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Harry Czeke zu TOP 14: Kommunale Vertretung im Ausschuss der Regionen (AdR) stärken

DIE LINKE hält nicht viel von Stellvertreter-Kriegen. Dass jedoch ein EU-Gremium wie der Ausschuss der Regionen so hart umkämpft ist, finden wir in Ordnung. Denn genau um die Zusammensetzung des Ausschusses der Regionen geht es uns mit unseren Anträgen.

Der Ausschuss der Regionen, kurz AdR, ist die einzige Institution auf europäischer Ebene, die die Interessen der regionalen und lokalen Ebene vertritt. In ihm sitzen 344 Vollmitglieder und ebenso viele StellvertreterInnen. Entsprechend der Unterschiede im innerstaatlichen Aufbau der Mitgliedstaaten ist die Zusammensetzung sehr inhomogen. Viele kommen aus den Kommunen, sind Bürgermeisterinnen, wie bei Schweden, Portugal oder Estland.

Es ist hauptsächlich eine deutsche Besonderheit, dass hier die regionalen Interessenvertreter dominieren. Zumeist sitzen Minister, Ministerpräsidenten und Staatssekretäre der Länder im Gremium. Die lokale und auch parlamentarische Vertretung der deutschen Delegation des AdR ist dagegen sehr schwach. Von den insgesamt 24 Mitgliedern der deutschen Delegation entfallen 21 Sitze auf die Länder(regierungen), nur 3 Stimmen haben die Kommunalen Spitzenverbände. Daraus ergibt sich eine sehr ungleiche Kräfteverteilung in Sachen EU-Politik, denn: die Landesregierungen können sich europapolitisch zusätzlich über den Ministerrat und den Bundesrat eine Stimme verschaffen. Diese Ebenen sind für die Landtage und erst Recht für die Kommunen passé. Ihnen bleibt hauptsächlich der AdR als Interessenvertretung, jedoch wie gesagt, mit marginaler Repräsentanz.

Deshalb haben die LandtagspräsidentInnen 2004 gefordert, im AdR ein parlamentarische Vertretung durchzusetzen. Doch diese blieb im AdR sehr schwach und ist erst in den vergangenen Jahren ein wenig gestiegen. Es fehlt also die vom AdR selbst festgeschriebene Balance im politischen und geografischen Sinne.

Die deutsche Delegation des AdR ist nach 15 Jahren nach wie vor von Repräsentanten der Exekutive dominiert. Lediglich Schleswig-Holstein hat zwei Vertreter der Legislative in den AdR entsandt. Ansonsten bleibt den Landesparlamenten zumeist nur der Stellvertreterposten – wie in Sachen-Anhalt. Dass dabei auch noch die größte Oppositionsfraktion keine Mehrheiten findet, ist noch einmal eine gesonderte Debatte wert, vielleicht in 4 Jahren, wenn es wieder um die Bennennung der Landes-VertreterInnen im AdR geht.

Übrigens muss auch die Einbeziehung des Landtagsausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten in Sachen AdR seitens der Landesregierung als rudimentär bezeichnet werden. Aber darauf kommen wir heute noch im TOP „Intergationsverantwortung der Landtage gewährleisten“.

Noch dürftiger sieht es aber für die Kommunen im AdR aus. Vor allem sind keine ostdeutschen Kommunen präsent. Die drei Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände - zwei Bürgermeister und ein Landrat - kommen alle aus Süddeutschland. Auch deshalb unser Benennungsvorschlag – aber dazu später.

Für die Gemeinden und die kommunalen Spitzenverbände sieht die Sache also trist aus. Der einzige unmittelbare Kontakt zwischen den Gemeinden und dem AdR wird somit durch ihre Repräsentanten im Ausschuss vermittelt, die jedoch in Deutschland über die kommunalen Verbände benannt werden und gegenüber den „Ländervertretern“ deutlich in der Minderheit sind.
Während die Landesregierungen die Kommunen im Bundesrat und bei den Ministerkonferenzen gleich mitvertreten, haben die Kommunen dagegen nicht einmal Gaststatus bei diesen Gremien, um Einfluss zu nehmen. Sie setzen zwar die EU-Richtlinien um und werden dabei auch noch von der Landesregierung alleine gelassen - wie bei der EU-Dienstleistungsrichtlinie – ich möchte an unsere Anhörung dazu erinnern. Aber Einfluss auf oder nur frühzeitige Kenntnis von z.B. Feinstaubrichtlinie oder Lärmschutzrichtlinie sind kaum gegeben.

