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Harry Czeke zu TOP 17: Mehr Transparenz für öffentlich-private Partnerschaften

Ich denke, unser Antrag „Mehr Transparenz für Öffentlich-Private Partnerschaften“ ruft bei den meisten KollegInnen hier gewisse Assoziationen hervor. Als KommunalpolitikerInnen ist Ihnen PPP, also die Beteiligung privater Bauunternehmen zumeist im Bereich Schulbau, sicher schon begegnet. Als Landtagsabgeordnete waren wir alle mit dem Bau der bundesweit ersten privatgeführten Justizvollzugsanstalt in Burg konfrontiert.
PPP – Public Privat Partnership, zu deutsch öffentlich-private Partnerschaft - ÖPP, bezeichnet also das Finanzieren und wie bei der JVA auch das Betreiben von staatlichen Einrichtungen durch Private Unternehmen. Nach Angaben der ÖPP „Deutschland AG“, die 2008 gegründet wurde und Banken, Baukonzerne, Regierungen aus Bund und Ländern sowie kommunalen Vertretungen eint, gibt es bundesweit aktuell etwa 150 PPP-Modellprojekte. Das entspräche aber nur 4 Prozent aller öffentlichen Baumaßnahmen und müsse dringend ausgebaut werden, auf mindestens 12 Prozent - meinen jedenfalls die PPP-Lobbyisten (Banken, RechtsberaterInnen, UnternehmensberaterInnen, Baukonzerne).

Dass PPP oder ÖPP größere Entwicklungspotenziale habe, meint auch die EU-Kommission in ihrer Mitteilung vom November 2009. Dies zeigt sich schon im ausufernden Titel des Papiers (KOM 2009) 615:
„Mobilisierung privater und öffentlicher Investitionen zur Förderung der Konjunktur und eines langfristigen Strukturwandels: Ausbau öffentlich-privater Partnerschaften“.
Da jedoch in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise die Zahl der Projekte stagniere, sei es daher (Zitat) „...umso dringender und wichtiger, neue Möglichkeiten zur Förderung und Entwicklung von ÖPPs zu eruieren“. Die EU-Kommission sieht folglich den Beitrag der EU für mehr ÖPP besonders bei der Finanzierung durch die Strukturfonds. Dies geschehe zum Teil jetzt schon durch die Wirtschaftsprogramme JASPERS, JESSICA und JEREMIE. Laut Papier sollen ÖPPs aber langfristig eine Rolle spielen. Deshalb will sie eine ÖPP-Fachgruppe einsetzen, die den Mitgliedstaaten Maßnahmen (Zitat) „zur Beseitigung der Hindernisse für die Entwicklung der ÖPPs und zur Förderung ihrer Nutzung“ erarbeitet“. (S. 14)

Im Fazit auf Seite 17 wird es dann konkret: „Die Kommission überprüft die einschlägigen Vorschriften und Verfahren, um zu gewährleisten, dass es in Fällen, in denen Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt fließen, bei der Zuweisung öffentlicher Mittel kleine Diskriminierung zwischen der privaten oder öffentlichen Verwaltung des Projekts gibt.“
Während das EU-Papiers im Bundesrat im Februar auf breite Zustimmung traf, möchten wir doch auf die kritischen Punkte bei PPP und deren weiteren Förderung eingehen.

Der Vorschlag der Kommission, EU-Strukturfondsmittel an die stärkere
Vergabe an PPP zu binden, muss vor dem Kontext der beginnenden Haushaltsverhandlungen zum EU-Haushalt ab 2014 gesehen werden. Es gibt einen Vorgeschmack auf die Ausrichtung: mehr Wettbewerb statt sozialen Ausgleich, mehr Geld für internationale Wettbewerbsfähigkeit und Außenwirkung der EU, weniger Geld für unterfinanzierte öffentliche Haushalte und ihre Aufgaben. Und da sind wir wieder bei PPP.
Was ist das Hauptargument der PPP-Fans für PPP? Die Finanznot der öffentlichen Haushalte! Herbert Bodner ist einer der Fans und Präsident des Hauptverbandes der Bauindustrie und Vorstandschef von Bilfinger Berger, Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern. „Wir sind davon überzeugt, dass die öffentliche Hand angesichts der Kassenlage verstärkt auf PPP-Projekte zurückgreifen muss.“,sagte er dem „Handelsblatt“ am 5.10.2009, anlässlich der Übergabe „seines“ Gefängnisses in Burg.

Aber sind fehlende Mittel der öffentlichen Hand gute Voraussetzungen für eine  „Partnerschaft“? Die Not des einen wird zum Geschäft des anderen. Der Eigentümer wird zum Mieter und das in Verträgen bis zu 30 Jahren! Noch dazu in sensiblen staatlichen Aufgabensbereichen wie dem Strafvollzug, der Bildung, der Verwaltung.
PPP kann keine Lösung für verschuldete Kommunen, Länder oder den Bund sein. Es ist maximal eine kurzzeitige „kreative Buchführung“, weil die jahrelangen Mietzahlungen an den Investor nicht als Schulden ausgewiesen werden. Außerdem entledigen sich die ParlamentarierInnen der Möglichkeit, über das von Steuergeldern bezahlte Eigentum noch mitzubestimmen. Diese Einschränkungen der demokratischen Kontrolle führte zur Ablehnung des Leipziger Stadtrates vom vergangenen Jahr, Schulen mittels PPP zu sanieren.

