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Hans-Jörg Krause zu TOP 10: Bundesratsinitiative zur wirtschaftlichen Entlastung und nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft

Kein Tag verging in den letzten Wochen und Monaten, an dem wir durch die Medien nicht neue Hiobsbotschaften infolge der Finanzkrise erfuhren. Die Politik nimmt und nahm sich in die Pflicht, darauf zu reagieren. Dem Konjunkturpaket I folgte das Konjunkturpaket II und für die Verschrottungsprämie gab es Nachschlag.

Der Staat, besser gesagt die Politik, versucht noch zu retten, was zu retten ist. Das, was wir heute in vielen Banken und Konzernen vorfinden, ist hausgemacht.

Das ist das Ergebnis einer Politik, die Globalisierung mit grenzenloser Marktliberalisierung gleichsetzte, eine Politik, die den international agierenden Finanz- und Kapitalmärkten hinterherlief und dabei die notwendige Stärkung regionaler Märkte und der Binnennachfrage immer mehr aus den Augen verlor. Jetzt werden mit gigantischen Mitteln gigantische Löcher gestopft.

Immer mehr Stimmen meinen, dass diese Politik konzeptionslos und wenig nachhaltig ist.

Mittelstand, Handwerk und Gewerbe beklagen mit Recht, dass ihre Unternehmen, in denen die meisten Arbeitsplätze ’zu Hause’ sind, von der Politik kaum Berücksichtigung finden. Und wenn ich von Mittelstand, Handwerk und Gewerbe spreche, dann ordne ich irgendwie auch die Landwirtschaft hier ein.

Die Beschäftigung und Selbstbeschäftigung der Politik und der Medien mit den globalen Folgen der Finanzkrise haben letztlich eine ernsthafte Hinwendung zu den Problemen, mit denen sich die Landwirte immer noch herumschlagen, nicht zugelassen. Die Kostenentwicklung in der Landwirtschaft im Allgemeinen und Probleme der Milchbauern im Besonderen schreien geradezu nach einer Lösung.

Vor 12 Monaten erhielten die Milchbauern noch 28  Cent für den Liter, heute sind es nur noch  20 – 22 Cent. In der Zwischenzeit wissen wir alle, dass ein Preis von 35 bis 40 Cent notwendig ist, um auskömmlich und nachhaltig wirtschaften zu können.

Wenn Ministerin Wernicke auf der Verbandstagung des Landesbauernverbandes davon sprach, dass angesichts des rapiden Preisverfalls für Milchprodukte der Milchsektor unter einem enormen wirtschaftlichen Druck stehe, dann ist dies gelinde gesagt noch geschmeichelt.

Und allein über den Einsatz der von ihnen angekündigten zusätzlichen Fördermittel zur Entwicklung einer naturnahen extensiven Grünlandbewirtschaftung ist die notwendige Stabilisierung des Milchsektors nicht möglich.

Die 700 Milchproduktionsbetriebe erwarten von der Politik Antworten, um heute und in der Zukunft sicher Milch produzieren zu können. Ein erster Schritt ist die Ankündigung, dass die Milchgespräche wieder aufgenommen werden, um gemeinsam - Ministerium, Verbände und Molkereien - über die Probleme zu sprechen und Lösungen zu suchen, um den enormen wirtschaftlichen Druck in der Milchwirtschaft abzufedern.

Allein im Amtsbereich des ALFF Altmark haben nun schon über 20 Betriebe dem Preisverfall nicht mehr standhalten können. Sie mussten die Milchproduktion aufgeben oder stehen kurz davor, weil sie die fehlenden Einnahmen nicht mehr im Betrieb durch andere Bereiche kompensieren konnten bzw. können. Einige haben ihren Betrieb ganz aufgeben müssen. Die Milchbauern sprechen davon, dass sie regelrecht seit Wochen monatlich je nach Größe des Betriebes zwischen 10 000 bis 45 000 € in den Kuhstall karren. Die Motivation der überwiegenden Zahl der Milchbauern ist in einem noch nie da gewesenem Tief. Erst kürzlich haben wir uns als Fraktion beim Besuch von landwirtschaftlichen Unternehmen im Altmarkkreis davon überzeugen können. Es sollte uns mehr als zum Nachdenken bewegen, wenn der Geschäftsführer einer Agrargenossenschaft feststellt, dass er in den zurückliegenden 29 Jahren seiner Tätigkeit, von der LPG bis heute, so etwas noch nicht erlebt hat, dass heute die Schiete aus dem Stall mehr Wert ist als die ermolkene Milch.

