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Jutta Fiedler zu TOP 27: Jugendlichen aus Hartz IV- und Sozialhilfehaushalten Zugang zum Abitur nicht weiter erschweren

Dieser Antrag greift ein in unseren Augen ziemlich unfreundliches Detail aus der weiten Landschaft der Chancenungerechtigkeit im Bereich Bildung auf, auch wenn es im Umfeld einmal ziemlich freundlich anfing. Ich will Sie einmal daran erinnern, dass sich im Frühsommer dieses Jahres ein recht erfrischender Bildungswind in Deutschland erhob, vielleicht initiiert durch den damaligen Armuts- und Reichtumsbericht des Bundes, vielleicht auch durch anderes. Jedenfalls kam es zu der Feststellung, Armut in der Bevölkerung und ganz besonders bei Kindern und Jugendlichen habe auch etwas mit Bildungsarmut zu tun. Kurz danach hörte man Frau Merkel die Bildungsrepublik ausrufen und zum Bildungsgipfel aufrufen.

Unmittelbar darauf wurde die Bildungswetterlage dann aber schon wieder etwas unfreundlicher, denn da wehte der Bundeskanzlerin ein kühler ländlicher Wind auch aus den eigenen Reihen entgegen. Dabei hörte man Wörter wie „Länderhoheit“ und „keine Einmischung“.  

Dann Ende August/Anfang September die Bildungsreise der Bundeskanzlerin in Vorbereitung des Bildungsgipfels, und es gab noch einiges Aufsehen, auch freundliche Bilder, Kinderfotos.

Der Bildungsgipfel selbst fand dann aber in einem relativ windgeschützten, abseits gelegenen Örtchen am Rande von Dresden statt. Ich dachte dabei an das Tal der Ahnungslosen zurück. Der Bildungsgipfel wurde dann zu einem Bildungshügelchen. Woran ich bei der Gelegenheit auch denken musste, war, dass ja aus Dresden auch einmal ein sächsischer König kam, der sagte: Dann macht doch euren Dreck alleene!

Auch wenn die Kanzlerin vielleicht nicht unmittelbar an diesen Ausspruch denken musste, so waren die Erwartungen trotzdem groß; denn während des Bildungsgipfels wurde auch einiges angekündigt.

In der vergangenen Woche gab es im Bundestag auch mehrere wichtige Beratungsgegenstände, unter anderem das Familienleistungsgesetz. Es ging um die Erhöhung des Kindergeldes ab 1. Januar 2009 und um ein jährliches Schulhilfspaket in Höhe von 100 € für Kinder aus Haushalten, die Hartz IV oder Sozialhilfe bekommen. Wir sind natürlich froh über jede Möglichkeit, mit der soziale Nachteile bei Kindern und Jugendlichen ausgeglichen werden können. Aber in unseren Augen ist es skandalös, dass der Lernmittelzuschuss auf die Schulzeit bis zum Abschluss der 10. Klasse begrenzt werden soll.  

Das zeigt mir auch, wie wichtig Bildung in Deutschland in Wirklichkeit ist. Die Wichtigkeit von Bildung erkennt man, wenn man die großen Worte wie „Bildungsrepublik“ und „Bildung ist Investition in die Zukunft“ und dergleichen mehr mit den darauf folgenden Taten vergleicht.

Inzwischen liegt ein Entschließungsantrag des Bundesrates vor. Der war an dem Tag, an dem wir den Antrag formuliert haben, noch nicht präsent. Auf den bezieht sich auch der Änderungsantrag der beiden Koalitionsparteien. Es hätte auch bei unserem Antrag bleiben können. Aber sei es, wie es sei. Wir sind ja froh darüber, dass wir merken, dass es nicht nur in den Landesregierungen, die diesen Gesetzentwurf im Bundesrat gestoppt haben, sondern auch im Landtag noch ein paar sozial denkende Menschen.  

Auch wenn es tröstlich ist, dass es den Entschließungsantrag gibt und der Vermittlungsausschuss am 17. Dezember 2008 und der Bundestag am 19. Dezember 2008 über die Sache noch einmal befinden muss, so besteht der eigentliche Skandal für uns darin, dass ein solches Gesetz überhaupt eingebracht worden ist.  

Man muss dazu vielleicht auch noch wissen, dass diese Begrenzung auf die Jahrgangsstufe 10 nur deshalb und auch nur nach langen Diskussionen in der großen Koalition auf Bundesebene zustande gekommen ist, weil die von anderen Parteien eigentlich gewollte Ausweitung bis Klasse 12 bzw. 13 an eine von der CDU gewollte Steuererleichterung für die Kinderbetreuung gekoppelt werden sollte. Das wollten nun wieder die anderen nicht. Und weil die einen etwas nicht kriegten, weil es die anderen nicht wollten, wollten diese eben auch plötzlich alles nicht mehr. Auf wessen Rücken wird so etwas ausgetragen? Immer auf dem Rücken derer, die sich schwer wehren können.

Man sollte dazu vielleicht noch wissen, dass die Kosten für eine Ausweitung des Schulbedarfspaketes über Klasse 10 hinaus auf ca. 17 Millionen € geschätzt wurden. Die Einnahmeausfälle durch die von der CDU gewollte Steuererleichterung für die Kinderbetreuung wurden hingegen auf 70 bis 100 Millionen € geschätzt.  

Die Begrenzung dieses Schulstarterpaketes auf Klasse 10 soll nun im Vermittlungsausschuss am 17. Dezember 2008 geheilt werden. Wir wollen unsere Landesregierung mit freundlichen Worten dorthin begleiten, dass sie im Sinne unseres Antrags entscheidet und das auch beachtet.  

Wir wollen natürlich auch, dass der im Entschließungsantrag geforderte andere Umstand noch mit zum Tragen kommt, dass nämlich die Kindergelderhöhung ab 1. Januar 2009 um 10 bzw. 16 € nicht auf die Hartz-IV-Regelsätze angerechnet wird. Ich finde, es ist ein weiterer Skandal, dass diese Erhöhung angerechnet wird. Das ist heute nicht mein Thema. Aber es wird immer ein Thema bleiben, bis die Regelsätze für Kinder neu und auskömmlich berechnet worden sind.