Bei den meisten kommunalen Projekten in zweistelliger Millionenhöhe haben nicht einmal regionale, kleinere Firmen eine Chance auf Vergabe, wie auch die Anhörung vor den Wirtschafts- und Finanzausschüssen 2007 im hiesigen Landtag ergab.
Vollkommen intransparent und undemokratisch ist PPP, wenn Verträge seitens der Investoren, Berater und Banken dem „Betriebsgeheimnis“ unterstellt werden, und somit ungesehen abgesegnet werden oder nach der Einsicht Stillschweigen vertraglich festgelegt wird, wie auch in Halle und Magdeburg. Soviel zum öffentlichen  „Partner“. Und der private?
Im Gegenzug hat er eine langfristige planbare Gewinneinnahme - was im Baugeschäft normalerweise sonst nicht der Fall ist. Nun kann man Privatunternehmen die Orientierung auf Gewinnmaximierung schwerlich vorwerfen. Allerdings sind die Pflichtaufgaben der Öffentlichen Hand dafür nicht die richtige Spielwiese. Hier geht es um das Gemeinwohlinteresse. Diesen Zielkonflikt kann PPP nicht ausräumen.

Kommen wir noch einmal auf das Betreibermodell JVA Burg zurück. Die Anwälte und Berater Bilfinger und Bergers haben 3000 Seiten Vertrag in 13 dicke Ordner gequetscht – bitte mal melden, wer das gelesen hat!
Jedenfalls hat Sachsen-Anhalt jetzt eine Vollzugsanstalt, in der Dienstleistungen wie Essenausgabe, Werkstätten, Bibliothek und Wäschedienst privatisiert sind. Das Land bezahlt dafür monatlich 1,7 Mio. Euro. Im Jahr also 20 Mio. Euro, bis 2034 über 510 Mio. Euro. Supi-Geschäft für den Konzern aus Mannheim. Er hat nur 10 Prozent der Gesamtkosten – (mit den Baukosten), also 100 Mio. Euro investiert. Bei einem so geringen Projektrisiko reichte das den Banken.

Um eine ordentliche Rendite aus PPP zu ziehen sparen die „Investoren“ an Personal und Material. Am 30.11. 2009 beklagte der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), Anton Bachl, gegenüber der Nachrichtenagentur ddp folgendes: „der Bau dieser JVA als Public-Private-Partnership-Projekt (PPP) sei deutlich teurer geworden als die Errichtung einer solchen Einrichtung in Eigenregie des Landes. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erkenntnis habe Bayern erst vor kurzem die Planungen für ein PPP-Projekt zur Errichtung einer Vollzugseinrichtung in Augsburg gestoppt. Die Probleme in Burg seien nicht nur finanziell gravierend, sondern vor allem auch struktureller Natur.

Der hohe Krankenstand in der JVA sei vorrangig in der schlechten Bezahlung, fehlenden Beförderungsperspektiven und der nachlassenden Motivation der Bediensteten begründet. Der BSBD warnte davor, dass am falschen Platz der Gesellschaft gespart werde.“
Ein wichtiger Aspekt bei PPP ist somit die Auswirkung auf die Beschäftigten, besonders der öffentlichen Verwaltung. Es bedeutet, vorhandene öffentliche Fachkompetenz von den Bauabteilungen bis zu Fachverwaltungen im Kultur- und Sozialbereich werden verdrängt, die MitarbeiterInnen werden ihrer angestammten Tätigkeit mittelfristig  beraubt und somit wird die Fähigkeit des Staates geschwächt, sich selbst wirtschaftlich im öffentlichen Interesse zu organisieren. Deshalb opponieren neben der GEW und Verdi auch der Städte- und Gemeindebund gegen die PPP-Euphorie.
Selbst, wenn man diese politische, gesellschaftliche Problematik ausblendet, und PPP rein fiskalisch betrachtet, zeigt sich eine negative Bilanz. Bereits 2006 haben die Präsidenten der Landesrechnungshöfe in einem Beschluss festgehalten: „Bei PPP-Projekten treten andere laufende Ausgaben an die Stelle von Zins- und Tilgungslasten und belasten künftige Haushalte [...] PPP-Projekte, die sich die Öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, darf sie sich ebenso wenig alternativ finanziert leisten.“
Der hiesige Landesrechnungshof kam bei aktuellen Wirtschaftlichkeitsprüfungen der PPP-Projekte in Halle zu der Bewertung, dass es bei den meisten Objekten keine Vorteile bringe (Bund der Steuerzahler S-A online 6.4.2010). Nach Einschätzung des LRH werden für Halle finanzielle Mehraufwendungen entstehen während der 25jährigen Vertragslaufzeit.

Alternative kann unseres Erachtens nur sein, die Kommunen und Länder wieder in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben erfüllen zu können. Statt Fortführung der jahrelangen verfehlten Steuerpolitik, muss es Einnahmen für Kommunen geben. Der Städte und Gemeindebund rechnet 2010 mit einer Verschuldung von 15 Milliarden Euro. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, im Bundesrat die aufgabenbezogene Finanzierung der öffentlichen Haushalte einzufordern. Ein hilfreiches Instrument dafür ist die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage der Kommune an Bund und Land.
PPP – findige Zungen übersetzen es mit Pleiten, Pech und Pannen – fehlt vor allem die Transparenz.

Auf der Landes-Internetseite sind aktuell acht Projekte benannt, ohne Umfang, Dauer, Kosten. Andere Projekte wie das Amtsgericht Wernigerode, die Walpurgistherme in Thale, die B 6n – Ortsumgehung Wernigerode oder die Rettungswache und das Katasteramt in Wernigerode fehlen ganz. Deshalb sollte in allen Fachausschüssen den Abgeordneten Einblicke geben, welche Perspektive und Auswirkungen PPP haben, auch im Zusammenhang mit dem
EU-Dokument zum Ausbau der PPP.