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Hans-Jörg Krause zu TOP 17: Keine Revision der Ergebnisse der Bodenreform zulassen

Worum geht es, wenn wir uns zu unserem Antrag verständigen? Es geht letztlich um 424.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, die sich per 30.09.2009 über alle neuen Bundesländer hinweg noch in Verwaltung der BVVG befanden. In Sachsen-Anhalt befanden sich davon zu o.g. Stichtag 79.000 ha. Es geht in unserem Bundesland um über 1.000 Pächter, die über 65.000 ha BVVG-Flächen gepachtet haben.

2008 wurden lt. BVVG-Bericht 1.686 EALG-Kaufanträge abschließend bearbeitet. Dabei handelt es sich hier um Berechtigte, die selbst Landwirtschaft betreiben, Wieder- oder Neueinrichter sind, die ortsansässig sind, über langfristige Pachtverträge verfügen usw.    

EALG heißt Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, nach diesem Gesetz können nach bestimmten Regeln und für einen bestimmten berechtigten Personenkreis in einer ebenfalls vorgegebenen Größenordnung begünstigte Flächenankäufe wahrgenommen werden.
Ich möchte an dieser Stelle nicht darauf eingehen, dass es sich um Regeln handelt, die nach wie vor Agrargenossenschaften benachteiligen. Das war immer ein großer Streitpunkt, über den schließlich die Mehrheiten im Bundestag befunden haben.

Für 2009 lagen noch 1.263 Anträge vor, die weitestgehend abgearbeitet worden sind. Zu bearbeiten sind aber noch 190 EALG-Anträge über 4.000 ha die von sogenannten Berechtigten gestellt wurden, die dem § 3, Abs.5 unterliegen, denen also „land- oder forstwirtschaftliches Vermögen entzogen worden ist und bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist oder denen solche Vermögenswerte durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind ...“. Diese können kaufen, wenn die Kaufmöglichkeiten von den vorangegangenen Berechtigtenkreis nicht ausgeschöpft wurden.

Genau hier mache ich mir meine Gedanken. Seitens dieses Personenkreises wird es mit Sicherheit unter neuen  und verbesserten  Bedingungen ohne Zweifel einen Ansturm auf die Flächen geben. Und wenn das Interesse der heutigen Pächter am begünstigten Erwerb landwirtschaftlicher Flächen deutlich hinter den Erwartungen zurück blieb und ca. 11.300 ha weniger verkauft  wurden als geplant, dann ist
dies aus unserer Sicht natürlich logisch, denn sie mussten zu Preisen kaufen, die, betriebswirtschaftlich gesehen, bis an die Schmerzgrenze angehoben worden sind.

Was folgte war ein Verkaufsstopp und Pachten waren nur noch kurzfristig möglich.
Kurzfristige deshalb, um nicht neue begünstigte Flächenankäufe zu ermöglichen.
Dies alles vor dem Hintergrund, dass bis Ende 2009  das Geschäft mit dem EALG-Paket abgeschlossen sein muss. Das heißt, ab 1.1. 2010 können Agrargenossenschaften oder Landwirte im Einzelbetrieb  nicht mehr zu begünstigten Konditionen kaufen. Daraus folgt, dass der so aufgesparte Boden allein den Alteigentümern vorbehalten bleibt. Die dürfen noch über den 1.1. 2010 hinaus begünstigt kaufen. Und damit sie sich dabei auch wirklich schadlos halten, soll ihnen mit der vorgesehenen Änderung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes ermöglicht werden, zu einem Preis zu kaufen, der zum Stichtag 1.1.2004 galt. Damit wäre der begünstigte Flächenerwerb für die Alteigentümer unabhängig jeglicher Preisentwicklung gesichert.
Das ist die Absicht, die sich hinter der Ankündigung des Koalitionsvertrages verbirgt, sich nämlich für „Verbesserungen beim Flächenerwerbsänderungsgesetz im Sinne der Alteigentümer“ einzusetzen und „Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb“ anbieten zu wollen.
Auch wenn tausendfach von allen Parteien  beteuert wurde und heute noch beteuert wird, dass die Bodenreform nicht angetastet werden darf, so läuft eine solche Politik unweigerlich doch darauf hinaus. Erinnert sei daran, dass es in der Volkskammer zur Zeit der de Maiziére- Regierung einen für die damaligen Verhältnisse einmaligen breiten Konsens über alle Parteien gab, so wörtlich: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen.“

Das hat auch die Regierung Kohl akzeptiert und damit fand dieser Grundsatz seinen Platz in der „Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen“ (vom 15.Juni 1990) und wurde als Anlage zum Bestandteil des Einigungsvertrages. In allen Fraktionen im Bundestag gab es dazu eine breite Zustimmung.
 
Auffällig war hier vor allem die FDP. Während es bei der CDU/CSU-Fraktion vor 20 Jahren lediglich eine Minderheit war, die dem Einigungsvertrag  nur mit der Forderung zustimmte, dass sich ein künftiges gesamtdeutsches Parlament erneut mit der Bodenreform befassen müsse, haben sich  32 Bundestagsabgeordnete der FDP (von 46!) unmissverständlich für das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung stark gemacht und so nach einem jahrelangen politischen Tauziehen um das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (von 1994) diesem ihren Stempel aufgedrückt und damit den Einigungsprozess bis heute schwer belastet.  
Dann, zwischen 1996 und 98, gab es verbriefte Wortmeldung aus höchsten Regierungskreisen, die meinten, dass unter einem FDP-Justizminister (damals Edzard Schmidt-Jortzig) die Interessen der Alteigentümer gut aufgehoben seien.

