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Guido Henke zu TOP 28: Weiterer Erfolg des Stadtumbau Ost erfordert Altschuldenentlastung

Das Altschuldenhilfegesetz trat im Jahr 1993 in Kraft und wurde im Jahr 2001 geändert. Es entlastete die ostdeutschen Wohnungsunternehmen teilweise von den ihnen zwangsauferlegten Kreditlasten aus DDR-Zeiten.  
An dieser Stelle lohnt bereits ein Blick in die Koalitionsverträge. Zuerst ein Blick in den Koalitionsvertrag unserer Landesregierung. Darin ist vermerkt: „Langfristig sollen die Altschulden für alle dauerhaft leer stehenden und abzureißenden Wohnungen erlassen werden.“

Auch im aktuellen Koalitionsvertrag auf der Bundesebene ist formuliert: „Der Erfolg des Programms Stadtumbau Ost soll nicht durch ungelöste Altschuldenprobleme einzelner Wohnungsunternehmen beim Abriss von Wohnungsleerstand gefährdet werden.“  

Auf dem Papier sind sich also alle einig. Ich frage daher: Was unternahm unsere Landesregierung zur Umsetzung des zitierten Koalitionsvorhabens und warum tat sie dies?  

Nachdenklich stimmt ein Blick über die Landesgrenze, zugegebenermaßen in ein anderes Bundesland, aber mit den gleichen Koalitionsparteien wie hier. In Thüringen wird heute über einen auffallend anders formulierten Antrag der CDU-SPD-Regierungskoalition beraten. Deshalb möchte ich Ihr Interesse auf diesen, einen die bundespolitische Zuständigkeit betreffenden Antrag lenken. Dort fordern die Regierungsfraktionen erst einmal einen Bericht, als hätte es zum Beispiel die Evaluierung des Bund-Länder-Programms sowie die Stellungnahme und die Empfehlungen der Lenkungsgruppe nie gegeben. Obwohl die Zahlen längst vorliegen, wird dort der Bundesebene gefolgt. Die Bundesregierung lobte ein Gutachten zur Wirkungsanalyse der Altschulden aus, das frühestens im Herbst 2010 erstellt sein wird. Es ist davon auszugehen, dass die thüringischen Koalitionäre über mehr Regierungsinsiderwissen verfügen als die Fraktion DIE LINKE in der Opposition.

Auch wird deutlich, dass mit einer Klärung der Altschuldenproblematik auf der Bundesebene in diesem Jahr und wahrscheinlich auch im Jahr 2011 noch nicht zu rechnen ist, auch deshalb, weil fälschlicherweise immer behauptet wird, dass mit der Verlängerung der Abruffrist bis zum Jahr 2013 alles geklärt sein würde. Hierbei wird aber verkannt, dass dabei nur Unternehmen gemäß § 6a AHG erfasst sind, die bis 2003 den Antrag stellten. Wieso eigentlich nur jene?  

Die Lage wurde seitdem nicht besser. Dieser willkürlich festgelegte Stichtag benachteiligt viele andere Wohnungsunternehmen. Der Stichtag muss aus dem AHG gestrichen werden.  

Auf Leipziger Tagung am 23. Februar 2010 wurde durch Rainer Bomba, Staatssekretär im BMVBS, der Eindruck vermittelt, „mit einer Altschuldenregelung sei noch in diesem Jahr zu rechnen“. Aber welchen Inhalts diese Regelung sein würde, das ließ er in diesem ohnehin herrlich mehrdeutigen Satz unvollendet. Nachrichten wie die aus Thüringen lassen jedoch Gegenteiliges befürchten.

Bei der Antragseinreichung war noch nicht bekannt, was sich in dieser Woche zutragen würde. Der Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer hat dem Bauausschuss des Bundestages eine Information gegeben, die die Brisanz des heute vorliegenden Antrages unerwartet erhöht.  

Nach seinen Angaben sollen die Städtebaufördermittel und die Mittel für die KfW-Förderprogramme „Energieeffizient Bauen“ und „Energieeffizient Sanieren“ drastisch, um die Hälfte, reduziert werden. Das Ganze soll im kommenden Jahr umzusetzen sein. Heißt das, dass es auch zu einer Streichung der Streichungspläne für Altschulden kommt? Der brandenburgische Bauminister Vogelsänger befürchtet jetzt die Halbierung der Mittel und die Schwächung der Wohnungswirtschaft in seinem Land. Unser Bauminister Dr. Daehre hat heute Vormittag angekündigt, dass er uns zu diesem Sachverhalt auf den neuesten Stand bringen wird.

Was droht? Was geschieht, wenn in dieser Wahlperiode, wie zu befürchten, nichts geschieht oder wenn - im Gegenteil - gar eine Kürzung der bisherigen Altschuldenentlastung bevorsteht?

