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Kerstin Eisenreich zu TOP 3: »Soziale Garantien gegen Energiepreisexplosion«

Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits im Oktober und im November haben wir an dieser Stelle über die Preisexplosion debattiert. Bereits damals war absehbar, dass die Preise für Strom und Heizenergie weiter ansteigen werden. Inzwischen ist die Situation für die Menschen in mehrfacher Hinsicht mehr als prekär.
Eine Familie mit einem Durchschnittsverbrauch von 20000 Kilowattstunden Erdgas musste im Oktober 2021 etwa 1402 Euro im Jahr ausgeben und damit rund 300 Euro mehr als im Vorjahr, bei Stromkosten kamen noch einmal etwa 100 Euro mehr dazu. Das sind 1255 Euro im Jahr. Für viele Familien mit geringem Einkommen ist das überhaupt nicht mehr bezahlbar. Hier wird Energie zum Luxusgut, das sich nur noch Gutverdienende leisten können, während immer mehr Menschen im Kalten sitzen müssen.
Das ist gravierend! Wir fordern hier soziale Garantien des Sozialstaates! Wo bleibt die politische Handlungsfähigkeit im Bund und Land? Sichtbar wird sie nicht und die Menschen, insbesondere mit geringem bis mittlerem Einkommen wissen nicht mehr aus noch ein!
Andere Länder, wie Frankreich, Spanien, Italien, Tschechien haben bereits seit Oktober Maßnahmen zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher umgesetzt bzw. angekündigt. Aber Deutschland kommt weder auf Bundes- noch Landesebene aus dem Knick und lässt die Menschen im Stich. Dabei hat doch bereits im Oktober die Europäische Kommission die sogenannte Tool-Box geöffnet und den Regierungen ihrer Mitgliedsländer Maßnahmen in die Hand gegeben.
Vorgeschlagen werden darin unter anderem Steuererleichterungen, Subventionen für kleine Unternehmen sowie direkte Zahlungen für einkommensschwache Haushalte. Dann machen wir doch mal den Praxistest:
Ja, die Bundesbauministerin Klara Geywitz hat angekündigt, dass finanzschwache Haushalte mit einer Einmalzahlung unterstützt werden sollen. Dabei geht es aber nur um Haushalte, die Wohngeld beziehen. Das bedeutet, dass alle jene, die zwar keine unterstützenden Sozialleistungen erhalten, aber dennoch wenig verdienen – und das sind in Sachsen-Anhalt bekanntlich nicht wenige – leer ausgehen. Außerdem sind die 135 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt, 175 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt und 35 Euro für jede weitere im Haushalt lebende Person nicht einmal der Tropfen auf den heißen Stein. Sozialverbände und Verbraucherschützer*innen gehen davon aus, dass in diesem Jahr weit mehr als 500 Euro mehr für Energie für einen durchschnittlichen Haushalt fällig werden. Da kommt man mit 210 Euro nicht weit. Hier sehen wir eine direkte Zahlung von 200 Euro pro Person in einkommensschwachen Haushalten kurzfristig als notwendiges Minimum.
Mittelfristig müssen endlich die Sozialleistungen erhöht werden. Die Erhöhung des Satzes für Bezieher von Leistungen nach SGBII um 3 Euro hat doch keinerlei entlastenden Effekt. Sie ist verantwortungslos. Und seit Jahren werden die Leistungen im SGB II und SGB XII eben nicht den realen Bedingungen angepasst, weshalb wir seit Langem die Erhöhung der Zahlungen für Strom fordern. In Anbetracht der derzeitigen immensen Kosten müssen die tatsächlichen Heiz- und Stromkosten vollständig übernommen werden.
Wir sagen: Energieversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge und jede und jeder muss Zugang zu einer bezahlbaren Versorgung haben. Dies muss der Staat gewährleisten. Deshalb haben wir in unserem Antrag vom November konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. So sehen wir ein kostengünstiges oder gar kostenloses Grundkontingent für Strom und Heizung erhalten. Das ist möglich, wenn dann die Tarife im hohen Verbrauch entsprechend steigen, statt wie bisher Vielverbrauch zu belohnen.
Entlastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher würde auch eine Absenkung der Mehrwertsteuer bringen. Diese hat insbesondere hinsichtlich des Klimaschutzes keinerlei Steuerungswirkung und ist eine reine Verbrauchssteuer. Von den derzeit sehr hohen Preisen hat der Staat bei den Steuereinnahmen profitiert, sodass eine Absenkung finanzierbar ist. Das ist sozial und gerecht.
Darüber hinaus muss die Stromsteuer endlich auf das von der EU zulässige Niveau gesenkt werden. 0,1 Cent pro Kilowattstunde statt der bisherigen 2,05 Cent würde zu einer spürbaren Entlastung führen. Auch diese Forderung stellen wir hier nicht zum ersten Mal – aber passiert ist auf der Bundesebene bisher nichts.
