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Monika Hohmann zu TOP 25: Nachbarschaftshilfe und Budgetzugänge vereinfachen! - Einführung einer landesrechtlichen Unterstützungsverordnung, um zielgenaue Hilfen und Entlastungen für Pflegebedürftige und Pflegende zu schaffen

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

mit unserem Antrag greifen wir ein wichtiges Thema auf. Ich behaupte einmal, dass jeder von Ihnen bereits mit dem Thema Pflege persönlich im Familien- oder Bekanntenkreis konfrontiert worden ist. Dann wissen Sie vielleicht, vor welchen Herausforderungen Pflegende und Pflegebedürftige derzeit stehen. Wir haben 4,1 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Pflegegrad. Sie gelten also als pflegebedürftig. Davon leben 3,3 Millionen zu Hause und werden von ihren Nächsten, das heißt von Angehörigen oder Freunden, teilweise mit Unterstützung durch einen Pflegedienst, versorgt.

In einer jüngst erschienenen Studie vom VDK: „Häusliche Pflege am Limit – jeder dritte pflegende Angehörige überfordert“ wird die schwierige Lage in der Pflege recht deutlich sichtbar und sie bringt Licht in das Dunkelfeld der häuslichen Pflege. Die Nächstenpflege findet deutlich häufiger auf dem Land statt (42 Prozent leben in einem Ort, der unter 5000 Einwohner hat). Je größer die Stadt, desto weniger pflegende Angehörige gibt es. Das Pflegegeld beziehen 82 Prozent der Befragten. Daneben gibt es jedoch einen bunten Strauß an Unterstützungsleistungen, die die Pflegebedürftigen beanspruchen können und die pflegende Angehörige entlasten sollen. Doch diese werden kaum genutzt: So haben 93 Prozent bisher keinen Zugang zur Tagespflege gefunden, 86 Prozent haben noch keine Kurzzeitpflege genossen. 80 Prozent rufen den Entlastungsbetrag nicht ab. 70 Prozent verwenden die zustehende Verhinderungspflege nicht. 62 Prozent nutzen keinen Pflegedienst. Ersparnis für die Pflegekassen, „sage und schreibe“ 12 Milliarden Euro pro Jahr und das, obwohl ein Großteil der Befragten der Studie diese Hilfe dringend bräuchte.

Sehr geehrte Damen und Herren,

schauen wir in unser Bundesland. Im Dezember 2019 erhielten 129 672 Personen in Sachsen-Anhalt Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, dabei hat sich die Anzahl der Pflegebedürftigen gegenüber 2009 um 49 005 erhöht. Das bedeutet einen Anstieg um 60,7 % innerhalb der letzten 10 Jahre. Nahezu 3/4 der Pflegebedürftigen (93 356 Pflegebedürftige; 72,0 %) wurden 2019 zu Hause sowohl ausschließlich durch Angehörige (55 690 Pflegebedürftige) als auch durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste (37 666 Pflegebedürftige) versorgt.

Vor diesem Hintergrund und wohlwissend, dass das Thema Pflege in die Zuständigkeit des Bundes fällt, haben wir hier im Land einen kleinen Spielraum etwas für die Pflegebedürftigen tun. Möglich macht es der §45 im 11. Sozialgesetzbuch. Es besteht nämlich die Möglichkeit, über eine landesrechtliche Regelung die Leistungen zu erweitern, und zwar beim Entlastungsbetrag. Dieser Betrag, in Höhe von monatlich 125 Euro ist darauf ausgerichtet, den Pflegebedürftigen Hilfestellungen zu geben, die ihre Fähigkeiten zur selbstständigen und selbstbestimmten Gestaltung des Alltags fördern. Bei den anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag kann es sich auch je nach Ausrichtung um Betreuungsangebote, Angebote zur gezielten Entlastung von Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende oder Angebote zur Entlastung im Alltag handeln. Allein in diesem Bereich verfallen bundesweit jährlich Leistungen im Wert von knapp vier Milliarden Euro, da 80% der Anspruchsberechtigten dies nicht in Anspruch nehmen. In Sachsen-Anhalt sollen es sogar 90% der Anspruchsberechtigten sein. Deshalb denke ich, dass es höchste Zeit wird, dass wir hier tätig werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen hat und hier schon tätig wurde. Bereits vor der Sommerpause hatte ich mehrere Gespräche mit Betroffenen geführt, die genau auf die bestehenden Lücken aufmerksam gemacht haben und auf die enorme bürokratische Antragsstellung hinwiesen. Auch erreichte uns dazu eine Petition. Hier müssen wir dringend Abhilfe schaffen. Zum Antrag der Koalition, den wir in einigen Punkten teilen, möchte ich folgendes sagen:

 Es nützt uns nichts, wenn wir im Ausschuss erst die Verordnung nach Inkrafttreten zur Kenntnis bekommen. Ich würde Sie daher bitten, ihren Punkt 3 dahin zu ändern, dass sie anstelle des Wortes „nach“, das Wort „vor“ einsetzen.

Die derzeitige Verordnung von 2017 ist ohne Beteiligung des Fachausschusses in Kraft getreten und wurde von den Betroffenen kaum genutzt. Zu hoher bürokratischer Aufwand, zu wenig Angebote durch fehlende Betreuungsdienste und eine mangelhafte Pflegeinfrastruktur versperrten für Pflegebedürftige den Zugang für die Inanspruchnahme der Pflegeleistungen. Deshalb begrüßen wir die Öffnung des Personenkreises, die zukünftig bei der Entlastungspflege unterstützen können. Übrigens, in einigen Bundesländer passiert dies schon.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Baby-Boomer, auch in Sachsen- Anhalt kommen in den nächsten Jahren in das Alter, in dem die Pflegebedürftigkeit wahrscheinlicher wird. Der schon vorherrschende Fachkraftmangel in der Pflege wird sich noch verstärken. Die Studie des VDK kommt zur Einschätzung, dass alle Ausbildungs- und Personaloffensiven nichts daran ändern können – es ist ein demografisches Problem. Weiterhin wurde festgestellt: „ Deshalb müssen die Pflegeexperten dort eingesetzt und konzentriert werden, wo sie unabdingbar sind: im Krankenhaus, im Altenheim, in der Intensivpflege. Pflegefachkräfte und pflegende Angehörige dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Nächstenpflege zu stärken ist das Gebot der Stunde.“ Dem können wir uns anschließen. Deshalb liegt Ihnen heute unser Antrag vor. Dennoch möchte ich noch auf unserem Punkt 2f hinweisen. Wir wissen alle, dass ein Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro sehr schnell aufgebraucht ist. Hier muss dringend ein höherer Betrag her!

Daher ist unser Anliegen, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine Erhöhung des Entlastungsbeitrages einsetzt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!