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Jutta Fiedler zu TOP 20: Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht sichern

Wir haben in der September-Sitzung über Lesekompetenz geredet. Das ist mir so lebhaft in Erinnerung geblieben, dass mir bei Ihrem Antrag zum Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht der Gedanke kam, dieser Text könnte gut die Grundlage für eine Lesekompetenz-Aufgabe bei PISA sein. Eine beliebte Aufgabe ist dort, die Autorenintention ermitteln zu lassen. Ich will Ihnen ein solches fiktives Szenario beschreiben. Ich nehme dazu ein Multiple choice, also eine Aufgabe mit vorgegebenen Mehrfach-Wahlantworten, ergänzt mit einer eigenen Antwortmöglichkeit.

Aufgabe: Erschließen Sie die Autorenintention.

Wahlantwort A: Der Text soll eine Lobby bedienen. (Lobby wird als Fußnote erklärt mit „Interessengruppe“.)
Beim Überlegen darüber erinnert sich der kundige Leser an die Hotel-Mehrwertsteuer-Geschichte und daran, dass die FDP auch den Verein „Wir wollen lernen“ in Hamburg bei dem Volksentscheid im vergangenen Sommer unterstützt hat, mit dem ein kleines Reförmchen zum längeren gemeinsamen Lernen abgeschmettert wurde. Er erinnert sich auch, dass der Verein „Wir wollen lernen“ damals in der Presse aufgefordert wurde, er solle seinen Namen erweitern zu „Wir wollen nicht mit Schmuddelkindern lernen“. Der Proband überlegt, ob das nicht vergleichbar ist, wenn es hier im Antrag um Bildung reiner Hauptschulklassen geht. Er ist geneigt, diese Antwort anzukreuzen, aber er will sich erst noch die anderen Antwortmöglichkeiten ansehen.     

Wahlantwort B: Der Text soll den Wahlkampf unterstützen.
Der kundige Leser kennt das FDP-Wahlprogramm, weil er bei dessen Titel „Zukunftswerkstatt Sachsen-Anhalt“ aufgemerkt hat. Er kennt aber auch die aktuelle Bildungsdiskussion und weiß, dass die Hauptschule als längst überholte Schulform, also als rückwärts gerichtet,  gesehen wird. Er weiß außerdem, dass in den Hauptschulklassen nicht andere, sondern weniger Bildung angeboten wird als in seiner eigenen Realschulklasse. Wenn nun im FDP-Wahlprogramm steht, dass „der materielle Wohlstand Sachsen-Anhalts auf dem hohen Bildungsgrad seiner Gesellschaft“ beruht, dann können nicht die Hauptschüler gemeint sein, denkt er, denn mit den abgesenkten Hauptschul-Lehrplan-Anforderungen kann hohe Bildung nicht erworben werden. Der kundige Leser sieht die Inkonsequenz des Antrags im Vergleich zum Wahlprogramm und kreuzt diese Antwort erst einmal nicht an.     

Wahlantwort C: Der Text soll etwas Veränderungswürdiges bewegen. Hier kann der Proband zusätzlich Auszüge aus schulrechtlichen Grundlagen und aus den Empfehlungen des Bildungskonvents einsehen, so dass er aus dem Antragstext folgendes erschließen kann:

  1. Eigene Hauptschulklassen? Die sind lt. Schulgesetz ohnehin möglich; man braucht nur 15 Schüler mit genügend schlechtem Leistungsniveau.
  2. Mehr praxisorientierter Unterricht? Ja, nicht schlecht, aber dann für alle, denn Lebensnähe und Lernmotivation sind für alle gut.
  3. Keine Abstriche an der Qualität des Abschlusses? Das hat sowieso niemand vor, im Gegenteil.

Also C trifft nicht zu.

Wahlantwort D: Hier ist eine eigene Antwort möglich. Der Proband wählt diese Möglichkeit und schreibt: „Der Antrag bewirkt nichts Neues, er bedient Parteiinteressen. Die Empfehlungen des Bildungskonvents werden nicht berücksichtigt. Die Autoren schauen nicht nur rückwärts, sondern auch abwärts. Der Antrag gehört nicht in eine Werkstatt der Zukunft, sondern in den Papierkorb der Geschichte.“

Dem kann sich meine Fraktion nur anschließen. Wir lehnen den Antrag ab und wollen ihn auch nicht überwiesen haben.