Die Ursache für den rapiden Preisverfall liege, so ist überall zu hören, wieder einmal in der angespannten Marktlage. Es werde zuviel Milch produziert.

Was soll aber dann die Erhöhung der Milchquote?

Selbst Ministerin Aigner spricht von Marktbereinigung. Diesem und ähnlichen Argumenten bedienen sich die Politik und die Milchwirtschaft Jahr für Jahr, um sinkende Milchpreise zu rechtfertigen. Ein Blick in den Landwirtschaftsbericht der Landesregierung zeigt aber, dass in den letzten Jahren die Milchquote im Land nicht überzogen wurde. Periodische Überlieferungen wurden im Jahresdurchschnitt durch Untererfüllung ausgeglichen. Marktwirtschaftlich gesehen, müssten eigentlich Phasen sinkender Milchpreise durch wiederkehrende steigende Preise ausgeglichen werden. Wer hier noch von Marktwirtschaft und Wettbewerb spricht, nimmt nicht wahr oder will nicht wahrnehmen, was hier wirklich abläuft.

Die zurückliegenden Monate und Jahre haben zu deutlich gezeigt, dass jede weltwirtschaftliche Nervosität genutzt wird, um Preissenkungen zu rechtfertigen. Wer sich ein klein wenig in der Biologie und Reproduktion der Milchviehhaltung auskennt, wird mir zustimmen, dass solche Schwankungen im Milchaufkommen, wie sie uns die international agierenden Handelsketten weismachen wollen, nicht nachvollzogen werden können. Darum auch unsere Forderung nach einer Milchpreisbörse, um die Milchmarktpreisgestaltung nachvollziehbar und auch durchschaubar zu gestalten.

Wenn Anfang des Jahres 2008 der leicht ansteigende Milchpreis mit wachsender Nachfrage in Asien, insbesondere in China begründet wurde, wurde ein Monat später von Überproduktion gesprochen, um die erneut sinkenden Preise zu rechtfertigen. Diese Widersprüchlichkeit und auch die Tatsache, dass einige süddeutsche Länder stärker dazu beigetragen haben, dass saisonal die Milch überliefert wird und dennoch einen bis zu 6 Cent höheren Milchpreis erzielen, wirft Fragen auf. Mit dem jetzigen Preisrutsch sind wir auf einem historischen Tiefstand seit den 40er und 50er Jahren angekommen. Mit einem Butterpreis von 59 Cent haben wir den niedrigsten Preis seit der Währungsreform von 1948 erreicht.

An dieser Stelle wäre auch auf die jüngsten Eskapaden von Aldi, Norma und Co. einzugehen. Was die Norma-Sprecherin als „Einkaufsvorteile“ bezeichnet, und wenn der eine Handelskonzern der Preissenkungswelle des anderen nachzieht, ist eine himmelschreiende Missachtung der Leistungen der Landwirte und des Wertes von Lebensmitteln.  Die Vollmilch von heute auf morgen von 55 auf 48 Cent herunterzusetzen, kann nur Empörung und wütende Kritik hervorrufen. Ich sage, hier werden so genannte  Einkaufsvorteile aufgrund einer Monopolstellung schlichtweg erpresst. Handelsketten und führende Konzerne der Milchindustrie machen gemeinsame Sache und  degradieren die Bauern zu Restgeldempfänger. Das ist sittenwidrig! Hier ist Politik gefragt und Mut, neue Wege zu gehen.

Bei den Banken geht es den Regierenden heute um Enteignungen und staatliche Beteiligung und das kostet dem Steuerzahler Milliarden. Warum immer erst aktiv werden, wenn das Kind im Brunnen liegt? Oder wollen wir sehenden Auges zulassen, wie die heimische Landwirtschaft, der ländliche Raum und unsere Kulturlandschaft ruiniert werden?
Es könnte auch noch schlimmer kommen: Wenn erst die Ernährungswirtschaft durch grenzenlose Liberalisierung in eine solche Krise gerät, wie wir sie  heute in anderen Branchen erleben und dann die Ernährungssicherheit nicht mehr gegeben ist, werden mit Sicherheit nicht nur die Bauern auf die Straße gehen.

