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Hans-Joachim Mewes zu TOP 22: Berichterstattung zum Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR)

Der Europäische Qualifikationsrahmen bzw. der daraus abgeleitete deutsche Qualifikationsrahmen ist ein kompliziertes Thema. Für all diejenigen, die uns den gesamten Vormittag über auf der Tribüne begleitet haben, wird es wichtig werden. Es könnte aber auch für jeden Einzelnen hier im Parlament wichtig werden. Wer von Ihnen hat sich schon einmal die Frage gestellt: Was ist eigentlich mein Berufsabschluss, mein akademischer Grad in Frankreich, England oder Italien wert? Was kann ich damit anfangen?

Bekanntlich gehören 27 Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union. Damit hat die Europäische Union auch 27 voneinander abgeschottete Bildungssysteme. Ein vereintes, friedliches, demokratisches und gerechtes Europa muss ein Ziel haben, und zwar das Ziel, dass sich auch die Bildungssysteme einander annähern.

Was jemand kann ist wichtig. Es ist aber auch wichtig, wo er es gelernt hat. Deshalb trat am 23. April 2008 die Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates zur Einrichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen, abgekürzt EQR, in Kraft. Diese Empfehlung legt den Mitgliedsstaaten nahe,

  • erstens den EQR als Referenzinstrument zum Vergleich der Qualifikationssysteme zu verwenden,
  • zweites ihre nationalen Qualifikationssysteme bis 2010 an den EQR zu koppeln und
  • drittens im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung nationale Qualifikationsrahmen zu erarbeiten.

Das heißt, die Kriterien des Europäischen Qualifikationsrahmens werden auf die nationalen Qualifikationsrahmen der Mitgliedsstaaten der EU heruntergebrochen.
Der nationale Qualifikationsrahmen für Deutschland ist der DQR. Die Definition desselben erspare mir jetzt. Ich wollte sie ursprünglich vortragen, aber Herr Kley hat die Position dazu im Wesentlichen genannt. Das ist jedoch die Theorie.

Wie will man die individuelle Lern- und Berufsbiografie eines Menschen abbilden? Wie kann man Zuverlässigkeit, Ausdauer, Aufmerksamkeit, Toleranz und demokratisches Verhalten messen? Um diese Fragen beantworten zu können, unterscheidet der DQR zwischen Fachkompetenzen und persönlichen Kompetenzen: Wie wenden Menschen ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie ihre persönlichen, sozialen und methodischen Fähigkeiten im Arbeitsprozess an?

Ich habe dazu ein Beispiel herausgesucht. Die acht Kompetenzstufen wurden schon einmal definiert. Hierzu hat man sich in der Handwerkskammer Düsseldorf zum Beruf des Kfz-Technikers Gedanken gemacht und geprüft, wie man das Ganze einstuft: Die Stufe 1 wäre das gelenkte Praktikum, die Stufe 2 wäre der Kfz-Serviceassistent, die Stufe 3 wäre der Kfz-Mechaniker, die Stufe 4 wäre der Kfz-Mechatroniker, die Stufe 5 wäre der geprüfte Automobilservicemechaniker, die Stufe 6 wäre der Kfz-Meister, die Stufe 7 wäre der Diplomingenieur für Fahrzeugtechnik und die Stufe 8 wäre Dr.-Ingenieur für Fahrzeugtechnik.

Das ist ein Beispiel, das nach meiner Meinung nach hinkt, weil hier nur die Lernergebnisse in den Berufsgruppen festgestellt worden sind. Die Fertigkeiten, wie Beurteilungsfähigkeit, die Kommunikation und die Selbständigkeit, die im Arbeitsprozess von gleicher Bedeutung sind, erkennt man nicht. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Allgemeinbildung, die Berufsbildung und die universitäre Bildung nicht auf ihren Nützlichkeitsaspekt reduziert werden dürfen. Bildung hat für uns immer auch einen eigenen Wert. Humanisierung, Demokratisierung und Partizipation müssen das Leitziel der Bildung bleiben. Das habe ich auch gestern von den Studenten auf dem Domplatz gehört.

Der DQR ist deshalb auch daran auszurichten, allen Jugendlichen und Erwachsenen im Prozess des lebenslangen Lernens den Erwerb anerkannter, hochwertiger und anschlussfähiger Kompetenzen zu ermöglichen. Wir halten dabei an der Beruflichkeit fest, die an die Persönlichkeitsentwicklung und die soziale Verantwortung gekoppelt sein muss. Es ist richtig, dass Transparenz, Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit die anerkannten Ziele des Deutschen Qualifikationsrahmens sind.

Länder wie Irland und Schottland haben sich viel Zeit für ihren nationalen Qualifikationsrahmen genommen, Deutschland hat lange die Augen vor der Europäischen Bildungsdebatte verschlossen. Der Zeitplan der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sieht vor, dass der DQR bis zum Frühjahr 2010 zu testen ist, dann soll er überarbeitet und verabschiedet werden. Ab 2012 sollen die Kriterien zur Anwendung kommen. Die Landesregierung braucht nichts weiter zu tun, als die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission abzuwarten, um sie dann in die Ausschüsse bzw. in das Parlament zu tragen.

DIE LINKE ist an den Ergebnissen der Bund-Länder-Koordinierungsgruppe und des Arbeitskreises „Deutscher Qualifikationsrahmen“ interessiert. Das ist eine große Baustelle, aber die Akteure vor Ort, die das Ganze 2012 umzusetzen haben, müssen nach meinem Verständnis auch rechtzeitig informiert werden. Wir wollen uns an diesem Reformprozess beteiligen. Deshalb unterstützen wir das Anliegen, dieses Thema verstärkt in die Öffentlichkeit zu bringen und stimmen dem Antrag der FDP zu.