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Gudrun Tiedge zu TOP 18: Missbilligung der Amtsführung von Herrn Minister Hövelmann

Kann man ein Ministerium mit einem Orchester vergleichen? Im Prinzip schon, wenn auch Vergleiche immer hinken. Ministerium wie Orchester brauchen einen kompetenten, durchsetzungsfähigen und aufgabenorientierten Dirigenten, durch den sichergestellt wird, dass das Ensemble - bestehend aus vielen Einzelmusikern - harmonisch zusammenarbeitet und Misstöne ausgeschlossen werden.
Aber davon ist das Innenministerium seit Jahren weit entfernt.

Da gibt es ein Paar/ paar (Ich überlasse es Ihrer Fantasie, ob  „Paar“ groß oder klein geschrieben wird.) erste Geigen, die am Dirigenten vorbei ihre eigene Melodie spielen. Und trotz, dass der Minister von außen die schrägen Töne hört, reagiert er nicht, greift nicht ein oder oftmals zu spät.

Aber allein der Minister hat den Taktstock zu schwingen und darf sich nicht das Zepter aus der Hand nehmen lassen. Doch Ereignisse in der Vergangenheit sprechen eine andere Sprache.

Bereits im Januar 2006 (Das noch unter einem anderen Innenminister.) gab es auf unseren Antrag hin eine Aktuelle Debatte „Zur besorgniserregenden Situation in der Polizei in Sachsen-Anhalt“. Besorgniserregende Ergebnisse traten aufgrund einer Arbeitssituationsanalyse zu Tage, wie eine große Unzufriedenheit unter den Polizistinnen und Polizisten, Demotivation, eine Verschlechterung des Klimas untereinander, wachsende Flut von zu erledigenden Statistiken und Verwaltungsaufgaben; die Stimmung der Beamtinnen und Beamten näherte sich bedenklich einem Abgrund.

Und wie sieht es nunmehr 2009 aus!? Wir sind einen Schritt weiter, aber leider nicht weg vom Abgrund.

Aber trotz aller Missstände und Schwierigkeiten versuchen die Polizistinnen und Polizisten Sachsen-Anhalts mit ganzer Kraft, mit ganzem körperlichen Einsatz ihren Aufgaben im Interesse der öffentliche Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden, für jeden von uns und das jeden Tag. Hierfür unseren Dank und vollsten Respekt.

Um so mehr müssen vorhandene Defizite und Mängel angesprochen, da darf nichts bagatellisiert oder verharmlost werden. Und da hätten die Mitglieder des Innenausschusses es schon erwartet, dass der Innenminister ohne Aufforderung über den Bericht der Staatsanwaltschaft zur Polizeistrukturreform zeitnah unterrichtet; und dies noch bevor man Details aus der Presse entnehmen konnte, zumal wir bereits im April 2008 aufgrund der Kritik der Gewerkschaften im Innenausschuss Aufklärung verlangten. Damals wurde erklärt, zu grundlegender Kritik an der Polizeistrukturreform bestünde keinerlei Veranlassung. Das liest sich nun im Bericht ganz anders.

Lassen sie mich nur einige wenige Probleme aus diesem Bericht zitieren, um ihnen die Tragweite zu verdeutlichen:

  • Motivationsverluste auf sämtlichen Ebenen;
  • fehlende Tatortarbeit und Spurensicherung;
  • Kompetenzverluste und fachliche Defizite, insbesondere bei Sonderdezernaten, z.B. BTM-Kriminalität;
  • „Aktentennis“ zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei.

Ich könnte fortfahren.
Und welch` weise Voraussicht: Die Staatsanwaltschaft prognostiziert einen Rückgang der Kriminalität. Nicht, weil die Bürger dieses Landes gesetzestreuer geworden seien, sondern, weil z.B. vielfach Sachen gar nicht mehr zur Anzeige gebracht werden und Strukturermittlungen wie bei der Betäubungskriminalität nicht mehr durchgeführt werden können. Und diese Weitsicht hat sich auch in der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2008 am Mittwoch bestätigt.
Wir sollten uns aber hüten, diesen Rückgang als Erfolg zu feiern.