Zu den sozialen Garantien des Zugangs zu Energie und Heizung gehört auch, dass Strom- und Gassperren endlich gesetzlich verboten werden. Laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur für das Jahr 2020 wurden bei 10688 Anschlussstellen Stromsperrungen vorgenommen. Auch wenn die Zahlen insgesamt in den letzten Jahren rückläufig sind, bleibt das Problem, dass Menschen in einer schwierigen finanziellen Lage in die Situation kommen, ohne Strom und Heizung dazustehen. Das muss endlich gesetzlich unterbunden werden, weil gerade besonders schutzbedürftige Personen von solchen Sperrungen betroffen sind. Wir schätzen an dieser Stelle alle Bemühungen kommunaler Energieversorger hoch ein, Stromsperren durch rechtzeitiges Eingreifen und intensive Beratung und Unterstützung auch gemeinsam mit Beratungsstellen zu vermeiden.
Ein weiteres Werkzeug wäre die Deckelung des Strompreises. Nun werden auch hier wieder einige verschreckt aufschauen, dass dies ein Eingriff in den Markt wäre. Ja, ist es, aber der vielgerühmte Markt hat ja genau diese Preisexplosionen bei den fossilen Energieträgern verursacht, und im Übrigen nicht die Klimaschutzmaßnahmen wie die CO2-Steuer. Die Nachfrage nach den Corona-Lockdowns stieg massiv an, insbesondere in China und den USA. Und genau dies führte zu den Preissteigerungen. Hinzu kommen Kartelle und Globalplayer, die mit dem Ziel der Profitmaximierung neben geopolitischen Interessen eine zentrale Rolle spielen. Interessanterweise fordert der Verband der chemischen Industrie Deutschlands ganz klar einen staatlich festgelegten Strompreis. Es ist also kein Teufelswerk, dies auch für die Menschen in der Bundesrepublik umzusetzen.
Insgesamt folgt diese Preisentwicklung der Logik der 2007 vorgenommenen Liberalisierung des Strommarktes. Verstärkt durch die Abschaffung der staatlichen Strompreisaufsicht, die unbedingt wieder einzuführen ist, um Marktmachtmissbrauch, Manipulationen am Strommarkt und andere leistungslos erzielte und preistreibende Extraprofite und willkürliche Preisanstiege zu verhindern. Denn wer muss denn aktuell neben den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Orientierung auf Börsenpreise und kurzfristige Geschäfte ausbaden? Das sind die kommunalen und regionalen Energieversorgungsunternehmen, die zur Grundversorgung all jener verpflichtet sind, deren bisherige Energieversorger sich verzockt haben und nun bei den hohen Einkaufspreisen nicht mehr mithalten können und Insolvenz anmelden. Und ja, die Tarife für die Grundversorgung liegen höher als für langjährige Kund*innen. Das haben die Energieversorger in der Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft, Energie, Klima und Umwelt bestätigt und damit begründet, dass sie über langfristige Vertragslieferungen hinaus nunmehr auch mehr Strom und Gas zu den jetzt sehr hohen Preisen zukaufen müssen. Nachvollziehbar sind aber manche Preisunterschiede, wie in den letzten Tagen in den Medien bekannt geworden, nicht. Nur das Grundproblem ist doch, dass jetzt auf die kommunalen Unternehmen die Konsequenzen der Verwerfungen des Marktes abgewälzt werden. Auch hier wieder wurden Gewinne privatisiert, Verluste aber muss die Gesellschaft bezahlen. Hier braucht es grundlegende Veränderungen: Die Sicherstellung der Daseinsvorsorge darf nicht den Kräften des Marktes überlassen werden. Denn diese garantieren sie nicht.
Ein sozial gerechtes Mobilitätsgeld statt bisheriger Pendlerpauschale, die Übernahme des CO2-Preises für das Heizen von Wohnungen durch Vermieter*innen, die Reduzierung der Ausnahmeregelungen für stromintensive Unternehmen und zunehmende Steuerfinanzierung bei der Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien sind aus Sicht der Linken weitere kurzfristige Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Folgen hoher Energiepreise und Sicherstellung der gesellschaftlichen Teilhabe.
Langfristig müssen die erneuerbaren Energie massiv ausgebaut werden, statt auf fossile Energieträger zu setzen. Fossile Subventionen müssen abgebaut werden. Auch eine sozial-ökologische Steuerreform ist erforderlich.
Es gibt zahlreiche Stellschrauben, um die Menschen finanziell zu entlasten. Nur muss daran auch endlich gedreht werden. Deshalb sehe ich gespannt auf die heutige Debatte und dank für Ihre Aufmerksamkeit.