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Hans-Jörg Krause zu TOP 21: Sicherung der Existenzbedingungen ortsansässiger landwirtschaftlicher Unternehmen bei der Verwertung von BVVG-Flächen

Mit dem vorliegenden Antrag greifen wir ein Thema auf, dass die betroffenen Landwirte nicht erst seit Wochen oder Monaten bewegt.
Es geht um die Verfügbarkeit von Grund und Boden und in dieser konkreten Angelegenheit um die Landwirte, die mit einem mehr oder weniger großen Anteil an  BVVG-Flächen arbeiten.
Für diese Landwirte kann die Verwertungs- bzw. Privatisierungspraxis der BVVG schwerwiegende, ja existenzbedrohende Folgen haben.
Entsprechend neu erlassener Privatisierungsgrundsätze ist die BVVG als Privatisierungsstelle des Bundes angehalten nach entsprechenden Ausschreibungen nach dem Höchstgebot zu veräußern.
Für das Bundesministerium für Finanzen als übergeordnete Behörde ist das natürlich ein recht einträgliches Geschäft. Immerhin sind die Hektarerlöse beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen lt. Geschäftsbericht um 20 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

Die BVVG hat im Berichtszeitraum  (2007) einen Überschuss von insgesamt 291 Mill. € an die Gesellschafterin abführen können. (2006 waren es noch 20 Mill. weniger)

Was nicht nur für die BVVG, sondern vor allem für den Bundesfinanzminister Steinbrück ein Segen ist, ist allerdings für die etablierten Agrarunternehmen, die mit ihren begrenzten finanziellen Möglichkeiten außen vor bleiben, ein Fluch. Die Möglichkeiten eines Flächenerwerbs nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) haben sich bei den Pächtern weitestgehend erschöpft. Damit hat sich dann auch aus finanziellen Gründen eine Teilhabe am sonstigen Flächenerwerb und erst recht an einer Ausschreibung nach Höchstgebot erledigt. Hier können die einheimischen Landwirte nicht mithalten.

Andererseits müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die BVVG –Pachtflächen in Sachsen-Anhalt immer noch um die 100.000 ha betragen und dass in den kommenden Jahren ein großer Teil der langfristigen Pachtverträge ausläuft! Das Privatisierungskonzept der BVVG stellt die betroffenen Unternehmen dann vor die Entscheidung: Entweder kaufen oder Gefahr laufen, das bisher gepachtete Land zu verlieren!

Wer in dieser Situation die auf einem hohen Anteil an Pachtflächen beruhende heimische Landwirtschaft dem globalen Markt aussetzt und landesgesetzliche Möglichkeiten für den Zugang unserer Agrarbetriebe zu den von ihnen bewirtschafteten Flächen nicht nutzt, setzt die modernen und bewehrten Agrarstrukturen in Sachsen-Anhalt leichtfertig aufs Spiel und sorgt für Verlust an Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum.

Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass sich mit der Föderalismusreform das Grundstücksverkehrs- und Landpachtgesetz jetzt in Zuständigkeit der Länder befindet und wir damit auch mehr Verantwortung für die Entwicklung der ländlichen Räume tragen. Das verpflichtet dann aber auch zum Handel.

Natürlich ist es richtig, dass EU-weit alle Bieter zum Verfahren zugelassen werden müssen. Aber darüber zu entscheiden, wer den Zuschlag bekommt, muss nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, die für die Region oder für die Kommune entstehen könnten, getroffen werden. Da darf ein Höchstgebot allein nicht den Ausschlag geben.

Vielmehr sollte zur Entscheidungsfindung hinterfragt werden, ob der Erwerb einer Fläche zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung oder zur Umsetzung einer anderen gesellschaftlich wichtigen Maßnahme dient oder ob es sich schlichtweg nur um eine bloße Geldanlage handelt, in deren Konsequenz der Bestand eines gesunden landwirtschaftlichen Unternehmens gefährdet und regionale Entwicklungskonzepte  und Wirtschaftskreisläufe gestört werden könnten.  Entsprechend ist natürlich zu handeln.
Dass dies auch auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts möglich ist, davon haben wir uns als Agrarausschuss anlässlich unseres Arbeitsbesuches bei einer französischen Landgesellschaft im Raum Toulouse überzeugen können.