Die Verbände der Wohnungswirtschaft berichten, dass infolge der Finanzkrise viele internationale Banken die Erfahrungen aus dem US-Geschäft auf den deutschen Immobilienmarkt übertragen. Die Banken bezweifeln die Kreditwürdigkeit vieler ostdeutscher Wohnungsunternehmen, weil diese häufig verschuldet seien und einen hohen Wohnungsleerstand aufwiesen. Deswegen würden manche Kreditinstitute keine Kredite mehr gewähren.  
Die Banken berücksichtigen nicht, dass es bisher kaum Insolvenzen von Wohnungsgesellschaften gegeben hat, dass kaum Mietschulden bestehen und dass die Wohnungsunternehmen nach deutschen Verhältnissen stabil sind.  
Fazit: Internationale Banken wollen die hiesigen Verhältnisse nicht anerkennen und wollen auf diese Weise dem Markt ihre Bedingungen aufzwingen. Altschulden erleichtern dieses perfide Vorhaben, weil sie die Bonität der Wohnungsunternehmen und somit deren Marktstellung schwächen.

Ein ähnlicher wie der heute hier zu beratende Antrag ist von der Bundestagsfraktion DIE LINKE am 23. März 2010 eingebracht worden. Außerdem gibt es einen ähnlichen Antrag vom gleichen Tage von der SPD-Fraktion. Der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat im Mai 2010 über diese Anträge beraten. Dort sagte Lutz Freitag, der streitbare Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.: „Alle Wohnungsunternehmen müssen unabhängig von ihrer Leerstandsquote von den Altschulden entlastet werden.“
Daher müsse die Politik die erforderlichen Haushaltsmittel für die Altschuldenentlastung der von 2010 bis 2016 abzureißenden Wohnungen bereitstellen.

Nicht nur er wählte kräftige Worte. Die wohnungswirtschaftlichen Verbände Sachsen-Anhalts formulierten im Mai 2010 als Mindestforderung an die Politik: „… eine gesetzliche Regelung zur Altschuldenhilfeentlastung für jede abgerissene Wohnung als notwendige Rahmenbedingung für den Erfolg des Stadtumbaus in den neuen Ländern noch im Jahr 2010.“
Nur so könnten die Wohnungsunternehmen den Stadtumbau auch künftig gestalten; denn zusätzlich zu den in den vergangenen zehn Jahren abgerissenen 65 000 Wohnungen sollen bis 2013 noch weitere fast 9 000 Wohnungen rückgebaut werden. „Jedes fünfte Wohnungsunternehmen geht von einer Verschlechterung der Geschäftslage innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre aus. Maßgebliche Gründe hierfür sind die demografische Entwicklung, die Situation der öffentlichen Haushalte und die bislang ungelöste Altschuldenfrage bei Abriss.“

Wenn die erwähnten Kürzungspläne des Bundes umgesetzt werden, droht uns ein riesiger Dominoeffekt, und zwar beginnend mit der Halbierung der Bundesmittel für den Stadtumbau. Dies führt dazu, dass die Kofinanzierungsmittel auf Landes- und kommunaler Ebene ebenfalls halbiert werden können oder müssen. Und was wird das? - Das wird eine Haushaltskonsolidierung der ganz hinterlistigen Art. Davor haben viele seit Langem gewarnt. Diese Haushaltskonsolidierung geht zulasten unserer Städte, der Wohnungswirtschaft, der Bauwirtschaft, der Mieterinnen und Mieter sowie der Beschäftigten des Baugewerbes.  

Wie es um die öffentlichen Haushalte, insbesondere auf kommunaler Ebene, bestellt ist, bedarf keiner gesonderten Erwähnung. Die wohnungswirtschaftlichen Verbände fordern nicht von ungefähr „eine verlässliche Finanzausstattung der Städte- und Wohnungsbauförderung in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen“.

Das heißt, nach belastenden Altschulden und der unzureichenden kommunalen Finanzausstattung sind die Kosten der Unterkunft als drittes Problem für die Liquidität der Wohnungsunternehmen und damit als Voraussetzung für den weiteren Erfolg des Stadtumbaus Ost zu nennen.

Hierzu die Fachverbände: „Die Herabsetzung von Angemessenheitskriterien muss verhindert und auch künftig den von Arbeitslosigkeit Betroffenen der Zugang zu modernem Wohnraum ermöglicht werden.“
Weiter hinten heißt es: „Die Verbände lehnen Pauschalisierungen bei den KdU ab.“

