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Heidelinde Penndorf zu TOP 24: Für eine solidarische gesetzliche Krankenversicherung (GKV) – Kopfpauschale verhindern

Die jüngste Gesundheitsreform, mit dem Kalkül gestaltet, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss, ist beschlossene Sache. Damit könnte man eigentlich glauben, dass unser Antrag vom März dieses Jahres erledigt wäre. Er lief nämlich einerseits darauf hinaus, dass die Landesregierung im Bundesrat und in der Gesundheitsministerkonferenz gegen die Einführung einer einkommensunabhängigen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung aktiv werden sollte. Die Erhebung einer Kopfpauschale wäre die Folge und das sollte verhindert werden.

Und zum Zweiten sollte sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Weiterentwicklung der GKV durch Verbreiterung der solidarischen Finanzierungsbasis im Sinne einer allgemeinen Bürgerinnenversicherung einsetzen.

Schon in der Märzdebatte zeigte sich, dass die Koalitionsfraktionen eigentlich gar nicht so weit von unserer Meinung entfernt waren. Der Antrag wurde in den Ausschuss überwiesen und erhielt die Chance, vom Landtag erneut behandelt zu werden. Diese Chance ist heute gekommen. Und wir wollen sie nutzen, um unsere Kritik am beschlossenen Gesetz zum Ausdruck zu bringen und auf einige Widersprüche zwischen Wort und Tat bei den Koalitionsfraktionen aufmerksam zu machen.

Mit der Ausschussüberweisung erhielt der Ausschuss für Soziales die Aufgabe, dem Landtag eine Beschlussempfehlung vorzulegen und damit die Chance, die im März und seit Wochen immer wieder geäußerten kritischen Aspekte der CDU- und SPD-Fraktionen in einen Beschluss zu fassen.

Das veranlasste uns, den Antrag in einer veränderten Fassung in den Ausschuss für Soziales einzubringen. Das Interview, das Herr Scharf dem AOK-Forum kürzlich gab, kam uns dabei sehr entgegen. Durften wir doch annehmen, dass die Erarbeitung einer gemeinsamen Meinung mit folgendem Tenor unproblematisch möglich würde.

Unsere Beschlussempfehlung lautete im Punkt 1: „Der Landtag kritisiert den Beschluss des Bundestages, eine einkommensunabhängige Finanzierung der GKV durch Erheben von Zusatzbeiträgen, mit der eine einseitig zunehmende Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden sein wird, einzuführen.“
Und dieser Inhalt entspricht ganz eindeutig den Aussagen von Herrn Scharf und vielen anderen Meinungen, die in der Plenardebatte vom März nachlesbar sind.

Und der Punkt 2 sollte unverändert lauten: „Die Landesregierung soll sich auf Bundesebene für eine Weiterentwicklung der GKV durch Verbreiterung der solidarischen Finanzierungsbasis im Sinne einer allgemeinen Bürgerinnenversicherung einsetzen.“

Doch es wurde nicht mal eine Diskussion geführt. Es ist ja nichts Neues daran, dass unsere Anträge prinzipiell abgelehnt werden. Doch schon in der Märzdebatte haben sich die beiden Regierungsfraktionen deutlich gegen die Gesundheitsprämie bzw. Kopfpauschale ausgesprochen. Niemand außer Frau Dr. Hüskens hatte Gegenteiliges in die Diskussion eingebracht.

Hinzu kommt die jüngst öffentlich publizierte Verlautbarung von Herrn Scharf, die die Absage zur Kopfpauschale zum Ausdruck bringt. Er betonte, dass es sich nicht allein um seine persönliche Meinung handelt, sondern um die der Fraktion.
Umso bemerkenswerter ist es, dass man nun nicht mal mehr zu einer kritischen Wertung bereit ist.

Es lebe der Wahlkampf und damit die Heuchelei – oder wie soll man dies nennen? Kommunikative Probleme bei der Meinungsbildung innerhalb der Fraktionen oder einfach Irreführung der Wähler, um mit Blick auf die Landtagswahl noch ein paar Punkte zu sammeln? Denn immerhin lehnen 82 % der deutschen Bevölkerung die einkommensunabhängige Kopfpauschale ab. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach. Auch ein Großteil der Ärzte sieht demnach keine Verbesserung in der Finanzierung der GKV.

