitzugestalten. Ihnen ist es wichtig, politische Entscheidungen, die sie betreffen, mitzutreffen. Schließlich sind es die Kinder und Jugendlichen, die am längsten von unseren politischen Entscheidungen im Land und in der Kommune, aber auch im Bund und in der EU, betroffen sind. Sie tragen als Erwachsene die Konsequenzen von Wahlentscheidungen, die sie gar nicht beeinflussen konnten, an denen sie nicht teilhaben durften.

Sehr geehrte Damen und Herren,

gerade die letzten drei Jahre sollten uns allen deutlich gemacht haben, dass es die jungen Menschen sind, die zu wenig gehört werden. Und sie selbst fühlen sich auch nicht gehört. Sie wünschen sich mehr Mitbestimmung. Die Rechte der Kinder und Jugendlichen sind noch immer zu wenig krisenfest verankert. Aber die Senkung des Wahlalters wäre ein wichtiges und vor allem richtiges Signal, dass ihre Bedürfnisse und vor allem auch ihre Themen und Lebenslagen ernstgenommen und berücksichtigt werden. Denn wenn Jugendliche ab 14 Jahre ihre Stimme abgegeben dürfen bei Wahlen, werden sie auch für die Politik eine endlich ernstzunehmende Zielgruppe.

Jugendpolitik würde damit stärker in den politischen Fokus gerückt werden. Und vielleicht trägt es ja dann dazu bei, dass wir endlich Schulsozialarbeit als Landesprogramm kontinuierlich verankert bekommen, dass wir den Unterrichtsausfall in Schulen endlich entschlossen angehen, dass es ein Landesprogramm gegen Kinderarmut gibt, dass Jugendgremien Stimmrechte in Kommunalparlamenten erhalten, es ein kostenfreies ÖPNV-Ticket für selbstbestimmte Mobilität junger Menschen gibt…

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Wahlrecht wurde einst hart erkämpft. Seitdem hat es immer wieder Veränderungen durchlaufen. Das Wahlalter war dabei nie ein starres Alter. Hier gab es in den letzten Jahrzehnten einiges an Veränderungen – auch die Loslösung von der Volljährigkeit war dabei und liegt bei Kommunalwahlen bereits bei 16 Jahren. Außerdem sind junge Menschen politisch informiert. Auch der Zugang zu diesen Informationen ist besser und breiter geworden. Wir alle kennen das. Wir sollten uns aber davor hüten, an jüngere Menschen höhere Anforderungen bezüglich Wahlen als an ältere Zielgruppen zu stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben eine gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Der Anteil älterer Wähler:innen ist in den letzten Jahrzehnten ebenfalls gestiegen. Wir werden immer älter, das ist gut. Aber es gibt eben nicht gleichermaßen immer mehr Jugendliche. Damit entscheiden die Älteren der Gesellschaft über die Jüngeren. Und für sie sind andere Belange wichtiger als für junge Menschen. Es wird ohne junge Menschen über junge Menschen bestimmt.  Hier gilt es, einen Ausgleich zu schaffen. Denn dies würde auch vermehrt dazu führen, dass die Interessen und Belange junger Menschen sich viel mehr in der Politik abbilden. Es kann mit der Absenkung des Wahlalters etwas mehr Generationengerechtigkeit wiederhergestellt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sollten jungen Menschen mehr zutrauen! Ihnen aufgrund des Alters per se politisches Desinteresse zu unterstellen, ist absolut falsch. Und das sollte ein:e jede:r in den letzten Jahren mitbekommen haben.

Sie wissen genauso gut wie alle anderen Altersgruppen, wie parlamentarische Demokratie funktioniert. Und je eher wir sie an die Wahlurne lassen, desto mehr Chancen gibt es, ihr Interesse für die Demokratie und für Wahlen zu erhalten! Gleichzeitig stärkt es die aktive Auseinandersetzung mit Demokratie und Prozessen der politischen Willensbildung. Und auch den Umgang mit demokratischen Entscheidungen. Junge Menschen haben einen Anspruch auf demokratische Teilhabe, denn Entscheidungen, die die Zukunft der Jugend betreffen, brauchen auch deren Mitbestimmung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wahlen sind Wahlen. Hier gibt es keine höherwertigen oder minderwertigen Wahlen. Daher wollen wir ein einheitliches Wahlalter von 14 bei Kommunal- und bei Landtagswahl. Gleiches fordern wir an anderer Stelle auch für Bundestags- und Europawahlen – um Ihnen gleich das Gegenargument zu nehmen! Und auch das Argument, Kommunalwahlen wären näher an den Jugendlichen und ihren Lebenslagen dran – stimmt nicht. Sie alle wissen doch gut, was wir hier im Land alles beschließen: von ÖPNV, über Hochschulpolitik, Bildungspolitik, Schulsozialarbeit, bis hin zu Digitalisierung – alles Themen, und noch viele weitere, die unmittelbar Jugendliche betreffen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre wäre ein klares und deutliches Signal an die junge Generation! Es bedeutet, ihnen ein wichtiges Gestaltungsrecht unserer Demokratie zuzuerkennen. Wir dürfen die jungen Menschen nicht länger von demokratischen Prozessen ausschließen. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag! Zeigen wir ihnen, dass sie nicht nur die Zukunft des Landes sind, sondern über diese Zukunft, über ihre Zukunft, auch mitentscheiden dürfen.