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Henriette Quade zu TOP 3: Bürger schützen - Kommunen entlasten - Subsidiären Schutz nach § 4 Asylgesetz aus der Rechtsordnung streichen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wann immer schwere Verbrechen geschehen und Menschen, wie im Fall des schweren Angriffs im Regionalzug bei Brokstedt, das Leben verlieren und zu Schaden kommen, steht Politik in Verantwortung: In Verantwortung zu prüfen, was geschehen ist. Zu prüfen, was sich hätte verhindern lassen. Und zu entscheiden, was in Zukunft anders sein muss. Diese Verantwortung wiegt schwer, weil sich Taten nicht ungeschehen machen lassen. Weil Worte das Leid der Familien der beiden getöteten Jugendlichen und der Verletzten nicht abwenden können. Und weil, wann immer schwere Verbrechen geschehen, auch die Stunde derer schlägt, die daraus politisches Kapital schlagen wollen und das Geschehene in die eigene politische Agenda einpassen.

Alt bekannt ist der Versuch, Kriminalität und Verbrechen oder Konflikte zu ethnisieren. Die Frage, wer eine Straftat begeht, ist dabei immer relevanter als die Straftat selbst, geschweige denn die Opfer.

Neu ist, dass, ob jemand kriminell wird und Straftaten begeht, jetzt nicht mehr nun an der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer völkisch definierten Gruppe liegen soll, sondern an einem spezifischen Aufenthaltsstatus fest gemacht werden soll. Genau das tut der vorliegende Antrag. Jedes, wirklich jedes Wort des Entsetzens und der Verurteilung von Verbrechen ist deshalb scheinheilig und heuchlerisch – ihre Rede und ihr Antrag machen klar, worum es der AfD geht. Es sind weder die Opfer von Verbrechen, noch ihre Angehörigen.  

Die einbringende Fraktion tut so, als sei der Status des subsidiären Schutzes eine Erfindung der Bundesregierung, um wahllos und an geltendem Recht vorbei, mehr Menschen ein Aufenthaltsrecht zu verleihen. Das Gegenteil ist der Fall: Der subsidiäre Schutz ist unmittelbar aus Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) abgeleitet – er ist Kernbestandteil internationalen und Europäischen Rechts und das ist gut so. Denn als die EU-Asylrichtlinie im Jahr 2004 erlassen wurde, bestand Einigkeit, dass der Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) der einheitliche Mindeststandard für humanitären Schutz in Europa werden sollte. Diese hat aber Lücken. Sie schützt nicht vor der Todesstrafe, die in allen EU-Staaten geächtet ist, nicht vor Folter und nicht ausreichend vor der individuellen Gefahr für Leib und Leben durch kriegerische Konflikte. Der europäische Gesetzgeber entschloss sich daher, den GFK-Schutz unter Rückgriff auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) um den Schutz vor Folter, Todesstrafe und Lebensgefahr in kriegerischen Konflikten zu ergänzen, was mit Blick auf die Konflikte und das Leid in der Welt auch dringend nötig ist.

Der Landesregierung den Auftrag zu erteilen, sich zu bemühen, den subsidiären Schutz aus der Rechtsordnung zu streichen würde also nicht nur bedeuten, gegen Europa- und Unionsrecht zu verstoßen.

Es würde auch bedeuten, Menschen, die nach jedem humanitären Standard Schutz und Hilfe brauchen, sich selbst zu überlassen. Es würde bedeuten, Syrerinnen und Syrer, die sich dem Assad-Regime, dem seit Jahren andauernden Krieg, der Hisbollah entziehen wollen, dem Tod, sei es durch Krieg, Folter oder Todesstrafe zu überlassen.

Den subsidiären Schutz als Schutzstatus in Frage zu stellen weil Menschen, die diesen Status haben, Straftaten begehen, wäre absurd und falsch. Und ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir finden, dass Straftaten und Verbrechen in Deutschland mit den für alle geltenden Gesetzen und Strafen geahndet werden müssen: Im konkreten Fall Brokstedt würde auch die Aberkennung des Status für den Täter und die Entscheidung für eine Abschiebung, die die Regelung im Asylgesetz ja vorsieht, nichts daran ändern, dass er hier ist – als Staatenloser gäbe es keine realistische Option auf tatsächliche Abschiebung.

Die Tat von Brokstedt mit dem Status des Täters zu begründen ist nicht nur rassistisch, es heißt auch sich nicht wirklich dafür zu interessieren, ob und wo tatsächlich falsche Entscheidungen getroffen wurden. Heißt sich nicht wirklich dafür zu interessieren, ob die psychologischen Begutachtungen ausreichend und zutreffend waren, ob der Täter nicht längst in Maßregelvollzug oder anderen psychiatrischen Einrichtungen hätte sein müssen. Ob die zuständigen Behörden ihre Aufgaben so gut erfüllt haben, wie sie es hätten tun können und müssen. Es heißt die dringend zu stellende Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Justizvollzug und anderen Behörden aussah und was verändert werden müsste, um Gefährdungen besser zu erkennen, nicht zu stellen.

Es heißt den Tod der Jugendlichen in Brokstedt zu instrumentalisieren und den Tod von Menschen z.B. in Syrien in Kauf zu nehmen. Der Antrag ist abzulehnen.