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Kerstin Eisenreich zu TOP 24: Aktuelle Debatte "Ein starkes Europa packt den Klimaschutz an"

Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen wurde das Ziel formuliert, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch trotz dieser Zielstellung und jährlicher Klimakonferenzen war 2018 das Rekordjahr beim Ausstoß von Treibhausgasen. Und wenn wir uns erinnern, 2018 hat noch weitere traurige Rekorde aufgestellt: Der Orkan Friederike hat massive Schäden in den Wäldern Sachsen-Anhalts verursacht. Die langanhaltende Dürre hat sowohl den Wäldern als auch in der Landwirtschaft des Landes schwerwiegende Folgen hinterlassen. Und diese Ereignisse haben inzwischen keinen einmaligen Charakter. Hier reicht der gesunde Menschenverstand, um Zusammenhänge zu erkennen, auch wenn dies nicht alle Menschen, hier im Saal, wahrhaben wollen.

Mit dem am 8. Oktober des vergangenen Jahres veröffentlichten Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) wurde deutlich gemacht, dass die nächsten zehn Jahre entscheidend in ihren Auswirkungen für das Weltklima sind. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob und wie das Ziel erreicht werden kann, die Erderwärmung auf anderthalb Grad im Vergleich zum Beginn des Industriezeitalters zu begrenzen.

Doch der Klimawandel ist kein reines Umweltproblem. Denn die dramatisch voranschreitende Klimakrise bedroht inzwischen die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Sie führt zu mehr Armut, grenzt mehr Menschen aus und ist schon heute eine der Hauptursachen für die Flucht von Menschen, weil es zu immer mehr Konflikten um lebensnotwendige Ressourcen kommt. Der Klimawandel ist damit ein gewaltiges Gerechtigkeitsproblem, weil unter den Folgen des menschengemachten Klimawandels insbesondere jene Menschen und Regionen leiden, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind. Dagegen können sich jene, die am stärksten zum Klimawandel beitragen, weitaus besser gegen seine Folgen schützen.

Und der Klimawandel ist auch ein Problem der Generationengerechtigkeit. Das haben Kinder und Jugendliche weltweit begriffen. Mit der von der 16Jährigen Schwedin Greta Thunberg initiierten Bewegung „Fridays for Future“ sagen die jungen Menschen ganz klar, dass wir Erwachsenen mit unseren zögerlichen und falschen Entscheidungen in der Klimapolitik nicht begriffen haben, welche Konsequenzen dies für nachfolgende Generationen hat. Sie zeigen einen Weitblick und ein Engagement, das mir höchsten Respekt abnötigt. Sie zeigen auch, dass die oftmals für vermeintliches Desinteresse gescholtene Jugend sehr wohl an Politik und den damit verbundenen Problemen, sogar mit einer weltweiten Perspektive und einem Sinn für Gerechtigkeit interessiert und bereit ist, sich dafür zu engagieren.

Nun hat sich die Europäische Union durchaus ehrgeizige und bindende Ziele im Klimaschutz gestellt und sieht sich als Vorreiter. Mit der langfristigen Strategie vom 28. November 2018 hat die EU-Kommission einen Zeithorizont bis 2050 definiert. Sie fordert ein klimaneutrales Europa bis zum Jahr 2050 ein. Bis 2050 sollen die Emissionen um 80-95 % reduziert werden.

2030 gilt dabei als wichtiger Meilenstein auf dem Weg dorthin: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 40 % gesenkt werden. Der Anteil erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz sollen jeweils auf 27 % gesteigert werden. Dabei ist nicht zu vergessen, dass der EU im Klimaschutz auch eine besonders große Verantwortung zukommt. Einerseits verfügen wir in der EU über die technischen und finanziellen Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise, andererseits tragen wir auch eine historische Verantwortung. Und letztendlich reicht es nicht aus, Klimaschutzziele zu formulieren, sondern sie müssen nun endlich konsequent umgesetzt werden.

Auch hierzu zeigt die langfristige Strategie den Weg zur Erreichung der Klimaneutralität auf: Wir brauchen Investitionen in realistische technische Lösungen. Über die Mittel verfügt Europa. Gleichzeitig sind alle Maßnahmen insbesondere in den Schlüsselbereichen wie Industriepolitik, Finanzwesen und Forschung aufeinander abzustimmen.

Und schließlich braucht es Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Denn ohne eine Änderung unserer Lebensweise ist Klimaschutz nicht zu realisieren. Das geht uns alle an, überall und jeden Tag. [Muss ich wirklich eine kurze Strecke zum Bäcker oder Supermarkt, zur KiTa usw. mit dem Auto fahren? Muss die Heizung auch über Nacht auf vollen Touren laufen, um es morgens mollig warm zu haben? Benötige ich für alle möglichen Hausarbeiten ein elektrisch betriebenes Gerät oder ginge es auch mit reiner Muskelkraft?] Ja, natürlich, Bequemlichkeit und Zeitersparnis sind für uns heute wichtige Kriterien. Aber sind sie es wert, dass wir deshalb achtlos mit Ressourcen umgehen? Wir alle müssen uns bewusst machen, wie wir mit Ressourcen umgehen und welche Konsequenzen dies für Klima und Umwelt hat. Ja, das ist manchmal anstrengend, aber es lohnt sich auf jeden Fall.

