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Gudrun Tiedge zu TOP 21: Gutachten des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zur Gewalt gegen Polizeibeamte

Wir haben es seit längerem - und das nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit - mit einem riesigen Widerspruch zu tun. Auf der einen Seite genießen Polizeibeamtinnen und -beamte (gleich nach der Berufsgruppe der Ärzte und Lehrer) nach wie vor den größten Vertrauensindex mit einem Wert von 2,9. Auf der anderen Seite sind sie seit geraumer Zeit vermehrt Anfeindungen und sogar Gewalthandlungen ausgesetzt, die ein erschreckendes Ausmaß angenommen haben. So ist einer Studie der GdP zufolge die Zahl der Fälle, bei denen gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Gerichtsvollzieher gewalttätig vorgegangen wird, um ca. 30 % angestiegen.

Bewusst und gezielt wird die gewalttätige Auseinandersetzung mit der Polizei gesucht, um dem eigenen Feindbild „Polizei“ mit höchster Aggressivität zu begegnen. Trauriger „Höhepunkt“ für dieses Vorgehen war das gewalttätige Vorgehen von so genannten Fans beim Regionalliga-Fußballspiel zwischen dem HFC und dem 1. FCM. So wurden bereits vor diesem Spiel Mülltonnen mit Pflastersteinen gefüllt und Zaunlatten bereitgestellt, mit denen dann nach dem Spiel die zuvor in einen Hinterhalt gelockten Polizeibeamte angegriffen wurden. Sechzehn Beamte wurden dabei verletzt.

Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei erklärte dazu: „Immer mehr Jugendliche entwickeln einen Hass auf den Staat, und die Polizei steht symbolisch für diesen Staat. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Wir bekommen die Steine ab für gesellschaftliche Entwicklungen. Das sind Hass-Handlungen.“

Andere Gewerkschafter warnen vor einer Verrohung der Gesellschaft. Und was ist die Antwort des Staates auf diese verhängnisvolle Entwicklung? Bislang einzig und allein der Ruf nach Strafverschärfung. So forderte der neue Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag Bosbach (CDU) höhere Strafen für jene, die auf Polizisten einprügeln.

Immer wieder dasselbe Verhaltensmuster: Es passiert etwas, und die regierungstragenden Fraktionen rufen einzig und allein lautstark nach schärferen Gesetzen, nach neuen Paragraphen.

Um Missverständnissen gleich vorzubeugen - auch wir fordern, dass Gewalttäter, die gegen Polizeibeamte vorgehen, dafür auch unverzüglich und streng bestraft werden.
Und da würden wir es schon begrüßen, wenn die bislang schon vorgesehen Strafrahmen auch im vollsten Umfang ausgeschöpft werden, wenn es die Schwere der Straftat hergibt.

Aber glaubt denn wirklich jemand, dass die Gewalttäter von Halle sich auch nur ansatzweise von ihrem Vorhaben hätten abbringen lassen, wenn sie gewusst hätten, dass sie härter bestraft werden? Ernsthaft kann das doch wohl niemand glauben.

Aber es entbindet letztendlich Politik und Gesellschaft von ihrer Verantwortung, wenn zu guter letzt nur die Justiz Defizite bereinigen soll.

Wie ist es um diese Gesellschaft bestellt, wenn Gewalt als legitimes Mittel angesehen wird, wenn Respekt und Achtung vor anderen verloren zu sein scheint und wenn letztendlich diejenigen, die anderen helfen wollen (und wir sprechen dabei nicht nur von Polizeibeamten, sondern auch von Rettungskräften, von Feuerwehrleuten usw.), selber Hilfe brauchen, weil sie Opfer von Gewalt geworden sind.

Nur eine tiefgründige und alle gesellschaftlichen Bereiche einbeziehende Ursachenforschung wird eine realistische Grundlage für entsprechende Antworten sein können. Alles andere ist nur Augenwischerei.

Nun ist beim Kriminologischen Institut Niedersachsen ein bundesweites Gutachten zur Erforschung von Gewalt gegen Polizisten in Auftrag gegeben worden, was im Vorfeld schon für viel Diskussion gesorgt hat. Aber dafür ist ja Prof. Pfeiffer bekannt. So wurde ein 39 langer und in 109 Kategorien unterteilter Fragenkatalog erarbeitet, mit dem die Ursachen und die genaue Anzahl der Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte ermittelt werden sollen. 260.000 Landes -und Bundespolizisten sollen ihn ausfüllen. Aber bei vielen regte sich Unmut, weil zunächst Fragen enthalten waren, die mehr als fragwürdig waren. So die Frage, ob und wie oft man als Kind von seinen Eltern in den Arm genommen, ob man beschützt wurde oder ob ihm oder ihr als Kind ruhig erklärt wurde, wenn man etwas falsch gemacht hatte. Es gab Fragen zu politischen und gesellschaftlichen Einstellungen und ob man sich einen Streifenpartner mit Migrationshintergrund wünsche oder eher nicht.

Dagegen richteten sich berechtigt Proteste von Gewerkschaften und von Innenministern, die - entgegen der Auffassung von Prof. Pfeiffer - zu einer Veränderung der Fragen führten. Nun fragen wir uns zwar immer noch, warum es von wissenschaftlicher Bedeutung sein soll, in welchem Land die leibliche Mutter oder der Vater geboren wurde und welche Staatsangehörigkeit sie haben. Oder, wie viele Personen im Haushalt leben. Aber nun gut. Nehmen wir es einmal so hin.

Wichtig sind aus unserer Sicht die Fragen nach der Wahrscheinlichkeit von Gewaltübergriffen, nach dem Verhalten von Kolleginnen und Kollegen beim Übergriff, nach der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und wie man in der Aus- und Fortbildung auf Übergriffsituationen vorbereitet wurde oder aber auch welche psychischen und physischen Folgen noch vier Wochen nach den Gewalttaten zu verzeichnen waren.

Wir sind gespannt auf das Ergebnis des Gutachtens und hoffen, dass es über die „Pfeifferische Töpfchentheorie“ hinausgehen wird. Und selbstverständlich erwarten wir, dass das Gutachten, wenn dann erstellt, nicht in den Schreibtischen verschwindet, sondern dass es zur Grundlage genommen wird, um Veränderungen herbeizuführen.

Gewalt gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten, gegenüber Rettungskräften u.ä. ist mit nichts zu rechtfertigen. Wir sagen aber auch mit gleicher Entschiedenheit, Gewalt gegenüber friedlichen Demonstranten auch nicht.