Hendrik Lange zu TOP 6: Zukunftszentrum Halle
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir debattieren hier auf Antrag der Grünen. Als Linksfraktion hatten wir den ziemlich gleichen Debattenantrag eingereicht. Das Los fiel aber nicht zu unseren Gunsten aus. Ich stelle das vorweg um deutlich zu machen, dass uns sehr an dieser Debatte gelegen ist.
Mit der erfolgreichen Bewerbung der Stadt Halle um das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist der Stadt gelungen, was ihr vorher kaum zugetraut wurde – ein großartiger Coup. Und ich kann es als Bürger der Stadt, Stadtrat und lokaler Abgeordneter für meine ganze Fraktion unumwunden sagen: Wir freuen uns! Und wir danken Allen, die mitgeholfen haben, dass dieser Erfolg gelungen ist.
Wir freuen uns auch deswegen, weil diese Bewerbung in einer Zeit erfolgte, die für die Stadt nicht so einfach ist. Sie alle wissen, dass OB Wiegand derzeit suspendiert ist. Umso schöner ist es zu sehen, dass der wohl größte Erfolg für eine positive Entwicklungsperspektive durch die unermüdliche Arbeit der Stadtverwaltung unter der Leitung des stets bescheiden auftretenden Bürgermeister Geier gelungen ist. Er ist gelungen durch die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Stadtrat, der einstimmig für das Zukunftszentrum votiert hat – was eine wichtige Voraussetzung für die Juryentscheidung war.
Wobei hier zur Wahrheit dazu gehört, dass die einzige Stimmenenthaltung aus der AfD kam und der gleiche Stadtrat am Mittwoch wieder mit Sinnlosargumenten gegen das Zukunftszentrum gestänkert hat. Kann sich jeder selbst einen Reim drauf machen, wie sehr dieser Partei an einer gedeihlichen Stadtentwicklung gelegen ist.
und
Dieser Erfolg ist gelungen, weil die gesamte Stadtgesellschaft mitgenommen wurde. Es war eben nicht die One-Man-Show sondern ein guter gemeinsamer Auftritt der Stadtgesellschaft, vom Wirtschaftsunternehmen bis zu Vereinen und Verbänden, dem guten Zusammenspiel des Stadtmarketings mit der Stadtverwaltung und dem Rat. Und - das kann man besonders für die Schlussphase sagen - der Unterstützung des Landes.
Sehr geehrte Damen und Herren,
und da möchte ich in die zurecht hellen und freudigen Erfolgsgesänge ein wenig Moll mit Blick auf die Genese des Projekts einfließen lassen. Denn anfänglich kam aus der Staatskanzlei nicht die klare Unterstützung ja, man konnte gar Skepsis spüren. Und zur Wahrheit gehört auch, dass sich die Koalition im Europaausschuss trotz umfangreicher Anhörungen und der Vorstellung der Konzepte nicht einigen konnte, welche Bewerberstadt aus Sachsen-Anhalt sie denn unterstützen möchte. Diese Entscheidung haben CDU, SPD und FDP mutig zur Landesregierung geschoben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
genug mit Moll aus der Vergangenheit. Die Landesregierung hat sich dann ja auch durchgerungen Halle bei seiner Bewerbung zu unterstützen. Es wäre übrigens fatal gewesen, wenn da die Klarheit gefehlt hätte.
Jetzt gilt es das Zukunftszentrum als das zu begreifen, was es ist. Eine große Chance für die ganze Region. Es ist nicht umsonst gelungen, dass auch die Landräte die Stadt bei der Bewerbung unterstützt haben. Und die Stadt hat immer deutlich gemacht, dass die Region, die ja exemplarisch für die Transformation steht, die Ostdeutschland seit der Wende erlebt hat und immer noch erlebt, mitgenommen und einbezogen werden soll. Diese Perspektiven sollen in der Gestaltung des Zukunftszentrums mit einfließen. Und auch das hat Bürgermeister Geier deutlich gemacht. Halle streckt die Hand auch den Mitbewerbenden Städten aus. Und so kommt auch aus Leipzig nach anfänglicher Enttäuschung der Blick auf die Chancen für die Region.
Sehr geehrte Damen und Herren,
damit das Zukunftszentrum die Ausstrahlung bekommt, die wir erhoffen, wird die Stadt nun ihre Stadtentwicklung auf dieses Zentrum ausrichten müssen. Darin liegt aber nicht nur die Chance für die Entwicklung des Riebeckplatzes und der Innenstadt. Insbesondere die Großwohnsiedlungen können klug mit einbezogen werden.