Wir brauchen also Klimaschutz im Großen wie im Kleinen. Und auf beiden Ebenen sind wir noch nicht weit vorangekommen. Zur Einhaltung der ehrgeizigen Klimaschutzziele, müssen die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auf nationaler Ebene ratifiziert werden. Doch da stehen wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht gut da. Bereits 2017 wurde deutlich, dass Deutschland seine für 2020 gesteckten Klimaschutzziele nicht erreichen wird. Damit ist auch das Ziel 2050 eher unrealistisch geworden, denn wir müssten unsere Anstrengungen vervielfachen. Das ist ein trauriges Eingeständnis.

Ganz klar müssen diese Anstrengungen in allen Bereichen endlich ernsthaft in Angriff genommen werden. Dazu müssen die Volkswirtschaften massiv umgebaut werden in allen Bereichen. Wir brauchen eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen. Eine Reduzierung von Emissionen geht nicht ohne Energieeinsparung und Energieeffizienz. Beiden Bereichen wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und gerade energieintensive Industrien werden hier zu leicht aus ihrer Verantwortung entlassen und erhalten keine Anreize, den Energieverbrauch zu senken. Im Gegenteil: Sie werden mit Strompreisvergünstigungen subventioniert. Und im Übrigen ist der weltweite Emissionshandel kein wirksames Instrument zur Reduzierung von CO2-Emissionen.

Wer Klimaschutz ernsthaft will, muss sich auch um die Verkehrswende kümmern. Öffentlicher Personennah- und Fernverkehr müssen Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr haben. Ihrem Ausbau gilt die Priorität und nicht neuen Autobahnen. Und ich sage ausdrücklich: zu Preisen, die sich alle leisten können. Auch Güter gehören auf die Schiene und nicht auf die Straße. Rad- und Fußgängerverkehr inner- und außerorts sind bei der Verkehrsplanung ebenfalls viel stärker als bisher zu berücksichtigen und zu entwickeln. Wir brauchen keine autogerechten Städte. Städte entstanden, weil sich dort Menschen zum Leben niederlassen und sind keine Autoabstellplätze.

Auch Land- und Forstwirtschaft müssen ihren Beitrag leisten. Insbesondere die EU-Förderpolitik gehört hier auf den Prüfstand. Aus unserer Sicht ist eine auf Flächen orientierte Subventionierung der falsche Weg. Vielmehr sollten umweltverträgliche Produktionsweisen und Umweltmaßnahmen stärker honoriert werden.

Diese Aufzählung ist sicherlich nicht erschöpfend. Aber eine Frage steht natürlich spürbar im Raum: Wie soll das alles finanziert werden? Auch dafür gibt es eine Lösung – die Klimasteuer oder auch ein Preis für CO2-Emissionen. Wer glaubt, dass dies eine absurde Idee ist, der irrt. Sie ist gerecht und absolut sinnvoll. Das finden im Übrigen nicht nur Klimaexperten, sondern sie wird inzwischen von Tausenden Ökonomen, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und auch Energiekonzernen gefordert.

Sie ist gerecht, weil klimaschädliches Handeln dadurch teurer, klimafreundliches Verhalten dagegen günstiger wird. Denn erwiesen ist, dass Verbote zwar ein Mittel zur Veränderung des Handelns, jedoch gerade im persönlichen Bereich wenig akzeptiert sind. Das zeigen die Diskussionen um Fahrverbote, wenngleich dies in ein einigen Ländern umgesetzt werden. Mit dieser Steuer lässt sich die Nachfrage effizient lenken und sie bemisst sich nicht am Einkommen. Da Menschen mit höherem Einkommen eine solche Steuer besser wegstecken können, soll die eingenommene Klimasteuer als Dividende pro Kopf der Bevölkerung komplett wieder ausgeschüttet werden. Im Ergebnis trifft die Klimasteuer reiche Menschen stärker, während ärmere mehr zurückbekommen als sie eingezahlt haben. In Kanada führt die Regierung gerade eine ähnliche Steuer ein und hat den Effekt berechnen lassen: 70 % der Haushalte werden nicht zusätzlich belastet, viele dagegen entlastet. Und wer das Klima über Gebühr beansprucht, der zahlt drauf.

Und auch die Wirtschaft leidet nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Hier könnte ein sogenannter „Grenzsteuerausgleich“ eine Lösung sein. Ähnlich einem Zoll werden Importwaren mit einer Abgabe belegt, die den CO2-Fußabdruck einpreist. Die Folge: Besonders effizient arbeitende einheimische Unternehmen erlangen sogar einen Wettbewerbsvorteil und die gesamte Wirtschaft erhält einen verlässlichen Rahmen.

Prof. Dr. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung formulierte einmal, ich zitiere:

„Ein stabiles Klima ist eines der wichtigsten Gemeinschaftsgüter der Menschheit. Deshalb muss die Gesellschaft wissen, wie diese Stabilität bedroht ist, welche gravierenden Auswirkungen der Stabilitätsverlust hätte und wie der Gefahr noch begegnet werden kann – durch zügige Transformation des fossilen Wirtschaftssystems und durch solidarische Anpassung an das nicht mehr Vermeidbare.“ (Zitat Ende)