Wir hätten erwartet, dass der Innenminister den Bericht der Generalstaatsanwaltschaft zur Chefsache erklärt. Doch weit gefehlt, zur Berichterstattung im Ausschuss erscheint nur der Staatssekretär, denn der Innenminister ist im wohlverdienten Urlaub. Sei es ihm gegönnt, unbestritten!
Doch wenn der Innenminister am selben Tag beim Neujahrsempfang (trotz Urlaub) erscheint, ist das sicherlich eine Frage seiner Urlaubsgestaltung, aber aus unserer Sicht unsensibel, konzeptionslos und mehr als fragwürdig.
Sehr geehrter Herr Minister, wenn es Ihnen wirklich wichtig gewesen wäre, dann hätten sie trotz Urlaub aufgrund der fachlichen und politischen Brisanz des Problems im Ausschuss persönlich Rede und Antwort gestanden.  

Oder, da erklärt in eben dieser Innenausschusssitzung der Staatssekretär, dass es bereits einen ersten Zwischenbericht zur Evaluierung der Polizeistrukturreform gäbe. Auf Nachfrage im nächsten Innenausschuss erklären dann Sie, Herr Innenminister, dass Sie so einen Bericht nicht kennen und es Ihrer Meinung nach auch nicht gäbe.
Hü und hott. Wer hält hier eigentlich die Zügel?!

Ich kann auf Grund der Zeit nicht auf alle parlamentarischen Initiativen eingehen, die wir zahlreich im Zusammenhang mit dem Agieren im Innenministerium gestellt haben. Daher nur noch folgendes zur Besetzung der Rektorenstelle der Polizeifachhochschule.
Hier wird nunmehr auf dem Rücken eines sicher sehr kompetenten Polizeibeamten etwas ausgetragen, was seit Jahren mit der Laufbahnverordnung schief läuft. Mal ganz abgesehen davon, dass hier am Gesetz vorbei die Verordnung „probeweise“ verändert wurde.
Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Wir nehmen es ihnen nicht ab, dass der Beamte nur „kommissarisch“ als Rektor eingesetzt wurde. Dagegen spricht alles, was es dazu bisher an Verlautbarungen gab. Selbst die Rektorenkonferenz geht von einer Ernennung aus. Und das Kürzel mdWdGb (mit der Wahrnahme der Geschäfte beauftragt) taucht ebenfalls an keiner Stelle auf.

Und noch etwas bereitet uns große Sorgen. Wenn sich Polizeibeamte an uns wenden, anonym oder mit der ausdrücklichen Bitte, dass ihr Name nicht genannt wird, dann ist auch das ein beredtes Zeugnis von schlechter Führungsarbeit.
Ich zitiere aus einem Brief:
„Nur wer die Augen öffnet und die Probleme sehen will, hat die Möglichkeit der Verbesserung. Die Herren im Innenministerium schließen lieber die Augen und möchten mit Erfolgen der Polizei zu aller erst ihr eigenes Image aufbessern.
Unterschrift -  Ein Polizist, der für sich in Anspruch nimmt, seinen Beruf zu mögen, und dessen Engagement ihn dazu bringt, diesen Weg zu wählen. Würde er als Überbringer der schlechten Nachricht mit seinem Namen unterschreiben, wüsste er, was passiert.“

Leider sind das genau die Erkenntnisse, die sich für uns auch aus dem 10. PUA im Hinblick auf den Umgang mit den drei Staatsschützern ergeben.

Herr Minister, wenn es Ihnen nicht gelingt, in den nächsten Monaten den Taktstock wieder oder überhaupt in die Hand zu nehmen, dann sind Sie nicht der richtige Dirigent.