Aber soweit wollen wir es ja nicht kommen lassen. Das setzt aber voraus, dass wir für die Landwirtschaft solche nachhaltigen Bedingungen schaffen, unter denen nicht nur die heutige Generation von Landwirten, sondern auch noch deren Enkel bereit sind, sich auf den Traktor oder unter die Kuh zu setzen.

Eine Agrarpolitik, die mit ständigen Halbzeitbewertungen und Gesundheitsschecks in laufende Planungszeiträume eingreift sowie Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Unternehmensbilanzen auf den Kopf stellt und von daher nicht berechenbar ist, ist einem solchen Ziel wenig dienlich.

Was die Landwirtschaft braucht, sind - neben einer leistungsgerechten Preissituation - Rahmenbedingungen, die frei von Wettbewerbsverzerrungen sind. Es kann z. B. nicht hingenommen werden, dass in Deutschland die begünstigte Agrardieselbesteuerung aufgehoben wurde, während in den europäischen Nachbarländern mit deutlich unter 10 Cent pro Liter besteuert wird. Die Möglichkeit einen Verbrauch bis zu 10.000 Liter mit einem Steuersatz von 29 Cent abrechnen zu können ist einfach Peanuts. Damit hat Deutschland nach wie vor mit über 40 Cent den höchsten Steuersatz in Europa. Letztlich ergibt sich daraus ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen europäischen Landwirten von etwa 40 bis 50 € pro Hektar. Eine Harmonisierung innerhalb der EU ist längst überfällig.

Was die Dieselbesteuerung insgesamt angeht, muss es darum gehen, zu der Regelung von vor vier Jahren zurückzufinden. Für die Aussetzung der Steuererhöhung für Biodiesel und Pflanzenölkraftstoffe sehen wir nicht nur Handlungsbedarf, sondern kurzfristig auch Handlungsmöglichkeiten.

Wie Sie sich sicher erinnern, war ja die ganze Dieselbesteuerung des Ergebnis eines Kuhhandels zwischen den ostdeutschen Ministerpräsidenten und dem Bundesfinanzminister. Es wurde uns damals – vor 4 Jahren – im Gegenzug eine vermeintlich bessere BVVG-Bodenpolitik in Aussicht gestellt. Was daraus geworden ist, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter kommentieren. 

Kurzum, ich bitte Sie, in der Frage der Agrardieselbesteuerung einfach Verständnis dafür aufzubringen und letztlich zu akzeptieren, dass die Landwirtschaft kein Verkehrs- bzw. Transportunternehmen ist, sofern sie den regionalen Bezugspunkt nicht verloren hat.

Auch die Agrarminister haben sich vor sechs Wochen in Magdeburg unter Leitung von Ministerin Wernicke dahingehend ausgesprochen. Insofern soll unser Antrag den Meinungsbildungsprozess insbesondere zur Einbringung einer Bundesratsinitiativen durch die beteiligten Länder flankieren und beschleunigen.

Unter diesem Gesichtspunkt noch ein Wort zu dem kurzfristig eingebrachten Änderungsantrag von CDU und SPD.

Natürlich kennen auch wir den Standpunkt der Regierung und insbesondere auch der Ministerin Wernicke zu dieser Problematik. Wir wollen mit unserem Antrag nichts ignorieren oder in Abrede stellen. Die Frage ist doch aber, sollen wir als Parlament dabei stehen bleiben, um lediglich Beifall zu klatschen?

Warum wollen wir der Ministerin bzw. der Regierung nicht auch in der Hinsicht den Rücken stärken, wenn es darum geht, sich gegenüber der Bundesregierung und im Bundesrat zu behaupten und meinetwegen auch gegenüber Brüssel. Auf der  Agrarministerkonferenz hier in Magdeburg ist ohnehin darüber nachgedacht worden, dies gegebenenfalls tun zu wollen. Warum also diese Zurückhaltung?

Mit Ihrem Änderungsantrag nehmen Sie sozusagen das Salz aus der Suppe. Damit will ich nicht sagen, dass es verkehrt ist, sich im Ausschuss informieren zu lassen, sich mit diesem Thema zu befassen – nur wir sollten nicht dabei stehen bleiben.

So verstehe ich auch die Worte des Präsidenten des Landesbauernverbandes Frank Zedler, der auf der letzten Verbandstagung bemerkte: “ Jetzt muss gehandelt werden!“