So ist dieser Antrag auch eine gewisse Nachlese unseres Arbeitsbesuches in Frankreich.

Damit kein Missverständnis aufkommt, es geht hier nicht darum bestimmte Menschen vom Flächenerwerb auszuschließen. Nein, die Möglichkeit sich auch in Sachsen-Anhalt niederzulassen, Flächen zu erwerben, wenn sie im Angebot sind, und Landwirtschaft zu betreiben, soll jedem offen stehen.

Wenn also Flächen frei werden, nicht mehr benötigt werden, weil z.B. ein Landwirt seine Wirtschaft aufgibt, dann soll man sich meinetwegen europaweit bewerben können und die Bewerberinnen sollen diese Flächen auch bekommen, wenn sie entsprechende Konzepte vorlegen, die für ein Europa der Regionen zum Vorteil sind.

Das Problem besteht jedoch darin, dass, obwohl jetzt viele Pachtverträge auslaufen, die entsprechenden Flächen nicht wirklich frei werden oder vom bisherigen Pächter nicht mehr benötigt werden. Nein, viele sind finanziell einfach nicht in der Lage, diese Flächen unter Beachtung der vorgegebenen Losgrößen jetzt und sofort zu kaufen, erst recht nicht, wenn mit Höchstgeboten konkurriert werden muss.

In diese Situation werden Landwirte durch die bisherige Privatisierungspraxis der BVVG gebracht. Kapitalkräftige Leute, die außerhalb der Landwirtschaft und sonstiger regional begründeter Interessen stehen, erhalten die Möglichkeit, die Bodenpreise so stark in die Höhe zu treiben, dass ein Landwirt im Haupterwerb nicht mithalten kann. Investitionen und Betriebsplanung binden ihre finanziellen Möglichkeiten. Die Praxis der BVVG beweist dagegen wenig Augenmaß für das regional bzw. örtlich Machbare.

Wenn selbst Vertreter der Koalitionsparteien sich zu solchen Einschätzungen hinreißen lassen, wie „hier verletzt die Praxis teilweise das, was noch an Anstand und Würde zu vertreten ist“ oder es würde sich hier um eine „unanständige Praxis“ handeln, dann macht das wohl nachdrücklich genug die prekäre Situation deutlich!

Auch die Einbeziehung der Ergebnisse der Gutachterausschüsse in die Wertermittlung hat hier nicht wirklich einen Durchbruch gebracht.

Mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Grundstücksverkehrsgesetz gibt es zwar die Möglichkeit hier Einfluss zu nehmen.

Die bisherigen Erfahrungen besagen aber, dass wir uns hier eine höhere Verbindlichkeit auferlegen sollten, um z.B. auch konsequent gegen sittenwidrige Preise unverzüglich und mit eindeutigen rechtstaatlichen Mitteln vorgehen zu können.

Auch der Hinweis darauf, dass die BVVG entsprechend des Privatisierungskonzeptes vor Ausschreibung die zuständigen Landesbehörden beteiligt und bei Hinweis auf bestimmte sensible Faktoren auf eine Ausschreibung verzichten kann, reicht einfach nicht aus.

Es bleibt die letzte Entscheidung immer bei der BVVG.

Darum unsere Aufforderung, die Anwendung des Grundstücks- und Pachtverkehrsgesetzes zusätzlich mit einem landesrechtlichen Rahmen zu flankieren, den wir selbst bestimmen, um eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung zu verhindern.

Es geht uns also mit unserem Antrag darum,

  • über den Bund Einfluss auf die BVVG zu nehmen und
  • durch eigene rechtliche Rahmenbedingungen, die uns der Bund mit der Änderung bzw. Erweiterung  des Grundstücks- und Landpachtverkehrsgesetzes ermöglicht
    • mehr Verbindlichkeit bei der Anwendung des Grundstücks- und Landpachtverkehrsgesetzes durchzusetzen und
  • ggf. einen anderen, niedrigeren Schwellenwert für das Versagen der Genehmigung eines Grundstückskaufvertrages festzulegen.

Um dies alles noch besser auszustreiten, bitte ich um Überweisung unseres Antrages in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.