Dass die Kommunen als Praktiker vor Ort und Umsetzer von EU-Recht keine starke Stimme haben, wiegt um so schwerer, da ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht durch EU-recht stark eingeschränkt wird. Ihre sozialen und wirtschaftlichen Gestaltungsspielräume sind durch europäische Beihilfevorschriften und europäisches Wettbewerbsrecht  stark eingeengt: So besteht beispielsweise eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der Sanierung von kommunalen Freibädern und In-House-Vergaben. Quersubventionierungen sind wettbewerbsrechtlich verboten und es liegt ein Liberalisierung- und Privatisierungsdruck auf kommunalem Eigentum. Sehr treffend hat es Martin Schulz, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament bei der Wiederwahl von Kommissionspräsident Barroso gesagt: „Diese EU-Kommission gibt keine Ruhe, bis der letzte kommunale Friedhof privatisiert ist“. (FAZ 16.09.09)

Die Kommunen erfüllen eine wichtige Doppelfunktion. Zum einen erbringen sie für alle Menschen wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge wie Abwasserent- und Wasserversorgung, Stromversorgung sowie ÖPNV oder freiwillige Aufgaben im kulturellen Bereich. Zum anderen haben sie eine demokratische Funktion, indem vor Ort, auf der untersten Ebene, BürgerInnen direkt und indirekt entscheiden, wie das Leben in der Kommune aussehen soll. Die Sonderstellung der Kommunen in Deutschland widerspiegelt sich in ihrem im Grundgesetz gesicherte Selbstverwaltungsrecht (Art. 28).
Die Verwirklichung des EU-Binnenmarktes zielt auf einen freien Wettbewerb und Handel mit Dienstleistungen – ursprünglich nur im privaten Finanz- und Versicherungsbereich – ab, wovon besonders die öffentliche Dienstleistungen und Daseinsvorsorge der Kommunen betroffen sind. Als weiteres Problem kommt der durch den EU-Stabilitätspakt erzwungene finanzielle Druck auf die öffentlichen Haushalte und Ausgaben in diesem Bereich hinzu. Europapolitik ist also Innenpolitik.

EU-Gesetze wie die Transparenzrichtlinie, die Vergabeverordnung sowie das Subventionen verbietende Wettbewerbsrecht benachteiligen die öffentliche Erbringung der Daseinsvorsorge. Um die Kommunen handlungsfähig zu halten und ihrer grundgesetzlich festgeschrieben Selbstverwaltung gerecht zu werden, müssen Quersubventionierungen weiter erlaubt sein.

Um die Finanzierungsbasis der Kommunen zur Erbringung der Daseinsvorsorge zu gewährleisten und den Druck zur Ausgliederung und zum Verkauf öffentlicher Einrichtungen zu verhindern, muss ein europäisches Gesetz festschreiben, dass Gewerbe- und Kapitalertragssteuer dort gezahlt werden, wo Unternehmen Umsatz machen. Zu diesem Zweck sind auch EU-Fördergelder der Strukturfonds auf den Erhalt der KMU zu konzentrieren. Der Zugang und die Informationen zu EU-Fördermitteln für Kommunen und kleine Unternehmen muss erleichtert, die Förderziele müssen stärker an den Interessen und Problemen der Kommunen ausgerichtet werden. Doch wo sollen die Kommunen ihre Positionen artikulieren und durchsetzen?

Die Zeitschrift „Die Öffentliche Verwaltung“ schreibt in ihrem Heft 19, ich zitiere: „Es ist ein Einwirkungspotential des Gemeinschaftsrechts auf die kommunale Ebene in unterschiedlicher Intensität festzustellen,( ...) welches zukünftig zunehmen wird. Dem steht derzeit nur ein geringer Schutzgehalt für die Kommunen sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch nationaler Ebene entgegen, so dass ein Ausbau der Schutzmöglichkeiten zugunsten der lokalen Gebietskörperschaften notwendig erscheint.“

Der AdR ist  die einzige institutionalisierte Interessenvertretung der Kommunen. Wenngleich der AdR im EU-Institutionengefüge nur recht schwach ist. Er ist ein beratendes Nebenorgan, dessen Stellungnahmen nicht bindend sind. Sein Konsensverfahren verwässert oft die Pluralität seiner VertreterInnen. Dennoch eröffnet der Ausschuss die Möglichkeit, kommunale Belange in den europäischen Integrationsprozess einzuspeisen.

Alle Bundesländer können in Rotation in einer AdR-Mandatsperiode auch einmal zwei Vollmitglieder und zwei Stellvertreterin entsenden. Allerdings ist Sachsen-Anhalt noch nicht „dran“. Sonst wäre es für uns der Idealfall, eine Vertreterin aus der Kommune und dem Landesparlament zu entsenden.

Wir möchten jetzt der kommunalen Vertreterin den Vortritt lassen und möchten heute um Zustimmung für die Bennennung von Petra Hort, gewählte Bürgermeisterin der Stadt Wanzleben, bitten. Sie ist zudem Kreistagsabgeordnete sowie Mitglied der Volkssolidarität und im DRK.