Bereits im März 2010 ist die Bundesagentur für Arbeit mit dem Vorschlag auf heftigen Widerspruch gestoßen, eine Wohnkostenpauschale einzuführen, um „Leistungsbezieher zu einem preisbewussten Verhalten zu veranlassen“.  
DIE LINKE lehnt einen solchen Vorschlag ab. Eine solche Pauschalierung wäre ein Einfallstor für Kürzungen des Regelsatzes unter das gesellschaftliche Existenzminimum.  
Niemand kann ernsthaft annehmen, diese Pauschalen wären dann höher als die heutigen Sätze. In vielen Städten fehlen Wohnungen mit niedriger Grundmiete oder die Wohnungen befinden sich in einem schlechten energetischen Zustand, sodass hohe Heizkosten anfallen. Die Verdrängung von Mietern aus teuren, weil guten Wohnlagen wäre die Folge. Neue soziale Brennpunkte entstünden mit der Konzentration von immer mehr Menschen mit geringem Einkommen in bestimmten Wohnquartieren. Die dort bereits vorhandenen sozialen Probleme werden eskalieren und allein mit einem Förderprogramm „Soziale Stadt“ niemals gelöst.  
Die Mittel für das Förderprogramm „Soziale Stadt“ sind im laufenden Bundeshaushalt bereits um 20 % gekürzt worden. Also, Frankreichs Banlieues lassen grüßen.

Die Krise darf nicht als Alibi für Streichorgien herhalten. DIE LINKE fordert von der Bundes- und von dieser Landesregierung eine Garantie dafür, dass die binnen Wochenfrist zur Rettung des Euro - genauer gesagt: der Banken, Fonds und Versicherungsgesellschaften - bereitgestellten Milliarden nicht durch Kürzungen bei den Sozialhausgaben finanziert werden dürfen.
Das Ergebnis der Sparklausur von Schwarz-Gelb vor eineinhalb Wochen offenbarte: Die Streichung des Heizkostenzuschusses beim Wohngeld für Geringverdiener kann man nur zynisch nennen und die mit der Wohngeldreform überfälligen Verbesserungen infrage stellen. Die Kosten für Heizung und Warmwasser müssen Bestandteil der Miete und somit beim Wohngeld anerkannt bleiben.

Auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag erwiderte in dieser Woche Jan Mücke - den wird hier niemand kennen, auch ein Staatssekretär im BMVBS, dass mindestens 3,6 % aller ostdeutschen Haushalte Wohngeld beziehen, das wären in Sachsen-Anhalt nach dieser Rechnung 43 000 Haushalte mit 85 000 betroffenen Mietern im Jahr 2009. Das ist fast eine Verdoppelung der Zahlen des Jahres 2008. Hoffen wir, dass es nicht ganz so ist.  

Die Heiz- und Nebenkosten werden immer mehr zu einem Armutsrisiko und bringen Einkommensschwache in Bedrängnis. Angesichts dessen ist die Begründung für die Streichung, nämlich dass sich die Situation „erfreulicherweise entspannt“ habe, eine Provokation, durch die Thilo Sarrazins Skandalempfehlung, statt eine beheizte Wohnung zu fordern, doch einen dickeren Pullover anzuziehen, Wirklichkeit zu werden droht.

Infolge der rückläufigen Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung vergrößert sich die Deckungslücke bei den Landkreisen in Sachsen-Anhalt. Selbst bei Ausgaben, deren Höhe mit der des Vorjahres vergleichbar ist, wird die Deckungslücke nach neuesten Angaben des Landkreistages im laufenden Jahr 2010 fast 40 % betragen, das entspricht 150 Millionen €. Dabei handelt es sich um eine im doppelten Wortsinn erzwungene Lücke. Niemand wird frieren wollen, und bevor es zu Unruhen kommt, werden die Landkreise diese angebliche Einsparung des Bundes selbst stemmen müssen. Die Bundesregierung verlagert die Kosten wieder einmal nach unten.

Aber gerade in Krisenzeiten, in denen fast jeder zweite ostdeutsche Arbeitsplatz prekär ist, darf nicht auch noch die Wohnung unsicher werden. Darum haben wir schon mehrfach gewarnt: Es darf keine irreparable Reduzierung bei Daseinsvorsorgesystemen geben. Die Wirtschaftsbeschleunigungsgesetze oder die Schuldenbremsen beim Bund und geplant auch bei uns gefährden die Lebensqualität und die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre.
Der soziale Frieden gerät in Gefahr. Wenn in der vergangenen Woche selbst der CDU-Wirtschaftsrat auf der Bundesebene - im Gegensatz zu unserem Ministerpräsidenten - die mangelnde soziale Balance im Rotstiftprogramm der Bundesregierung beklagt, dann erkennen immer mehr Menschen, dass die Grundlagen des Zusammenlebens bröckeln und mit ihnen auch die Existenzgrundlagen vieler Wirtschaftunternehmen.

Letzter Punkt. Der Stadtumbau braucht auskömmliche Kommunalfinanzen.
Was bleibt? - Es bleibt dringender Handlungszwang. Hier geht es nicht um einen von Lobbyisten herbeigeschriebenen Subventionsbedarf. Zur erfolgreichen Fortsetzung des Stadtumbaus brauchen wir die Streichung der Altschulden, die aufgabengerechte Kommunalfinanzausstattung und auskömmliche KdU-Sätze. Wir sind gezwungen, jetzt zu handeln.