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Harry Czeke zu TOP 06: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie in Sachsen-Anhalt

Dafür, dass Sachsen-Anhalt immer so früh aufsteht, kommt der Gesetzentwurf zur EU-Dienstleistungsrichtlinie etwas spät. Aber die unangenehmen Dinge schiebt der Mensch ja meistens etwas nach Hinten. Viel weiter nach hinten geht aber jetzt nicht mehr, weil bereits in knapp drei Monaten die Richtlinie umgesetzt sein muss. Es ist nicht sehr prophetisch daran zu zweifeln.

Seit knapp fünf Jahren (Februar 2005) diskutieren wir im Landtag die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und nun auch technischen Auswirkungen bei der Umsetzung der einstigen Bolkesteinrichtlinie.

Den kritischen Positionen unserer Fraktion wehte immer der fröhlich-optimistische Wind der übrigen Fraktionen entgegen. Zuletzt auf der vergangenen Landtagssitzung im Juni. Da herrschte allgemeine Verwunderung, dass wir Diskussionsbedarf sahen, wo alles in Tüten sei. Nur eine Woche später bestätigte sich im Europaausschuss unsere Einschätzung. Es wurde deutlich, dass in den Häusern wenig Klarheit besteht.

Fakt ist, dass es nicht ganz den Tatsachen entsprach, dass alles in Sack und Tüten wäre und nur noch im Kabinett beschlossen werden müsste. Besonderer Abstimmungsbedarf besteht noch im Innenministerium, inwieweit sich aus dem EAP (einheitliche Ansprechpartner) - Gesetz neue Aufgaben für die Kommunen ergeben, die auch durch das Konnexitätsprinzip abgegolten werden müssten und damit haushaltsrelevant ist.

Für die LINKE ist die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie aber nicht nur ein  formal-technischer Akt. Wir begeistern uns nicht für den möglichst ungehemmten Zugang ausländischer Dienstleistungserbringer, d.h. befreit von sozialen, tariflichen und ökonomischen Mindeststandards. Oder den ungehinderten grenzüberschreitenden Zugang einheimischer Unternehmen – wobei noch fraglich ist, ob und wie viele hiesige KMU von der Richtlinie profitieren. Wir sorgen uns um die ArbeitnehmerInnen hierzulande und in der EU. Deren Löhne und Rechte könnten durch die Umsetzung der Richtlinie bedroht sein - da werden wir wohl in einigen Jahren wieder debattieren müssen. Eine Gesetzesfolgenabschätzung ist absolut nötig.

Und dass Entsenderichtlinien und regionale Vergabegesetze keinen ausreichenden Tarifschutz gewähren, zeigen u.a. die EuGH-Urteile „Laval“ und „Rüffert“ (beide Dezember 2007). Die Dienstleistungsfreiheit wurde über nationalstaatliche Regelungen im Streik- und Tarifrecht gesetzt.
Im Fall Rüffert hatte ein polnischer Subunternehmer einen öffentlichen Bauauftrag unter der Bedingung erhalten, geltenden Tariflohn laut niedersächsischem Vergabegesetz zu zahlen. Jedoch zahlte das Unternehmen tatsächlich 50 Prozent weniger als laut Mindestlohn festgeschrieben. Nach der Klage durch das Land Niedersachsen bekam der Unternehmer recht. Der EuGH hält das niedersächsische Vergabegesetz für unvereinbar mit Europarecht. Der Zweck des Arbeitnehmerschutzes sei keine Rechtfertigung. Der EuGH hat keinen Blick dafür, dass der ArbeitnehmerInnenschutz für bestimmte Bereiche eben auch durch „indirekte“ Maßnahmen erfolgen kann. Ein Verständnis für kollektive Regelungen und kollektive Interessen ist nicht vorhanden. 

Ein weiteres Problem sehen wir bei den Kommunen, die nun nicht nur mit verwaltungsorganisatorischen Neuausrichtungen konfrontiert sind, sondern auch mit technischen Herausforderungen, die wiederum zu finanzieren sind.

Wir sind der Meinung, dass der im EAP-Gesetz veranschlagte Ausgleichsbetrag (von 41 pro zu bearbeitenden Fall) für die Kommunen bei der Bearbeitung von Anträgen bzw. die elektronische Übertragung der Anträge an den EAP und nicht die Bearbeitung selbst, viel zu niedrig veranschlagt ist. Hierbei wurden zwar die Kosten für den Sachbearbeiter samt Arbeitsplatz kalkuliert (man bedenke während bei dem EAP eine A14 Stelle und 3 A12 Stellen veranschlagt werden, um die Anträge an die Kommunen weiterzuleiten, wird in der Kommune nur eine E6 Stelle veranschlagt, um die bearbeiteten Anträge zurückzuschicken), jedoch nicht die Kosten für die Einrichtung der Technik im Sinne eines e-Government, also IT-Leitungen, Hardware, Software. Unter den Umständen, dass die Kommunen sowieso schon an ihren finanziellen Grenzen sind und sich dieser Zustand in den nächsten Jahren noch verschärfen wird, ist es für die Kommunen eine immense zusätzliche Belastung nun im Schnelldurchlauf ein funktionierendes e-Government einzurichten. Kleine Städte, in den ländlichen Gebieten, die nicht einmal über einen Breitbandanschluss verfügen sind dieser technischen Herausforderung ohne finanzielle Hilfe nicht gewachsen.

Wir haben eine Anhörung der Kommunen erfolgreich beantragt und hoffen, dass sie ihre Unsetzungsschwierigkeiten in der nun gemeinsamen Anhörung zum Gesetzentwurf mit weiteren Anzuhörenden auch darstellen können.

Ein anderer Themenkomplex, zu dem bei uns noch Fragen bestehen, wird in dem Artikelgesetz weitestgehend ausgespart. Der Datenschutz. Sowohl bei der Übertragung von Daten vom EAP an die zuständigen Behörden und zurück, als auch von den zuständigen Behörden im Zuge von Amtshilfeverfahren an andere Mitgliedsstaaten der EU über das von der Kommission eingerichtete Binnenmarktinformationssystem (Internal Market Informationssystem (IMI)) geht es zum großen Teil um hoch sensible Daten der Dienstleistungserbringer. Es wird kein Wort darüber verloren, wie diese Daten gesichert werden soll. Das IMI ist ein riesengroßes Datennetz bzw. ein Datenbanksystem, auf welches die verschiedensten Behörden aus der ganzen EU Zugriff haben werden, bis heute ist unklar, welche Behörden in welchen Mitgliedsstaaten Zugriff haben werden, sicher ist nur, dass es unheimlich viele sein werden.

Es sind also auch nach der Einbringung des Gesetzesentwurfs noch viele Fragen offen, die es zu beantworten gilt, wir hoffen daher um konstruktive Diskussionen zu diesem Thema in den Ausschüssen.