Wo kann man ortsnah Transformation so exemplarisch studieren, wie in Halle-Neustadt?
Selbst wenn nur 10 % der angenommenen jährlichen Besucher*innen kommen, wird das ein enormer Zustrom. Wir werden viel Mühe darauf verwenden, dass sie nicht nur Tagesgäste sind, sondern in Halle verweilen, die Stadt kennen lernen und die reichhaltige Kulturlandschaft nutzen. Sei es der Blick in die Bronzezeit im Landesmuseum, die Galerien in der Talstraße oder der Moritzburg oder aber das vielfältige Veranstaltungsangebot im Steintorvarieté, der Oper und in unseren Theatern. Um Beispiele zu nennen.
und da beginnen die gemeinsamen Aufgaben mit dem Land. Denn viele Institutionen sind auf die Landesförderung angewiesen. Das merken wir beispielsweise, wenn in diesem Jahr die Theaterverträge neu verhandelt werden müssen. Der Zuschlag für das Zukunftszentrum ist ein großartiger Impuls. Die große Wirkung kann aber dann erzielt werden, wenn Stadt und Land an einem Strang ziehen.
Als Stadt werden wir uns natürlich auch darum kümmern müssen, dass Hotelkapazitäten aufgebaut werden und nicht eintritt, was ein RBB Kommentar beschrieb: Die Kapazitäten von Leipzig nutzen. Natürlich auch – aber nicht nur.
Anrede
Halle konnte in seiner Bewerbung auf die reiche Wissenschaftslandschaft abheben. Das ist zweifellos ein Plus gewesen. Und bei aller Kritik des MP gestern ist die Transformationsforschung des IWH ein wichtiger Beitrag. Aber auch die Osteuropastudien an der MLU sind ein wichtiges Pfund, wenn es um den angestrebten Brückenbau nach Osteuropa geht, der wichtiger denn je ist, in Zeiten wie diesen. Umso wichtiger ist es, dass der Finanzgetriebene Abbau von Studienkapazitäten gerade in den Geisteswissenschaften gestoppt wird. Noch während die Jury tagte kamen zu den Prozessen an der MLU Fragen. Darum ist es wichtig, dass dem Leuchturm der Spitzenforschung – dem Zukunftszentrum – auch das Fundament der breit aufgestellten Forschungslandschaft in Halle und Umgebung zur Verfügung gestellt wird. Und hier ist das Land in der Pflicht. Wenn ich allein bedenke, wie viel Osteuropakompetenz in den Abbaurunden der letzten 20 Jahre verloren gegangen ist, dann haben wir hier eine riesige Aufgabe.
Sehr geehrte Damen und Herren,
am Ende möchte ich meine Wünsche auch an den Bund aber auch nochmal ans Land richten. Das was nachher im Zukunftszentrum passiert muss dauerhaft und dynamisch finanziert werden. Zudem sollte das Zukunftszentrum in die gesamte Gesellschaft ausstrahlen und eine Übersetzungsleistung aus der Wissenschaft hinein in die Gesellschaft bieten. Es muss dazu auch ein offener Ort des Diskurses werden.
Es soll die Menschen im Osten der Republik und in Osteuropa mit einbeziehen und ja, auch und besonders ihre Biographien würdigen. Mit ihren Brüchen, Lasten und Widersprüchen stehen diese Biographien exemplarisch für das, was im Osten an Transformation stattgefunden hat und stattfindet. Wenn man ein Zukunftszentrum baut, sollte man auch in der Gegenwart Lebensleistung anerkennen. Die Entschädigung für entgangene Renten für in der DDR Geschiedene und DDR Beschäftigte gehört dazu. Sachsen-Anhalt muss bis März in die Härtefallstiftung einsteigen und im nächsten Schritt den Empfängerkreis zu einem Gerechtigkeitsfonds ausweiten. DIE LINKE hat beides hier beantragt. Wer die besondere deutsche und europäische Geschichte fruchtbar machen will, der muss die Menschen respektieren, die sie gemacht haben und durchleben mussten. Ich freue mich – wir freuen uns, dass das Zukunftszentrum nach Halle kommt. Lassen wir es gemeinsam zum Erfolg für das ganze Land werden.