Mit einem gewissen historischen Abstand zu diesen damaligen Ereignissen muss ich einfach einschätzen, dass bei allem was ich mit der Abwicklung der Bodenreform und den Sozialdemokraten erlebt habe, die SPD hat sich für eine solche Schweinerei, wie sie jetzt vorbereitet wird, nicht hergegeben.  Selbst die CDU hat sich hier schwer getan,  so offensichtlich geringschätzig mit dem damaligen Bekenntnis zu Bodenreform umzugehen. Das mag sicher daran liegen, weil sich bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, ein relativ großer Anteil ehemaliger DBD-Mitglieder wieder gefunden hat.

Ich  bin erschrocken, wie unbekümmert und zielstrebig die Bundes- FDP, kaum ist sie erneut an der Macht, ihren alten Faden wieder aufgenommen hat und Lobbyarbeit für die Alteigentümer betreibt und dafür sorgt, dass die über die Bodenreform Enteigneten für einen „Appel und’n  Ei“ ihre Flächen zurückkaufen können. Die Akteure der Bundespartei unterstellen, dass die angestiegenen Bodenpreise ausgeglichen werden müssten, damit der laut EALG mögliche Erwerbsumfang von den Alteigentümern auch in Anspruch genommen werden könne. Der Erwerbsumfang wird doch von der aktuellen Rechtslage überhaupt nicht in Frage gestellt.  Lediglich der Erwerb wird teurer.

Wer schützt die bedürftigen Menschen und Familien, wenn soziale Leistungen, Bildung und Kultur teurer werden? Da heißt es dann, die LINKEN wollen immer nur verteilen. Während Sie für Ihr Klientel angestiegene Bodenpreise ausgleichen wollen, fallen Agrarunternehmen und ortsansässige Wiedereinrichter hinten ’runter.

Außerdem läuft eine solche Politik darauf hinaus, dass massenhaft Kapital vom ländlichen Raum und von der hiesigen Landwirtschaft abfließt, während andererseits Flächenerwerb für bestimmte Leute subventioniert werden soll. Ausgerechnet die FDP und Subventionen. Das ist doch sonst nicht Ihr Stil, als Gralshüterin der freien Marktwirtschaft.

Bei aller Kritik, die wir auch am jetzt gültigen Verfahren haben, bisher gilt wenigsten noch das Prinzip eines einheitlichen Preises für Pächter  und erwerbsberechtigte Alteigentümer, aber was sie jetzt auf den Weg bringen wollen, ist pure Klientelpolitik.
Die ist außerdem ungerecht, weil Betrug an diejenigen begangen wird, die in der Vergangenheit zu den gestiegenen Preisen kaufen mussten, weil ihnen sonst der Boden unter dem Pflug weggekauft worden wäre, jetzt aber nicht mehr teilhaben können.

Soviel zur wirtschaftlichen  Komponente unseres Antrages.

Zur politischen sei noch gesagt: Sie sind auf dem besten Wege, die im Einigungsvertrag festgeschriebene und international anerkannte Bodereform ernsthaft in Frage zu stellen und ihre Ergebnisse zu revidieren und die alten Eigentumsstrukturen zu restaurieren. Und das ganz Schlimme ist, dass langsam vergessen wird, dass von der Bodenreform nicht nur Eigentümer über 100 ha betroffen waren (wozu es ja durchaus berechtigten Diskussionsbedarf gab), sondern zum größten Teil waren es immer noch aktive Nazis und Kriegsverbrecher, die enteignet worden sind.  Daran möchte ich auch aus aktuellem Anlas) dringlichst erinnern.

Erinnern möchte ich auch daran, dass es vor allem Flüchtlinge und Übersiedler waren, die damals den Boden erhielten und dass  über 70.000 Bodenreformlandbesitzer und deren Erben ab 1992 mit Brachialgewalt entschädigungslos enteignet worden sind. Für diese Menschen waren sie nicht bereit etwaige Gesetze oder Verordnungen zu ändern. Im Gegenteil, sie haben sozialistische Verordnungen reinsten Wassers (wie die Besitzwechselverordnung) wieder aktiviert, um den so Betroffenen unter völlig anderen Voraussetzungen den Boden entziehen zu können.  

Wenn das was jetzt in der Koalitionsvereinbarung steht wirklich umgesetzt wird, ist das nicht nur die unverblümte Revision der Ergebnisse der Bodenreform, sondern eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber diesen Menschen, den ehemaligen Besitzern von Bodenreformland und ihren Erben. Es zeigt zugleich, dass wir seinerzeit auch im Interesse dieser Menschen hätten handeln können, wenn wir – oder besser Sie -  nur wollten  und wären dabei nicht in einen Widerspruch zum Einigungsvertrag geraten, wie es ganz offensichtlich jetzt der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund möchten wir die Regierung veranlassen auf Bundesebene aktiv zu werden, um eine Revision der Ergebnisse der Bodenreform zu verhindern.