Die inhaltliche Bewertung überlassen wir an dieser Stelle der Öffentlichkeit, den Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt. Sie haben schon ein Recht darauf, über die Widersprüche zwischen Worten und Taten, zwischen angeblichen Positionen und parlamentarischem Handeln aufgeklärt zu werden.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass unsere Beschlussempfehlung die Einführung der Gesundheitsreform zum 01.01.2011 nicht verhindert hätte, aber eine öffentliche kritische Stellungnahme wäre ein klares Signal des Landes Sachsen-Anhalt an die Bundesregierung und an die Bürgerinnen und Bürger des Landes gewesen.

Die solidarische Finanzierung der GKV steht auf so wackeligen Füßen, wie in den letzten 100 Jahren nicht. Es zeichnet sich ein Systemwechsel ab, der die Solidarität aushebelt und eine Drei-Klassen-Medizin bewirken wird. Im Übrigen sieht es auch Herr Scharf als schlicht falsch an, „das gut funktionierende Umlageverfahren“ gegen ein anderes System einzutauschen und gibt sein klares JA zur solidarischen Finanzierung.

Gesundheit ist keine Ware, die man sich eben leisten kann oder nicht, und Solidarität bedeutet, der eine steht für den anderen ein und nicht, ich stehe für mich, gemessen an meiner Erkrankung und Kaufkraft, ein.

Es ist richtig, dass die Leistungen des Gesundheitssystems nicht umsonst zu haben sind. Aber es kann nicht sein, dass die gesuchten Einnahmequellen und Kostenbremsen ständig Geringverdiener, Rentner und Familien mit Kindern überproportional treffen und vor allem besser Verdienende entlasten. Mit der vorgesehen Finanzierung sind die Versicherten in der Pflicht, fünffach in das System einzuzahlen. Neben dem Beitragssatz, der Praxisgebühr und den Zuzahlungen kommen nun die Kopfpauschale und Steuerentrichtungen für den Solidarausgleich hinzu. Mehraufwendungen im Gesundheitswesen werden ausschließlich auf die Versicherten abgewälzt.

Entgegen den Behauptungen, es gebe keine Alternative zu dieser Reform, setzen wir auf die Weiterentwicklung des GKV-Systems. Ich kann nur wiederholen, dass es mit dem von der LINKEN propagierten System der solidarischen Bürgerinnenversicherung möglich wird, die Finanzierung der GKV wieder auf sichere Füße zu stellen. Mit dieser Aussage stehen wir nicht alleine da und es ist an der Zeit, sich zu besinnen und mit aller Ernsthaftigkeit im Sinne der Bürgerinnen diese Alternative in Betracht zu ziehen.

Die Verbreiterung der Einnahmebasis durch Erhöhung und später Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze sowie die Einbeziehung aller Einkommensarten, stellt eine nachhaltige Finanzierung sicher. Sie verhindert, dass Beiträge zulasten der Versicherten erhöht werden und ermöglicht geringere Beitragssätze als derzeit. Nur so können die Bedürfnisse im Krankheitsfall jedes Bürgers gedeckt werden, wenn man das will.

Neben der Reform der Einnahmesituation sind auch im Ausgabenbereich noch Reserven offen. Angefangen mit der Einführung einer Positivliste für Arzneimittel über eine bessere Vernetzung von ambulanten und stationären Strukturen bis hin zur Vermeidung von Doppeluntersuchengen dürften noch so manche Quelle von Einsparungen bzw. rationellerer Mittelverwendung zu erschließen sein.

Wir werden jedenfalls unseren Widerstand gegen die Einführung einer Kopfpauschale nicht einstellen und lehnen die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab.

Und damit im Lande jeder und jede sehen kann, wie ihre Landtagsabgeordneten es mit der Übereinstimmung von Wort und Tat halten, beantragen wir namentliche Abstimmung.